Themenspezial: Verbraucher & Service Vier Dekaden

Jubiläum: Der Videotext wird 40 Jahre alt

Der Tele­text hat lange vor Twitter die Welt auf kleinstem Raum erklärt. Optisch wirkt die pixe­lige Schrift etwas in die Jahre gekommen. Doch gerade in Krisen­zeiten bewährt sich das Medium.
Von dpa /

Die Geburtstagstorte zum 40. Videotext-Jubiläum Die Geburtstagstorte zum 40. Videotext-Jubiläum
Screenshot: teltarif.de, Quelle: ard-text.de
"Klinik: Schmerz­hafte Erfah­rungen.326". "Klie­mann: Kein Bock aufs Touren...161". "Unklare Zukunft für Mitar­beiter 162". Über­schriften im Video­text sind prägnant, oft über­ra­schend poetisch. Wer TV-Sender durch­zappt, ist nur einen Knopf­druck entfernt von einer Welt, in der zumeist weiß auf schwarz geschrieben wird.

Jahr­zehnte bevor Twitter ansetzte, das Leben in 280 Zeichen zu erklären, war man hier schon Meister im Verknappen. "Hier sind die Singles..444" verspricht etwa der ProSieben-Text. Kann man das noch kürzer sagen?

Start war der 1. Juni 1980

Die Geburtstagstorte zum 40. Videotext-Jubiläum Die Geburtstagstorte zum 40. Videotext-Jubiläum
Screenshot: teltarif.de, Quelle: ard-text.de
Heute wird der Video­text in Deutsch­land 40 Jahre alt - am 1. Juni 1980 hat die ARD mit dem neuen Nach­rich­ten­an­gebot begonnen. Heute haben fast alle größeren Sender Video­text­seiten. Wetter, Fußball­ergeb­nisse, neueste Nach­richten und Unter­titel: 16 Millionen lesen heute allein die ARD-Video­text­seiten regel­mäßig.

Betrachtet man die durch­schnitt­liche tägliche Nutzung [Link entfernt] , sind die Zahlen kleiner. Die Statistik weist für 2018 über alle Sender hinweg im Schnitt 7,22 Millionen Nutzer aus. Das Erste führt mit 2,91 Millionen, die Dritten errei­chen 2,78 Millionen, das ZDF 2,70 Millionen, RTL 1,41 Millionen. Seit ein paar Jahren gehen die Werte langsam, aber stetig zurück.

Im aktu­ellen Pandemie-Jahr dürfte die Zahl vermut­lich wachsen. Frauke Lang­guth ist die Leiterin von ARD Text in Potsdam. Ihre Einschät­zung, was die wich­tigste Video­text-Schlag­zeile dieses Jahres war: "Für unsere Zuschaue­rinnen und Zuschauer war der wich­tigste Nach­rich­tentag bisher der 22. März, als der Lock­down beschlossen wurde."

Sie betont zugleich: "ARD Text war schon immer beson­ders stark in Krisen­zeiten." Ihr Kollege Jochen Kotel­mann, der 1982 als Grafiker beim Video­text anfing und als Dienst­leiter Nach­richten kürz­lich in den Ruhe­stand ging, sieht es genauso: "Video­text war immer stark als Krisen­me­dium."

Früher Schnel­lig­keit, heute Verläss­lich­keit

In Kotel­manns Zeit fielen viele News zu Kriegen, Terror, Atten­taten - "Ereig­nisse, bei denen der Video­text mit 24-Stunden-Bericht­erstat­tung wichtig war und sehr viele Zuschauer fand." Vor dem Aufkommen des Inter­nets war sein Tempo ein Allein­stel­lungs­merkmal. "Da wir alle Nach­richten, die rein­kommen, sofort verar­beiten, hatten wir vor allem früher einen erheb­li­chen Vorsprung vor anderen Nach­rich­ten­sen­dungen."

Heute, wo Online­me­dien in rasender Geschwin­dig­keit berichten, sieht Lang­guth einen anderen Vorzug im Vorder­grund: "Früher war Schnel­lig­keit Trumpf, heute ist es Verläss­lich­keit und Sicher­heit. Nur weil etwas schnell in die Welt geblasen wird, muss es noch nicht richtig sein." Video­text stehe für Unauf­ge­regt­heit und Sach­lich­keit.

Natür­lich sind Video­text-Seiten heute auch über das World Wide Web abzu­rufen. Vorbei die analogen Zeiten, als die Technik die soge­nannte "Austast-Lücke" nutzte: den Augen­blick der Über­tra­gung, in dem der Elek­tro­nen­strahl einer Bild­röhre dunkel wird und an den Ausgangs­punkt zurück­springt. So hatten sich das briti­sche Tech­niker in den 70ern ausge­dacht. In Groß­bri­tan­nien gibt es übri­gens keinen Video­text mehr.

Viele mögen den Vintage-Charme

Zur Feier des 40. deut­schen Jubi­läums servieren auf Seite 890 des ARD-Textes Grafiker eine Geburts­tags­torte in Regen­bo­gen­farben. Ihre eckige Anmu­tung erin­nert an Rubiks Zauber­würfel oder an frühe Firmen­logos des Compu­ter­her­stel­lers Apple. Es ist dieser redu­zierte Vintage-Charme, diese Klar­heit, woran viele Menschen Gefallen finden.

Die Spanierin Raquel Meyers etwa setzt sich seit Jahren künst­le­risch mit Video­text ausein­ander. Manche ihrer Video-Arbeiten erin­nern an Manga-Comics, andere sind abstrakt: "In diesen digi­talen Zeiten ist Tech­no­logie veraltet, bevor wir über­haupt lernen, wie man sie benutzt."

Tele­text sei anders: "Video­text ist eine Heraus­for­de­rung, eine Nach­richt aus einer unbe­kannten Sprache, die noch etwas zu sagen hat. Es zeigt, was es ist - und das völlig schmucklos." Der ARD Text orga­ni­siert mit Künst­lern wie ihr jedes Jahr ein virtu­elles Festival.

Haupt­zweck des Ange­bots ist frei­lich bis heute Infor­ma­tion. "An den Vorteilen des Video­textes hat sich nichts geän­dert", erläu­tert Kotel­mann.

"Er liefert rund um die Uhr den schnellen, kompakten und immer aktu­ellen Über­blick über die Nach­rich­ten­lage. Und er ist thema­tisch sehr breit aufge­stellt. Um unsere Infor­ma­tionen im Netz zu finden, müssen Sie fünf Websites besu­chen."

Bei so vielen Infos kann auch mal eine Panne passieren. Woran sich Kotel­mann spontan erin­nert: "Der Quiz­master Robert Lembke hat uns eines Tages ganz erbost ange­rufen. Er hatte als Fußballfan unsere Bundes­li­ga­seiten genutzt und sich entspre­chend unserer Spiel­an­set­zungen einen Flug gebucht. Leider war das Datum auf unserer Seite falsch."

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