Etablierte Mobilfunker wünschen Frequenzverlängerung
In Kürze wird die Bundesnetzagentur ihre Entscheidung zur Neuvergabe oder Verlängerung der "Low Band-Frequenzen" für Mobilfunk in Deutschland bekannt geben. Die Ausgangslage ist klar: Derzeit gibt es drei Netzbetreiber, die stark dafür plädieren, die bereits vergebenen Frequenzlizenzen einfach zu verlängern.
Der Vorteil: Sie sparen sich eine erfahrungsgemäß sündhaft teure Auktion und können das Geld in den bitter notwendigen Netzausbau stecken. Wichtig ist dabei aus Kundensicht, dass die Bundesnetzagentur klare Ausbauverpflichtungen definiert und entsprechende Sanktionen umsetzt, wenn gar nicht oder nicht rechtzeitig ausgebaut wird.
1&1 möchte nicht abgehängt werden
3 Netzbetreiber gegen einen Neueinsteiger - welche Lösung könnte die Bundesnetzagentur finden?
Fotos: 1&1/Telefónica, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Der vierte Netzbetreiber 1&1 sieht das anders und besteht darauf, aus dem Kuchen der drei Großen seinen Anteil abzubekommen, da es für einen Netzausbau in der Fläche niedrige Frequenzen mit höherer Reichweite braucht.
Dazu hatte 1&1 das sogenannte AETHA-Gutachten vorgelegt, das die These aufstellt, dass es nach wie vor genügend Frequenzen für den Betrieb von vier Netze gebe.
"Mit den 800 MHz-Frequenzen wird Ende 2025 lediglich ein Drittel der Low-Band-Frequenzen frei. Das heißt, Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica können ohnehin bis mindestens 2034 uneingeschränkt auf die anderen zwei Drittel bei 700 und 900 MHz zugreifen. Würde 1&1 bei der Frequenzvergabe ausgeschlossen, wären wir für viele Jahre blockiert und könnten unser Netz nicht wettbewerbsfähig betreiben", wird Ralph Dommermuth, der CEO von 1&1 zitiert.
Gutachten von IIS Fraunhofer
Nun hat das renommierte Fraunhofer IIS Institut sich die Gemengelage aus technischer Perspektive angeschaut. Das Gutachten liegt teltarif.de vor.
Fraunhofer betont, dass es "zur Sicherstellung einer hohen Mobilfunkqualität in Deutschland unabdingbar sei, den Netzbetreibern bei der Vergabe von Mobilfunkfrequenzen weiterhin realistische, gut überprüfbare Auflagen für den Ausbau ihrer Netze mit den ersteigerten Frequenzen zu machen." Dies sei in der vorgeschlagenen Übergangsentscheidung der Bundesnetzagentur auch vorgesehen.
Gegen die von Aetha in deren Studie – aus Sicht des Fraunhofer Institutes "fälschlicherweise – festgestellte ineffiziente Frequenznutzung durch die etablierten Mobilfunknetzbetreiber" halten die Forscher entgegen:
- Die Mobilfunknetzbetreiber nutzen das ihnen zugeteilte Spektrum, insbesondere im Frequenzbereich unter 1 GHz effizient.
- Die Netzbetreiber hätten ihre Netze massiv ausgebaut. Eine Einschränkung der aktuellen Frequenzzuteilung unterhalb von 1 GHz würde bei den etablierten Netzbetreibern zu unmittelbaren Versorgungseinbußen führen, insbesondere im ländlichen Raum.
Wichtiges Gegenargument: Nationales Roaming
Fraunhofer hat durchaus gewichtige Argumente: "Durch das National-Roaming-Abkommen mit Vodafone kann 1&1 dessen flächendeckendes Netz nutzen." Das langfristige Abkommen gebe 1&1 eine "ausreichende Planungssicherheit."
Es sei unklar, welche langfristigen Ausbaupläne die 1&1 nach 2030 habe, insbesondere in den ländlichen Regionen.
Wie schnell würde 1&1 niedrige Frequenzen nutzen?
Falls Frequenzen unterhalb 1 GHz an 1&1 zu Lasten der anderen Zuteilungsnehmer vergeben würden, sei nicht damit zu rechnen, dass 1&1 recht kurzfristig ("zeitnah") Sender mit diesen Frequenzen in der Fläche aufbauen würde. Da 1&1 erst nach 2030 verstärkt ausbauen müsse, könnte es bei den dann erneut stattfindenden Auktionen die notwendigen Frequenzen erwerben, um flächendeckend auszubauen.
Fraunhofer hält die von der Bundesnetzagentur erwogene Übergangsentscheidung mit einer Verlängerung als "sehr sinnvoll".
