Schneller

Bayern: Ausbau fördern, obwohl wir es nicht müssten

Mit geneh­migungs­freien Stan­dard­höhen für Mobil­funk­masten, einer öffent­lich recht­lichen Clea­ring-Stelle und viel frei­staat­lichem Geld soll ganz Bayern schneller Glas­faser und Mobil­funk bekommen.
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Bayern legt Wert darauf, dass der ländliche Raum ausgebaut wird. Bayern legt Wert darauf, dass der ländliche Raum ausgebaut wird.
Foto: Picture Alliance/dpa
Der Frei­staat Bayern versucht, die notwen­dige Digi­tali­sie­rung des Landes irgendwie schneller als im Rest des Landes hinzu­bekommen. Man werde "die Digi­tali­sie­rung hart­näckig voran­treiben", kündigte die Staats­minis­terin für Digi­tales, Judith Gerlach in einer Pres­sekon­ferenz an. Es sei viel erreicht und Weichen gestellt worden, der Wandel habe Fahrt aufge­nommen.

Pakt für digi­tale Infra­struktur

Bayern legt Wert darauf, dass der ländliche Raum ausgebaut wird. Bayern legt Wert darauf, dass der ländliche Raum ausgebaut wird.
Foto: Picture Alliance/dpa
Im Rahmen eines Paktes für digi­tale Infra­struktur, was die Menschen bewegt, sollen Mobil­funk und Breit­band beschleu­nigt werden. Dabei sollen der Frei­staat (also das Bundes­land) mit Kommunen und TK-Netz­betrei­bern zusam­men­arbeiten. Die Idee ist eine "öffent­lich recht­liche Anstalt", die sich um die Digi­tali­sie­rung kümmert und auch beob­achtet und kontrol­liert, ob was passiert.

Der Ausbau müsse schneller werden. Der Bau von Sende­masten für Mobil­funk solle erleich­tert werden, "es dauert viel zu lange oder wird verhin­dert". Bis zum Sommer möchte der Frei­staat mit Kommunen und TK-Betrei­bern klare Entschlüsse fassen und umsetzen.

Mobil­funk­masten geneh­migungs­frei

So stellt sich Judith Gerlach vor, dass Mobil­funk­masten künftig geneh­migungs­frei bis zu einer Höhe von 15 Metern inner­orts oder 20 Meter außer­orts gebaut werden können. Mobile Mobil­funk­masten (soge­nannte MRTs) sollen bis zu 24 Monate ohne Bauge­neh­migung aufge­stellt und betrieben werden können.

Wie bei der Wohn­bebauung soll mit einer "Geneh­migungs­fik­tion" gear­beitet werden (in etwa: "Bau jetzt, geneh­mige später") und die Abstands­flä­chen für Mobil­funk­sender sollen verkürzt werden. Frau Gerlach denkt neben 4G (LTE) und 5G bereits an das um 2030 kommenden 6G, weswegen die Antennen näher an die Nutzer rücken müssen. Aber auch beim Mobil­funk außer­halb von Ortschaften solle sich was tun. Mit den kommu­nalen Spit­zen­ver­bänden sei man bereits im Gespräch.

Bei Glas­faser vorne?

Beim Ausbau der Glas­faser nimmt Bayern für sich in Anspruch, der "Spit­zen­reiter" zu sein. Moder­nere Verle­geme­thoden ("Tren­ching" und "minder­tief") sollen den Ausbau beschleu­nigen. Die Bauan­träge können bereits digital gestellt werden, aller­dings sind noch nicht alle Gemeinden an das System ange­schlossen. Der "digi­tale Bauan­trag" soll nach und nach in allen Behörden "ausge­rollt werden".

Anstalt öffent­lichen Rechts zur Koor­dina­tion

von links Hubert Aiwanger (Wirtschaft), Judith Gerlach (Digital) und Albert Füracker (Finanzen). Sie haben in Bayern viel vor. von links Hubert Aiwanger (Wirtschaft), Judith Gerlach (Digital) und Albert Füracker (Finanzen). Sie haben in Bayern viel vor.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Bei der Verwirk­lichung der digi­talen Verwal­tung seien Bund, Land und Kommunen - jeder für sich - gefor­dert. Eine Anstalt öffent­lichen Rechts soll darüber wachen, dass das "EFA" ("Einer für alle")-Prinzip verwirk­licht werden kann. EFA erlaubt es Verwal­tungs­dienst­leis­tungen in ganz Deutsch­land anzu­bieten und auszu­tau­schen, als Dreh­scheibe solle diese Anstalt dienen.

Bund eigent­lich für den Ausbau zuständig

Finanz- und Heimat­minister Albert Füra­cker erin­nerte daran, dass für den geför­derten Glas­faser-Ausbau nach dem Grund­gesetz der Bund und die Tele­kom­muni­kati­ons­wirt­schaft zuständig sei. Er sei ja nicht gegen die private Wirt­schaft, "die machen viel, aber nur dort, wo es sich lohnt". Deswegen sei der Frei­staat Bayern als "Helfer in der Not" einge­sprungen, um Glas­faser in alle Dörfer und alle Häuser zu bringen.

Der Bund und die Kommunen hätten 1,7 Milli­arden Förder­mittel beigesteuert, mit der Hilfe des Frei­staates seien das dann insge­samt 2,6 Milli­arden, "obwohl wir gar nicht zuständig sind. Aber es tut sonst keiner." In Bayern, so der Minister seien 61.000 km neue Glas­faser verlegt worden.

