Unterversorgt

Deutelbach: Vodafone will unterversorgte Fläche abdecken

In Deutel­bach (Gemeinde Aura im Sinn­grund) im Main-Spes­sart-Kreis in Bayern hat die Bundes­netz­agentur Unter­ver­sor­gung fest­gestellt. Es muss sich also was tun.
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Wer in der Groß­stadt wohnt, kann Glück haben und aus einer Viel­zahl von Anbie­tern für Fest­netz, Internet oder Mobil­funk wählen, die im Ideal­fall die Wohnung und die Umge­bung ("den Kiez") versorgen. Wer auf dem Land wohnt, sollte froh sein, wenn es wenigs­tens einen Anbieter gibt. Viel­leicht erscheint schon "5G" auf dem Display und das Internet könnte schon bei DSL 50.000 ange­kommen sein. Auch Glas­faser wurde auf dem Land schon gesichtet, aber lange noch nicht überall.

Es gibt aber auch Regionen im Land, da ist die Anzeige "Kein Netz" die Stan­dard­anzeige auf einem Handy-Display, egal welche SIM-Karte einge­legt ist. Und auch im Fest­netz ist nicht viel los.

Bundes­netz­agentur stellt Unter­ver­sor­gung fest

Ehrliche Auskunft der Telekom für Deutelbach: Hier sind im Festnetz (maximal) 6 MB/s im Download zu erwarten. Ehrliche Auskunft der Telekom für Deutelbach: Hier sind im Festnetz (maximal) 6 MBit/s im Download zu erwarten.
Grafik: Deutsche Telekom / Screenshot: teltarif.de
Die Bundes­netz­agentur als Aufsichts­behörde für die Tele­kom­muni­kation hat in diesen Tagen im Amts­blatt Nr. 2 / 2024 "amtlich" fest­gestellt, dass bestimmte Flur­stücke im Orts­teil Deutel­bach der Gemeinde 97773 Aura im Sinn­grund im Sinne des TKG als "unter­ver­sorgt" anzu­sehen sind. Aura im Sinn­grund liegt in Bayern (Main-Spes­sart-Kreis) unweit der Landes­grenze zu Hessen. Eisen­bahn­fans kennen die Gegend, weil es in Burg­sinn einen ICE-Betriebs­bahnhof gibt, die Züge fahren norma­ler­weise mit Tempo 250 km/h "drunter durch".

Im Orts­teil Deutel­bach, so die amtliche Fest­stel­lung, sei keine Versor­gung mit Tele­kom­muni­kati­ons­diensten nach §157 Abs. 2 Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz (TKG), "hier im Sinne eines schnellen Inter­net­zugangs­dienstes, aktuell und auch nicht in objektiv abseh­barer Zeit nach §158 Abs. 1 TKG zu einem für Verbrau­cher erschwing­lichen Endnut­zer­preis" zu erwarten.

Also gibt es Konse­quenzen: "3. Die Bundes­netz­agentur wird nach den Vorschriften des §161 Abs.2 TKG vorgehen, sofern kein Unter­nehmen inner­halb eines Monats nach Veröf­fent­lichung dieser Allge­mein­ver­fügung schrift­lich oder elek­tro­nisch gegen­über der Bundes­netz­agentur zusagt, sich zur Versor­gung mit Tele­kom­muni­kati­ons­diensten nach §157 Abs.2 TKG und § 58 Abs.1  TKG in dem in Ziffer 2 benannten Gebiet, ohne Ausgleich nach §162 TKG zu verpflichten."

Wenn keiner bauen will, muss einer bauen

Bedeutet: Meldet sich kein Anbieter und kündigt rechts­ver­bind­lich einen Ausbau an, kann die Bundes­netz­agentur einen Anbieter heraus­deuten, der das Gebiet ausbauen muss. §162 des TKG legt fest, dass der Anbieter, der dort ausbaut, "einen finan­ziellen Ausgleich" bekommen kann, sofern die ermit­telten "Netto­kosten eine unzu­mut­bare Belas­tung darstellen".

Der genaue Ablauf

Netzabdeckungskarte von o2 für Deutelbach. Ob es hier wirklich Netz gibt? Netzabdeckungskarte von o2 für Deutelbach. Ob es hier wirklich Netz gibt?
Grafik: o2-Telefónica / Screenshot: teltarif.de
Die Bundes­netz­agentur hat uns den Ablauf sehr ausführ­lich erläu­tert: "Bei der Verfü­gung Nr. 17/2024, die im Amts­blatt am 24. Januar 2024 veröf­fent­licht wurde, handelt es sich um die Fest­stel­lung einer Unter­ver­sor­gung mit Bedarf, d.h., auf dem ange­gebenen Flur­stück 1588/1 ist eine natür­liche Person gemeldet, die gegen­über der Bundes­netz­agentur einen Anspruch auf eine Versor­gung mit Tele­kom­muni­kati­ons­diensten geltend gemacht hat.

Zum Vergleich: In der Verfü­gung Nr. 15/2024 handelt es sich um die Fest­stel­lung einer Unter­ver­sor­gung ohne Bedarf, d.h. in dem bezeich­neten Gebiet gibt es keine Versor­gung, es ist dort aber keine Person gemeldet, die einen Anspruch gegen­über der BNetzA geltend gemacht hat.

Bei der Fest­stel­lung einer Unter­ver­sor­gung mit Bedarf nach §160 Abs. 2 Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz haben die Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen einen Monat Zeit, gegen­über der Bundes­netz­agentur zuzu­sagen, sich frei­willig zu einer Versor­gung zu verpflichten. Diese Frist läuft einen Monat nach der Veröf­fent­lichung im Amts­blatt ab. Sofern bis dahin eine geeig­nete Verpflich­tungs­zusage bei der Bundes­netz­agentur eingeht, kann sie diese durch Verfü­gung für bindend erklären.

