Beschleunigt

Editorial: Alles gut beim Vectoring?

Seltene Einigkeit zwischen Telekom, VATM, BREKO und BUGLAS
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So etwas hatten wir bisher selten, vielleicht sogar noch nie: Die Bundesnetzagentur legt eine Entscheidung vor, und alle, wirklich alle, sowohl die Deutsche Telekom, als auch die wichtigsten Branchenverbände VATM, BREKO und BUGLAS, finden positive Worte dafür: So spricht die Deutsche Telekom von einem "Meilenstein", der BREKO von einem "großen Schritt in die richtige Richtung". Macht die von so unterschiedlichen Seiten gelobte VDSL-Vectoring-Entscheidung also den Weg frei für noch mehr Geschwindigkeit im herkömmlichen Telefonnetz? Oder sind wir schon beim Oligopol angekommen, wo alle die seltene Einmütigkeit zeigen, weil sie sich untereinander gar keine Konkurrenz mehr machen, sondern stattdessen gemeinsam bestmöglich die Verbraucher schröpfen?

Klar wäre das Optimum, wenn wir nicht über Optimierungen am bestehenden Telefonnetz via Vectoring diskutieren müssten, sondern wenn flächendeckend breitbandige und zukunftssichere Glasfasernetze bis in die Wohnungen (FTTH) verlegt werden würden. Doch sind die zugehörigen Investitionen gewaltig, und die Bereitschaft der Bevölkerung, diese solidarisch über die Kosten für den Telefonanschluss zu tragen, gering: Vielen reicht der vorhandene Anschluss mit einigen Megabit pro Sekunde aus, und sie wollen nicht mehr Geld für mehr Megabit ausgeben. Damit verteilen sich die hohen Glasfaser-Ausbaukosten in den kommenden Jahren auf vergleichsweise wenige Köpfe, und das macht die Maßnahme unwirtschaftlich.

VDSL optimal

Editorial: Alles gut beim Vectoring? Editorial: Alles gut beim Vectoring?
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Vectoring optimiert den Festnetz-Turbo VDSL weiter, indem nicht nur wie beim herkömmlichen DSL das Verhalten des Kabelpaares zwischen Vermittlungsstelle und Kundenmodem analysiert wird, sondern auch das Verhalten zwischen allen mit VDSL beschalteten Kabelpaaren im selben Kabelbündel. Denn je höher die Bitraten und folglich auch die verwendeten Frequenzen, desto höher wird das so genannte Übersprechen: Ein Signal, das zum Beispiel anfangs auf Kabelpaar 23 eingespeist wurde, findet sich am anderen Ende des Kabels auch teilweise auf (zum Beispiel) Paaren 7, 17 und 24 wieder. In der Folge wird nicht nur auf Paar 23 gesendet, wenn der Nutzer an Anschluss 23 erreicht werden soll, sondern zugleich ein Kompensationssignal auf Paaren 7, 17 und 24, damit bei denen trotzdem nichts ankommt. Und da die Kabel 7, 17 und 24 ebenfalls auf ihre Nachbarn übersprechen, sind entsprechend auch deren Nachbarn mit Kompensationssignalen zu bestücken, usw. usf. Am Ende wird auf allen mit VDSL-Vectoring beschalteten Kabeln gleichzeitig gesendet, auch, wenn nur ein Kunde erreicht werden soll.

Die komplexe Berechnung der Kompensationssignale führen spezialisierte Signalprozessoren in den Vermittlungsstellen aus. Sie können ihre Aufgabe aber nur erledigen, wenn alle VDSL-Anschlüsse in einem Kabelbündel von einem DSLAM und folglich auch von einem Anbieter versorgt werden. Herkömmliches ADSL und SDSL mit niedrigen Bitraten kann mit VDSL-Vectoring parallel betrieben werden; hierfür können also auch künftig mehrere Anbieter an einer Vermittlungsstelle oder Kabelverzweiger konkurrieren. Aber für das schnellere VDSL-Vectoring braucht man eine klare Zuordnung: Ein Kabelverzweiger (oder alle "kurzen" Kabel an einer Vermittlungsstelle) - ein Anbieter.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Für die Zuordnung der Vermittlungsstellen zu Anbietern hat die Bundesnetzagentur nun im Wesentlichen das "Windhundverfahren" beschlossen: Wer sich zuerst verpflichtet, binnen eines Jahres (vom Verpflichtungszeitpunkt an gerechnet) eine Vermittlungsstelle mit VDSL-Vectoring zu erschließen und diese Verpflichtung in ein öffentlich einsehbares Register einträgt, der bekommt diese exklusiv. Voraussetzung ist, dass kein anderer Anbieter bereits VDSL an diesem Knoten betreibt. Im Gegenzug für die Exklusivität sind die Anbieter jeweils verpflichtet, ihrer Konkurrenz das bestmögliche Vorleistungsprodukt für alternative Breitbandanschlüsse (den so genannten "Layer-2-Bitstromzugang") anzubieten. Auch wenn ein Kabelverzweiger von Vodafone erschlossen wurde, kann man darauf einen Telekom-IP-TV-Anschluss aufschalten, und umgekehrt. Nur, dass eben nicht die Kabel physisch umgelegt werden, sondern die Datenströme schnellstmöglichst ins andere Netz geleitet werden.

Zwar hat die Bundesnetzagentur keine konkrete Sanktion für den Fall vorgesehen, dass ein Anbieter massiv hinter die eigenen Ausbaupläne zurückfällt und so die Konkurrenz blockiert. Durch das Register der Ausbaupläne ist aber sichergestellt, dass sie in diesem Fall reagieren kann, und diese Reaktion kann auch durch die Gerichte auf Angemessenheit überprüft werden. Insofern ist der aktuelle Entscheidungsentwurf, der jetzt noch von der EU freigegeben werden muss, ein großer Fortschritt im Vergleich zum letzten Entwurf, wo dieses Register fehlte.

Lesen Sie auf Seite 2, in welchem Bereich die Vectoring-Entscheidung in den kommenden Jahren mit einiger Wahrscheinlichkeit noch nachgebessert werden muss.

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