EU-Einigung: Freiwillige "Chatkontrolle" wird verlängert
EU-Einigung: Freiwillige Chatkontrolle soll verlängert werden
Bild: picture alliance/dpa
Eine freiwillige "Chatkontrolle" zur Bekämpfung von
sexueller Gewalt gegen Kinder in der EU soll bis April 2026 verlängert werden. Damit
können einer Einigung von Unterhändlerinnen und Unterhändlern des
Europaparlaments und der EU-Staaten von heute zufolge
Internetanbieter weiterhin ihre Dienste auf Inhalte mit sexuellem
Missbrauch von Kindern überwachen. Das Parlament und die EU-Staaten
müssen der Einigung noch zustimmen. In den meisten Fällen ist das
eine Formsache.
Weil Verhandlungen darüber stocken, ob künftig private Nachrichten auf Missbrauchsdarstellungen von Kindern durchsucht werden müssen, wurde diese Ausnahme nun verlängert. Die EU-Kommission hatte 2022 einen Vorschlag vorgelegt, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach entsprechenden Darstellungen zu durchsuchen.
Viele Kritiker sehen massive Probleme
Kritiker sprechen von einer "Chatkontrolle". Sie sehen darin einen Versuch, die gesamte Kommunikation im Netz inklusive verschlüsselter Nachrichten zu scannen und fürchten Massenüberwachung. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte Bedenken.
EU-Einigung: Freiwillige Chatkontrolle soll verlängert werden
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Durch eine verpflichtende Kontrolle soll verhindert werden, dass
Kinderpornografie etwa über soziale Netzwerke verbreitet wird. Nach
Angaben der EU-Kommission wurden im Jahr 2021 weltweit 85 Millionen
Bilder und Videos mit Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch
gemeldet, die Dunkelziffer ist hoch. "Es hat sich gezeigt, dass
Freiwilligkeit allein nicht reicht, um dem Problem Herr zu werden",
heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Es gilt als
unwahrscheinlich, dass die Verhandlungen zum Vorschlag der Kommission
bis zur Europawahl im Juni abgeschlossen werden können.
Harte Kritik von EU-Parlamentarier
Die Mehrheit im EU-Parlament einschließlich Union und SPD wollte laut dem EU-Parlamentsabgeordneten Patrick Breyer ursprünglich nur um 9 Monate verlängern, um schnellstmöglich zu einer gezielten Überwachung Verdächtiger und einem weit besseren Schutz von Kindern durch sicherere Voreinstellung von Diensten, proaktive Suche nach frei zugänglichem Missbrauchsmaterial, Löschpflichten und ein EU-Kinderschutzzentrum überzugehen.
In Wahrheit leiste die freiwillige Massenüberwachung der persönlichen Nachrichten und Fotos durch US-Dienste wie Meta, Google oder Microsoft seiner Auffassung nach "keinen signifikanten Beitrag zur Rettung missbrauchter Kinder oder Überführung von Missbrauchstätern, sondern kriminalisiert umgekehrt tausende Minderjähriger, überlastet Strafverfolger und öffnet einer willkürlichen Privatjustiz der Internetkonzerne Tür und Tor."
Das EU-Parlament wolle "einen viel besseren und gerichtsfesten Schutz vor Kindesmissbrauch im Netz", mit dem heutigen Deal werde aber "überhaupt nichts zum besseren Schutz unserer Kinder erreicht", so Breyer weiter. "Mit so wenig Rückgrat werden immer weitere Verlängerungen des Status Quo folgen und ein besserer Schutz von Kindern immer unwahrscheinlicher. Missbrauchsopfer haben besseres verdient!"
Der LIBE-Ausschuss im Europäischen Parlament hatte im vergangenen November mit Mehrheit ein Verhandlungsmandat zur Entschärfung der umstrittenen EU-Chatkontrolle angenommen.