Wenn sich bis dahin hingegen kein Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen mit einer Verpflich­tungs­zusage bei der BNetzA gemeldet hat, führt die Bundes­netz­agentur zunächst eine Anhö­rung von für eine Verpflich­tung poten­ziell in Frage kommender Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen durch. Inner­halb von drei Monaten - bei beson­derer Komple­xität des Sach­ver­halts maximal vier Monate - nach Ablauf der oben genannten Frist zur frei­wil­ligen Zusage verpflichtet die Bundes­netz­agentur eines oder mehrere Unter­nehmen, das in der Verfü­gung genannte Flur­stück an ein öffent­liches Tele­kom­muni­kati­ons­netz anzu­schließen und Tele­kom­muni­kati­ons­dienst­leis­tungen zu erbringen, die den Werten der Tele­kom­muni­kati­ons­min­dest­ver­sor­gungs­ver­ord­nung entspre­chen. Diese Werte betragen derzeit 10 MBit/s im Down­link und 1,7 MBit/s im Uplink bei einer maxi­malen Latenz von 150 ms (One Way).

Die Verpflich­tung hat dabei tech­nolo­gie­neu­tral zu erfolgen, d. h. es besteht kein Anspruch auf einen leitungs­gebun­denen Anschluss. Die Dienste können viel­mehr auch über Mobil­funk oder durch den Einsatz von Satel­liten erbracht werden, sofern die oben genannten Para­meter einge­halten werden." Soweit die Ausfüh­rungen der Netz­agentur.

Wie ist die Lage vor Ort?

Wir haben uns im Internet umge­schaut: Telekom und Voda­fone räumen offen ein, hier kein Netz zu haben, o2 meint, "im Freien" wenigs­tens GSM bieten zu können und für das Fest­netz gibt die Telekom offen zu, dass es dort maximal DSL 6000 geben könnte. Ehrliche Versorgungskarte der Telekom für Deutelbach - nicht versorgt Ehrliche Versorgungskarte der Telekom für Deutelbach - nicht versorgt
Grafik: Deutsche Telekom / Screenshot: teltarif.de

Rund­frage mit über­raschendem Ergebnis

Wir haben bei der Deut­schen Telekom, bei Voda­fone ferner beim bayri­schen Staats­minis­terium für Wirt­schaft und der Mobil­funk­infra­struk­tur­gesell­schaft (MIG) nach­gefragt. Die MIG hat dort den "Such­kreis 2302_045" eröffnet und dieser "wurde am 12.01.24 durch die Zusage von mindes­tens einem Mobil­funk­netz­betreiber aktiv." Nach den der MIG vorlie­genden Infor­mationen wird demnächst die Gemeinde zur Liegen­schafts­anfrage ange­schrieben.

Voda­fone über­rascht

Ehrliche Versorgungskarte von Vodafone für Deutelbach - (noch) nicht versorgt Ehrliche Versorgungskarte von Vodafone für Deutelbach - (noch) nicht versorgt
Grafik: Vodafone / Screenshot: teltarif.de
Die Antwort von Voda­fone war über­raschend: "Die Unter­ver­sor­gung des Orts­teils Deutel­bach in 97773 Aura im Sinn­grund war aus Voda­fone-Sicht zuletzt im Dezember 2023 Gegen­stand unseres Mobil­funk-Dialogs mit dem Baye­rischen Staats­minis­terium. Wir planen für Deutel­bach tatsäch­lich den eigen­wirt­schaft­lichen Bau eines neuen Mast­stand­ortes. Die Planungen dafür haben begonnen. Ein passendes Grund­stück ist bereits ermit­telt und sogar vertrag­lich gesi­chert worden. Wenn dieser Neubau­standort in Betrieb genommen ist, haben wir das Tal versorgt. Auch für weitere unter­ver­sorgte Gebiete in Bayern werden gerade Lösungen erar­beitet. Denn jedes Funk­loch in besie­delten Gebieten ist genau ein Funk­loch zuviel."

Nun darf man gespannt sein, wie lange es dauert, bis der Voda­fone/Vantage­towers-Mast gebaut, die Technik inkl. Signal­zufüh­rung instal­liert und auf Sendung gehen wird.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Politik hat das Ziel ausge­rufen, überall wo Menschen leben und arbeiten "Netz" zur Verfü­gung zu stellen. Das ist im Einzel­fall viel­leicht etwas teurer, aber in der Summe verschmerzbar. Es ist wichtig, weil es den Menschen "auf dem Land" neue Chancen gibt, dazu­zuge­hören und am öffent­lichen Leben teil­zunehmen.

Dass Voda­fone auf eigene Kosten ("eigen­wirt­schaft­lich") hier abseits aller Tram­pel­pfade eine Station bauen will, ist ein erfreu­liches Signal. Es ist zu hoffen, dass die Ankün­digung binnen kürzester Zeit auch wirk­lich in die Tat umge­setzt wird und sich nicht aufgrund tech­nischer Unwäg­bar­keiten (z.B. fehlende Signal­zufüh­rung, Strom­ver­sor­gung) verzö­gert. Und es darf kein Einzel­fall bleiben, sondern sollte ein Start­schuss für den bundes­weiten Voll­ausbau sein. Gerade Voda­fone hat in der öffent­lichen Wahr­neh­mung gewal­tigen Nach­hol­bedarf, wie wir jeden Freitag fest­stellen müssen.

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