IFA: Erleidet die Fachmesse das Schicksal der CeBIT?
Ich will einmal mit dem Positiven beginnen: nach zwei Jahren Pandemie-bedingter Pause endlich mit der IFA wieder eine große Fachmesse mit Besuchern. Endlich wieder Plausch mit Kollegen, Fachbesuchern, Ausstellern. Endlich mal wieder ein Event ohne nervende Zoom-Konferenzen mit technischen Problemen, brennenden Augen und Ermüdung nach stundenlangem Glotzen auf den Bildschirm. Endlich auch mal wieder für den Journalisten wichtige Hintergrundinfos, teils "off the record".
Der Sommergarten unterm Funkturm auf der IFA
Foto: teltarif.de
Auch viele Besucher waren hungrig nach dem Comeback. Die Messe war top-besucht (an den fünf Messetagen kamen über 161.000 Menschen), die Hallen sehr gut gefüllt, viele hatten ihren Spaß, auch die Gastronomie hatte viel zu tun, trotz Messe-üblich unverschämter Preise (Beispiel: 17 Euro für einen kleinen Flammkuchen).
Für den einen wunderbar, den anderen nicht: Die Pandemie spielte auf der IFA keine Rolle mehr, Corona-Schutzmaßnahmen gab es keine, abgesehen vielleicht von den Desinfektions-Spendern am Eingang, die man auch gerne weiter beibehalten kann. Masken sah man an den Messeständen praktisch keine, obwohl es oft Gedränge in den Messehallen gab.
Trotz noch geltender Pandemie-Beschränkungen, von denen Teile Asiens weiterhin betroffen sind, belegten die Aussteller mehr als 80 Prozent der Ausstellungsfläche auf dem Gelände der Messe Berlin. Die Aussteller nutzten die Gelegenheit, endlich wieder mit Händlern, Medien und den Endkonsumenten in Kontakt zu treten.
Die IFA hat an Bedeutung verloren
Doch blicke ich in die 1990-er-Jahre zurück, als es die IFA zwar nur alle zwei Jahre gab, dafür aber zehn Tage am Stück, so hat sich vieles verändert: In den Messehallen unterm Funkturm gab es nicht nur neue Produkte und Entwicklungen aus den Bereichen der Unterhaltungs- und später Gebrauchselektronik. Die IFA war auch ein zentrales Event für die gesamte Medienbranche. Täglich traten Stars in den Messehallen oder im Sommergarten auf, zahlreiche TV- und Radiosender hatten ein Studio oder eine Bühne und sendeten live. Besucher hatten die Möglichkeit ihre Lieblinge aus Funk und Fernsehen einmal hautnah zu erleben.
Zusätzlich war die IFA immer Anlass für spektakuläre und revolutionäre Neustarts und Innovationen: Auf der IFA fiel der Startschuss für das Farbfernsehen, später startete Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling offiziell den digitalen Rundfunk mit dem Digitalen Satelliten-Radio (DSR), die europäische HDTV-Norm ging zeitgleich an den Start.
Kaum Medienpräsenz
Davon ist im Jahr 2022 nur noch wenig zu spüren: In Halle 2.2 hatte die ARD eine große Halle mit extrem wenig genutzter Ausstellungsfläche, es war hier fast gespenstisch ruhig. Hier gab es auch die Präsenz des Nachrichtensenders n-tv, der immerhin einen Messe-Livestream anbot. Auch der neue Privatsender BILD live hatte ein Fernsehstudio auf der Messe am Start.
ARD-Messehalle auf der IFA
Fotop: teltarif.de
Der durch Skandale geplagte Rundfunk Berlin-Brandenburg sendete Teile seiner Welle rbb 88.8 live von der Messe, zudem gab es hier einen Stand von Deutschlandradio und dem Verein Digitalradio Deutschland. Privatsender wie RTL oder Sat.1, aber auch das ZDF hatten sich schon vor längerer Zeit von der IFA zurückgezogen.
In den großen TV-Sendern spielte die IFA nur noch eine untergeordnete Rolle. Gab es früher noch tägliche und stundenlange Live-Übertragungen aus Berlin, so konnte man in diesem Jahr froh sein, überhaupt etwas von der Messe im TV zu erleben.
