MOCN: Telefónica, Telekom & Vodafone stopfen Funklöcher
Es ist eines der Kuriositäten im Mobilfunkmarkt: Anbieter A versorgt diesen Ort, aber den nächsten Ort nicht. Anbieter B versorgt einen anderen Ort, den Anbieter A noch nicht ausgebaut hat. Man könnte mit einer ausländischen Karte arbeiten, deren Netzbetreiber sowohl mit dem einheimischen Anbieter A als auch Anbieter B Roaming-Abkommen haben, doch es gibt im GSM/3GPP-Standard keinen automatischen Handover im Roaming-Fall zwischen konkurrierenden Netzen .
Dann gab es den Vorschlag, das nationale Roaming, das o2-Kunden noch vom "D1-Roaming" her kennen, wieder zu ermöglichen. Aber auch das ist nicht so einfach, die Umschaltpunkte ("Handover") müssen aufwendig definiert und erprobt werden.
Die Lösung: MOCN
Bei MOCN kann ein Sendemast mehrere Netzkennungen ausstrahlen. Damit lassen sich elegant "graue Flecken" im Netz schließen.
Foto: Telefónica o2
Die gefundene Lösung ist aber viel einfacher und pfiffiger: Sie heißt MOCN, was für Multi Operator Core Network steht. Und das geht so: Ein Sender strahlt eine Kennung aus ("Ich bin 262-07 = Telefónica o2) ein anderer strahlt seine Kennung aus (z.B. "Ich bin 262-01 = Telekom") und die Handys wissen Bescheid. Wie wäre es nun, wenn ein Sender mehrere Kennungen zugleich ausstrahlen würde?
Dieses MOCN Verfahren wurde nach langen Verhandlungen und Prüfungen von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt abgesegnet, weil sie einsehen mussten, dass eine bessere Flächenversorgung wesentlich wichtiger sein kann, als das hohe Lied des Wettbewerbs.
Nach Telekom und Vodafone jetzt auch o2 mit dabei
Schon vor einigen Monaten haben Vodafone und Telekom erste MOCN-Stationen aktiviert, mit denen Telekom-Kunden regional von Vodafone oder Vodafone-Kunden regional von der Telekom versorgt werden. Heute meldete sich der Netzbetreiber Telefónica (o2) und gab bekannt, dass o2 für Kunden der Deutschen Telekom 200 eigene Standorte freigeschaltet hat. Im Gegenzug hat o2 Zugriff auf genauso viele Standorte der Telekom bekommen. Bis zum Jahresende soll diese Zahl auf jeweils "bis zu" 700 Stationen ansteigen.
Graue Flecken beseitigen
Bei diesen "Funklöchern" handelt es sich um sogenannte "graue Flecken". Man spricht von grauen Flecken, wenn nicht alle aktiven Netze empfangbar sind, sondern nur eines oder vielleicht zwei. Wer einen Vertrag beim "falschen" Anbieter hat, geriet bisher in ein Funkloch.
Ein Fünftel der Fläche ist grau
Die Bundesnetzagentur teilte im Juli bereits mit, dass sich solche grauen Flecken auf einem Fünftel der Fläche Deutschlands befinden. Die meisten - wen wundert es - befinden sich irgendwo auf dem Land. Ursprünglich hatten schon ab 2020 die Deutsche Telekom und Vodafone eine Zusammenarbeit beim MOCN ausgehandelt. Das löste beim Bundeskartellamt große Bedenken aus, also wurde der dritte Netzbetreiber, die Telefónica (o2) noch mit ins Boot genommen. Dafür gab es dann grünes Licht aus Bonn.
Der vierte Netzbetreiber (1&1) ist noch nicht gestartet, kann sich also derzeit noch nicht beteiligen. Auch dürfte das Open-RAN-Konzept nicht so einfach in das Netzkonzept zu integrieren sein. In der Startphase sollten 1&1-Kunden vom o2-Roaming profitieren, das allerdings zeitlich befristet ist.
Telekom und Vodafone jeweils 1300 Stationen, 200 weitere folgen
Telekom und Vodafone haben bereits an insgesamt 2600 Standorten ihre Netze zusammenschaltet. Damit haben Telekom und Vodafone jeweils 1300 Funklöcher weniger und weitere 200 (pro Anbieter) sind in Kürze ebenfalls aktiv.
Auch zwischen Vodafone (D2) und Telefónica (o2) sind inzwischen die ersten Standorte freigegeben worden. Im Rahmen der Dreierkooperation soll am Ende jeder Netzbetreiber 2000 seiner eigenen Standorte für die anderen freigeben, was in Summe dann 6000 Funklöcher beseitigen kann.
MOCN ist keine vollwertige Alternative zum Netzausbau
Im Gespräch mit Telekom-Technik-Chef Walter Goldenits macht dieser aber klar, dass MOCN nur eine Basis-Versorgung bieten kann, damit die Funkverbindung nicht abreißt. Verwendet wird in der Regel eine Frequenz auf 800 MHz (Band 20). Sobald an bestimmten Orten die Kapazität nicht mehr ausreichen sollte, müssten einzelne Netzbetreiber wieder selbst weiter und intensiver ausbauen. Ideen eines "gemeinsamen deutschen Einheitsnetzes" erteilte Goldenits gegenüber teltarif.de eine klare Absage.
Für Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas ist die Kooperation ein Geschenk des Himmels, da sein Netz gefühlt oder real am meisten Nachholbedarf hat. Haas formuliert das so: "Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft brauchen schnelle Fortschritte in der Mobilfunkversorgung. Die kooperative Mitnutzung von Standorten der drei bundesweit aktiven Netzbetreiber ist ein wichtiger Schritt."
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Es ist schwer zu vermitteln, warum drei oder künftig vier Netzbetreiber jede Waldwiese oder jeden Bergbauernhof mit eigenen Sendern versorgen müssen. Von daher ist MOCN eine gute Lösung, um eine Basisversorgung hinzubekommen. Wer sich auskennt, hat mehrere SIM-Karten von verschiedenen Anbietern und kann dann schnell erkennen, welcher Anbieter für die eigenen Ansprüche in Frage kommt.
In "einsamen" Lagen, in denen Mobilfunkversorgung noch knifflig ist, kann MOCN eine absolute Wohltat sein. Jetzt kann man auch in engen Tälern oder einsamen Dörfern wieder telefonieren, ohne jedes Mal das SIM-Karten Roulette anwerfen zu müssen. Unterm Strich dürften Kunden von Telefónica (o2) oder Vodafone am ehesten davon profitieren, aber auch die Telekom verliert viele ihrer Problemzonen, in denen bisher nichts wirklich ging.
Der flächendeckende Netzausbau ist notwendig und wichtig und die Politik sollte weiterhin alles dafür tun, dass die Netzbetreiber ihr Geld (und das von uns Kunden) in den Netzausbau und nicht überwiegend in sündhaft teure Lizenzpapiere stecken müssen.
Während wir in Deutschland über Funklöcher diskutieren, ist ein Drittel der Weltbevölkerung noch komplett offline.