Ausblick: Später könnte es einfacher werden
Nach der aktuell diskutierten Verlängerung könnte es später möglich sein, neue Frequenzen in das Vergabeverfahren einzubeziehen. Bei der Weltfrequenzkonferenz 2023 wurde bekanntlich über neue Frequenzen bei 6,4-7,1 GHz und eine langfristige Öffnung des 600-MHz-Bereichs für Mobiltelefone diskutiert.
Wenn drei sich einig sind
Die etablierten Netzbetreiber sind sich ziemlich einig: Eine Neuverteilung der Frequenzen bei der aktuellen Knappheit dieser Flächenfrequenzen im 800-Megahertz-Bereich würde unmittelbar zu massiven Qualitätsverlusten in der Mobilfunkversorgung führen – vor allem auf dem Land, wo im schlimmsten Fall einzelne Sender ausgeschaltet werden müssen, was neue Funklöcher oder zumindest mehr Belastung der verbleibenden Frequenzen und damit unterm Strich (noch) langsamere Netze bedeuten könnte. Die etablierten Betreiber befürchten, dass diese Frequenzen bei 1&1 "über mehrere Jahre quasi brach liegen würden", weil 1&1 speziell auf dem Lande vermutlich zunächst gar keine zusätzlichen Stationen bauen könnte, denn "deren Logistik ist am Anschlag", so ein Szenekenner.
Für die verbliebenen Stationen der drei Betreiber stünde auf einmal weniger Spektrum als vorher bereit. Eine theoretisch denkbare Lösung, die Sende-Stationen noch dichter aufzustellen, ist nur bedingt möglich, da eine Frequenz nur in ausreichend großem Abstand "wiederholt" werden kann und außerdem würde das die Netzaufbaukosten gewaltig erhöhen.
De Groot wünscht sich klare Entscheidung
Der neue Vodafone-Deutschland Chef Marcel de Groot wünscht sich, "dass Mobilfunk-Deutschland jetzt eine Entscheidung für die vielen Millionen Smartphone-Nutzer trifft. Eine Entscheidung für neue Mobilfunkstationen, statt einer Entscheidung für neue Funklöcher auf dem Land." Und er formuliert es noch etwas drastischer: "Wir können teure Frequenz-Auktionen für viele Jahre in den Ruhestand verabschieden – und Deutschland im Mobilfunk damit auf die Überholspur bringen".
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
In Kürze (wohl am 13. Mai) wird die Bundesnetzagentur ihre Entscheidung zur Frequenzvergabe bekannt geben. Wie könnte die aussehen?
- Sie könnte die Frequenzen verlängern und 1&1 vorhalten, dass deren versprochener Netzausbau zeitlich hinter allen Plänen liegt, solange könne man keine zusätzlichen Frequenzen bereitstellen. Im Übrigen könne 1&1 sich ja auf die niedrigen Frequenzen von Vodafone im Zuge des nationalen Roamings abstützen.
- Die Netzagentur könnte die Frequenzen verlängern und in die Bedingungen hineinschreiben, dass die drei etablierten Netzbetreiber im nachgewiesenen Bedarfsfall von 1&1 aus ihren Beständen lokal Frequenzen an 1&1 bereitstellen müssen, gegen "marktübliche Miete" versteht sich. 1&1 müsste dann unverzüglich auf diesen Frequenzen aufbauen und einschalten.
- Die Netzagentur könnte auch sagen: "Sorry Leute, wir machen doch eine Auktion." Nach dieser Auktion könnten nur noch 2 oder 3 Netzbetreiber "übrig" bleiben, weil die Versuchung bestimmter Anbieter im Rahmen einer teuren Auktion die lästige Konkurrenz ein für alle Mal zu verdrängen, sehr groß werden könnte. Wer bliebe danach übrig und was täten die Verlierer ohne niedrige Frequenzen?
Bei einer Auktion würden wir Kunden nur verlieren, denn das für die Lizenzen verbratene Geld wird dann erneut dem Netzausbau fehlen und die Anbieter, die keine Frequenzen mehr haben, können vielleicht gar nicht mehr vernünftig versorgen. Die Wahrscheinlichkeit, dass daraufhin die Preise steigen, weil der Gewinner die Macht dazu hat, ist ziemlich hoch. Aus Kundensicht muss es also eine Lösung geben, welche die Netzbetreiber dazu verpflichtet, endlich ihre Hausaufgaben zu machen und das Land flächendeckend (= Fläche, nicht nur Bevölkerung) auszubauen und dabei den vierten Netzbetreiber zu tolerieren, schon alleine, weil die Politik unbedingt vier Netzbetreiber haben möchte.
In einer weiteren Meldung lesen Sie: Unter 15 Euro/Monat: Das ist die günstigste Netzbetreiber-Flat.