"IFA-Neuheiten" ausschließlich online
Auch wer "nur" als Besucher auf der Messe war, um sich über Neuheiten aus der Elektronikwelt zu informieren, wurde nicht vollends zufriedengestellt: Einige große Unternehmen verzichteten auf einen Messestand. Die Deutsche Telekom, die früher eine ganze Messehalle angemietet hatte, war ebenso wenig vertreten wie Sony. Einige Hersteller wie Philips präsentierten ihre "IFA-Neuheiten" gar nur online. Andere hatten ausschließlich B2B-Bereiche, in denen auch wir Medienvertreter ohne spezielle Beziehungen keinen Zutritt hatten.
Was mir zudem auffiel ist, dass es im Vergleich zu früher wenig echte Neuheiten auf der Messe gab, abgesehen von dem Bereich "IFA Next", auf dem künftige Technologien und allerlei "Spinnereien" präsentiert wurden und einiges bestimmt wieder für immer in den Schubladen landen dürfte.
Viele Aussteller präsentierten ausschließlich ihr bekanntes Produktportfolio mit Geräten, die es zum Teil schon mehrere Monate oder gar Jahre im Handel gibt. Immer mehr Hersteller nutzen das Vorfeld der IFA, um Neuheiten in Online-Präsentationen oder in Hausmessen einem Fachpublikum zu präsentieren.
"Don't touch that device, don't take pictures"
An vielen Messeständen auch bekannter Aussteller wurde ausschließlich Englisch gesprochen. Es gab an vielen Ständen keinen deutschsprachigen Produkt-Manager, der dem Besucher der Messe neue Produkte erklärte. Während das für mich kein Problem darstellte, war manch anderer enttäuscht. Immerhin ist die IFA ja eine Publikumsmesse und nicht jeder spricht perfekt Englisch. Die Messe-Veranstalter verzichteten auch auf die sonst übliche deutschsprachige Messe-Zeitung mit tagesaktuellen Neuigkeiten, auch diese gab es nur noch in Englisch.
Die Behandlung von uns Medienvertretern an den Messeständen war zudem unterschiedlich: Einige Hersteller gaben erfreulicherweise uns die Möglichkeit, Geräte auszuprobieren und auch in die Hand zu nehmen, andere intervenierten: Teils durfte ich die Geräte nicht einmal fotografieren, dafür drückte man mir QR-Codes mit Links zu JPEGs und Pressemitteilungen in die Hand, der eine oder andere versprach uns auch ein Testgerät, sodass wir im Nachgang der IFA doch noch einige Neuheiten einem Hands-on unterziehen können.
Die IFA in Zukunft? Eher Beiwerk als Tourist
Hinzu kam, dass es zentrale Events wie den "Digitalradio-Tag" in diesem Jahr nicht gab. Durchaus habe ich mir also die Frage gestellt, ob ich auch weiter die IFA besuche und bin zum Schluss gekommen, dass es sich als mehrtägiger Arbeitsaufenthalt eher nicht mehr lohnt, sollten nicht zentrale Events von früher wieder in Präsenz zurückkehren. Insgesamt empfinde ich die IFA inzwischen nur noch als ein Schatten ihrer selbst. Der eine oder andere ebenfalls enttäuschte Fachbesucher meinte sogar, der IFA könnte das gleiche Schicksal drohen wie der CeBIT, die 2018 letztmalig ihre Pforten öffnete.
Solange es die IFA gibt, werde ich aber trotzdem weiter zumindest einen Tag auf der Messe verbringen, weil ich gänzlich auf Austausch mit Kollegen oder Ausstellern nicht verzichten möchte, zudem ist es immer noch schöner, Produkte live zu erleben und nicht ausschließlich online. Genau das spricht auch für einen Fortbestand großer Messen. Und sei es künftig in Verbindung mit einem touristischen Aufenthalt. Denn die Hauptstadt ist schließlich immer eine Reise wert.
Auch wenn es keinen Digitalradio-Tag auf der IFA gab, wurden dennoch im Nachgang der Messe neue Zahlen zur Radionutzung in Deutschland präsentiert.