ProSiebenSat.1: Schleichender Abschied von Hollywood
An den USA scheiden sich bekanntermaßen die Geister. Viele lieben das Land, seine Kultur und Lebensweise. Andere wiederum können mit dem American Way of Life überhaupt nichts anfangen. Und wo wird man stärker mit Stars and Stripes konfrontiert als im Fernsehen? Filme und Serien aus der Traumfabrik Hollywood laufen vor allem auf privaten TV-Sendern tagtäglich rauf und runter. Zumindest bei ProSiebenSat.1 soll sich dies nun ändern, statt Content aus den US-Studios setzt man in Unterföhring künftig auf lokale Inhalte. Wie stehen die Chancen auf Erfolg?
US-Fiction als Markenkern
Kann ProSieben auf Hollywood-Blockbuster verzichten?
Bild: ProSieben
Hollywood war immer ein zentraler Markenkern der deutschen Privatsender. Schon in den ersten Sendestunden von damals noch Pro 7 und RTL plus gegen Mitte der 1980er-Jahre gehörte US-Fiction quasi zum Mobiliar der damals noch jungen Fernsehsender. Vor dem Sendestart lief prominente US-Ware bei ARD und ZDF. Ohne den zunehmenden Wettbewerb um Lizenzen hätte sich daran vermutlich auch wenig geändert.
Während seinerzeit Private und Medienmogul Leo Kirch den öffentlich-rechtlichen Sendern das Leben schwer machte, sind es heute vor allem die Studios mit ihren eigenen Streaming-Diensten selbst, welche für Ebbe bei den Lizenzrechten sorgen. Auf eine derartige Entwicklung müssen ProSiebenSat.1 und auch RTL zwangsläufig reagieren. Mehr lokale Inhalte sind dabei naheliegend, doch treffen sie auch den Nerv des Publikums?
Druck aus Italien
Hinter dem neuen Trend zu mehr lokalem Content steckt aber wohl mehr als die bloße ökonomische Notwendigkeit oder der Mangel an Programminnovation, weil US-Studios nicht mehr ausreichend liefern. Hinter den Kulissen spielt mutmaßlich Druck aus Mailand eine Rolle. Zum besseren Verständnis: In Italien, wo ProSiebenSat.1-Großaktionär Media For Europe eine zentrale Rolle auf dem TV-Markt spielt, herrscht seit jeher eine andere Fernsehkultur.
Italiener lieben Live-Unterhaltung vor Publikum. Auch die Investitionen in fiktionalen Content bewegen sich bei unseren südlichen Nachbarn auf einem völlig anderen Niveau als man es hierzulande gewohnt ist. Wer durch die Kanäle der öffentlich-rechtlichen RAI oder von Mediaset zappt, findet fast überall lokales Entertainment, Musikshows, lebhafte Talkformate und natürlich italienische Filme und Serien. Von daher ist es nachvollziehbar, dass man eine solche Erfolgsstrategie ebenfalls gerne bei der Beteiligung in Unterföhring sehen möchte.
USA bleiben Quotengarant
Nun ist es sicherlich nicht so, dass deutsche TV-Zuschauer keine lokalen Inhalte mögen. Das alleine zeigt schon der andauernde Erfolg von Krimiserien, wie dem allseits bekannten ARD-Tatort oder jahrzehntelang gute Quoten bei "Wetten, dass...". Aber - und dies ist ebenso Teil der Wahrheit - vor allem die jüngere Generation bleibt dann doch eher bei Netflix hängen. Und wer sich die Studien zu meistgesehen Inhalten bei Streaming-Diensten anschaut, kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Geschaut werden vor allem hochwertige US-Dramaserien, Hollywood-Blockbuster und überraschenderweise Sitcom-Wiederholungen - ein Beispiel ist der andauernde Erfolg von "Friends".
Genau diese Sitcom-Wiederholungen laufen übrigens seit Jahren auf ProSieben in der Daytime oder Access Prime Time. Zu nennen wären hier insbesondere "The Big Bang Theory", "Scrubs" oder mittlerweile ebenso "Friends" am Wochenende. Ein Verzicht auf diese Quotengaranten ist abseits von Prime-Time-Blockbustern eigentlich kaum vorstellbar. Tatsache ist, wer Hollywood den Rücken kehren will, muss langfristig mehr als nur Ware von der Stange liefern. Wie und mit welchem Konzept das bei ProSieben mit Blick auf klamme Kassen aussehen soll, bleibt das Geheimnis CEO Bert Habets.