TV-Kabel: Bleibt Nebenkostenprivileg doch länger erhalten?
Mit einer Verfassungsbeschwerde wendet sich das Hamburger Telekommunikationsunternehmen willy.tel gegen die Einführung des entschädigungslosen Sonderkündigungsrechts durch den am 1. Dezember 2021 in Kraft getretenen neuen Paragrafen des Telekommunikationsgesetzes (§ 230 Abs. 5 TKG), auch bekannt als Abschaffung des sogenannten Nebenkostenprivilegs. Hiernach können ab 1. Juli 2024 Vermieter die Betriebskosten bereits existierender Breitbandnetze grundsätzlich nicht mehr auf ihre Mieter umlegen. Unterstützt wird das Hamburger Unternehmen durch den Breitbandverband Anga.
willy.tel geht gegen die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs vor
Quelle: YouTube/willy.tel, Screenshot: Michael Fuhr/teltarif.de
Bisher müssen viele Mieter etwa die Kosten für einen Kabel- oder Breitbandanschluss unabhängig davon zahlen, ob sie ihn wirklich nutzen oder nicht. Hierdurch sehen sich auch Konkurrenten benachteiligt, beispielsweise Internet-TV-Anbieter wie waipu.tv gegenüber den Kabelnetzbetreibern wie Vodafone. Allerdings haben Mieter auch wesentlich günstigere monatliche Gebühren für Kabelfernsehen oder Internet im Vergleich zum Abschluss eines Einzelvertrags mit dem Netzbetreiber.
Netzbetreiber können Investitionen nicht mehr amortisieren
Das Sonderkündigungsrecht dient in diesem Zusammenhang dazu, die mit dem Ende der Umlagefähigkeit verbundenen Lasten zwischen den Vermietern und den Netzbetreibern zu verteilen. Die Netzbetreiber haben mit den Vermietern langfristige Verträge über die Versorgung der Immobilien mit Telekommunikations-Diensten geschlossen, damit die vor allem zu Beginn der Vertragslaufzeit anfallenden Investitionen über die Laufzeit amortisiert werden können. Mit dem Sonderkündigungsrecht hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen, diese Verträge schon mit Wirkung ab dem 1. Juli 2024 zu beenden.
Einen Ausgleich oder eine Entschädigung für diejenigen Netzbetreiber, die auf Basis bereits geschlossener Verträge in den Ausbau der Breitbandnetze investiert haben, sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr bestimmt der neue Paragraf, dass die Kündigung den anderen Vertragspartner nicht zum Schadensersatz berechtigt. Die infolge der Abschaffung der Umlagefähigkeit eintretenden wirtschaftlichen Belastungen tragen damit nahezu vollständig allein die Netzbetreiber.
Das Hamburger Familienunternehmen willy.tel hält die darin liegende Rückwirkung auf langlaufende Verträge für klar verfassungswidrig. "Als mittelständischer Netzbetreiber investieren wir seit Jahren in den Glasfaserausbau in Hamburg. Unsere Investitionen sind abgesichert durch lang laufende Verträge mit den Vermietern. Wenn nun diese Vereinbarungen entschädigungslos gekündigt werden können, wird diesen Verträgen rückwirkend die Grundlage entzogen. Das ist mit dem Eigentumsschutz nicht vereinbar", sagt Bernd Thielk, Geschäftsführer willy.tel und Vizepräsident der Anga.
Verfassungsklage soll Klarheit für alle Netzbetreiber bringen
Das aufwändige Musterverfahren soll Klarheit für die Netzbetreiber in dieser wichtigen Frage bringen soll. Anga-Präsident Thomas Braun betont die Bedeutung für künftige Investitionen in den Ausbau: "Mit der Abschaffung der mietrechtlichen Umlagefähigkeit der Betriebskosten von Inhaus-Netzen ist ein wichtiges Instrument für die Finanzierung des Inhaus-Ausbaus weggefallen. Das ersatzweise eingeführte Glasfaserbereitstellungsentgelt ist nicht geeignet, den FTTH-Ausbau auf breiter Front umzusetzen oder zu beschleunigen. Die Refinanzierung des Ausbaus wird damit für die Netzbetreiber immer schwieriger. Das Sonderkündigungsrecht der Wohnungsunternehmen verschärft diese Situation noch, indem es einseitig nur die Netzbetreiber belastet und ihre bisherigen Investitionen und damit den weiteren Ausbau gefährdet."
Vodafone rechnet durch den Wegfall des Nebenkostenprivilegs mit zwei Millionen weniger Kunden.