98 Prozent mit 30 MBit/s

Füra­cker teilte mit, dass 98 Prozent aller bayri­scher Haus­halte "schnelles Internet" mit mehr als 30 MBit/s bekämen, 91 Prozent aller Haus­halte hätten sogar 100 MBit/s zur Verfü­gung und in 64 Prozent aller Haus­halte seien Gigabit Band­breiten möglich.

Im länd­lichen habe es 2013 nur 27 Prozent schnelles Internet (bis 30 MBit/s) gegeben, jetzt seien es bereits 94 Prozent. "Nirgendwo ist der länd­liche Raum so gut versorgt wie in Bayern".

Im Juni 2018 wurde die Förde­rung der Glas­faser bis an die Schulen in Bayern gestartet, inzwi­schen sind 58 Prozent der Schulen an Glas­faser ange­schlossen, weitere 32 Prozent im Bau und 9 Prozent hätten das Förder­ver­fahren gestartet, macht in Summe: 99 Prozent aller Schulen werden Glas­faser haben können. Bereits heute könnten viele Schulen Gigabit buchen, "aber nicht alle tun das", die Schulen glaubten wohl, dass nied­rigere Raten reichen würden, wundert sich der Minister. Dass Schnel­lig­keit auch höhere regel­mäßige Grund­gebühren bedingt, erwähnte der Minister hingegen nicht.

Bayern durfte zuerst 30 MBit/s fördern

Dafür erin­nerte er daran, dass es gelungen sei, die Landes- und Bundes­pro­gramme zu kombi­nieren (Bund 50 Prozent, das Land Bayern legt 40 Prozent drauf, macht eine Förde­rung von 90 Prozent). Bayern habe als erstes Bundes­land ab 2020 auch Regionen fördern dürfen, wo es 30 MBit/s schon gab, das gelte als Vorbild für den Bund.

Aber der Minister wartet seit Jahren auf die privaten Inves­titionen im länd­lichen Raum und "da tut das keiner". Die Tele­kom­muni­kations-Wirt­schaft konzen­triere sich auf größere Städte und Orte, weil alles andere sich nicht rechnet. Der Bund hätte die Förder­mittel gerne gestreckt, dahin­gegen habe man sich dagegen verwehren müssen. Es solle Gigabit für alle bis 2025 geben. Die "büro­kra­tische Prozesse wurden weit zurück­gedrängt."

Moderne (schnelle) Ausbau­methoden

"Die Ausbau­methoden bestimmen die Kommunen, wenn jemand tren­chen will, kann er das tun. Die Stra­ßen­bau­last­träger sollten mehr Offen­heit zeigen." Füra­cker wäre froh, wenn es ein Recht auf schnelles Internet gäbe, 10 MBit/s sind viel zu wenig, das sei ambi­tionslos und eine Alibi-Rege­lung. Die EU defi­niere seit 10 Jahren schon die 30 MBit/s.

36.000 WLAN-Hotspots

In Bayern waren bis Ende 2020 insge­samt 20.000 WLAN-Hotspots geplant, sie wurden bereits im Juni 2019 erreicht. Aktuell liefen über 36.000 Hotspots, davon über 2000 im öffent­lichen Perso­nen­nah­ver­kehr.

Kritik von Mobil­funk­geg­nern

Mobilfunk ist oft nur eine Frage der Optik. Hier wird eine Antenne verkleidet. Mobilfunk ist oft nur eine Frage der Optik. Hier wird eine Antenne verkleidet.
Foto: Picture Alliance/dpa
Die Diagnose-Funk, die sich als "Umwelt- und Verbrau­cher­orga­nisa­tion zum Schutz vor elek­tro­magne­tischer Strah­lung" versteht, meldete sofort Kritik an: Sie empfehle der Minis­terin, sich mit der wissen­schaft­lichen Studi­enlage zu Mobil­funk­strah­lung und Gesund­heit ausein­ander­setzen, bevor sie weniger Abstand zu den Masten fordere. Die Kommunen dürften den Eingriff in ihre Auto­nomie nicht hinnehmen.

Es reiche, wenn die Versor­gung mit Mobil­funk auf Straßen und Außen­bereiche begrenzt werde, wo die moderne Gesell­schaft mobiles Internet haben möchte. Wohnungen, Büros, Schulen, Kinder­gärten, Alten­heime, Kran­ken­häuser usw. müssten hingegen strah­lungs­frei bleiben, um die Menschen "vor den gesund­heit­lichen Auswir­kungen zu schützen". Als Alter­native schlägt die Initia­tive Kabel­anschlüsse, Daten­über­tra­gung per Infrarot oder "wenigs­tens extrem gering strah­lende und abschalt­bare WLAN-Router" vor.

Wie mächtig ist die Digi­tal­minis­terin?

Die SPD-Frak­tion im Bayri­schen Landtag findet die Ankün­digungen eigent­lich richtig, wenn sie denn in die Wirk­lich­keit umge­setzt würden. Dazu müsste Digi­tal­minis­terin Gerlach ein Veto- und Infor­mati­ons­recht bei allen Projekten haben, welche die Digi­tali­sie­rung betreffen. Das aber - so sieht es aus - gefällt den über­wie­gend von Männern geführten Minis­terien irgendwie nicht.

Was Finanz­minister Füra­cker aller­dings richtig erkannt hat ist, dass alleine mit "Eigen­wirt­schaft­lichem Ausbau" in der Fläche einfach kein Blumen­topf zu gewinnen ist.

Die gesamte Pres­sekon­ferenz im Video:

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