U-Bahn Berlin im LTE-Test: Telekom & Vodafone über o2
Für die Journalisten wurde ein U-Bahn-Sonderzug "eingetaktet", um die Netzversorgung auf der U-Bahn-Linie 8 testen zu können.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Der offizielle Sendestart von LTE für Telekom und Vodafone auf dem Antennen-Netz von Telefónica in Berlin bot die Gelegenheit, einmal tiefer in die Materie einzusteigen als sonst üblich. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von BVG, Telefónica Deutschland, Deutscher Telekom und Vodafone Germany im U-Bahnhof Alexanderplatz öffnete sich eine unscheinbare grüne Stahltür. Dahinter beginnt eine eigene Welt mit Treppenhäusern und Gängen, nahezu ohne Hinweisschilder und nur für Eingeweihte zugänglich. Dort unten befindet sich - gut versteckt - ein schmaler langer klimatisierter Raum, in dem die Technik der drei Netzbetreiber und das Kombinationsnetzwerk für Mobilfunk aufgebaut sind.
Für die Journalisten wurde ein U-Bahn-Sonderzug "eingetaktet", um die Netzversorgung auf der U-Bahn-Linie 8 testen zu können.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wie funktioniert die U-Bahn-Sendetechnik?
Üblicherweise besteht eine Sendestation aus einer Signalleitung zum Netz ("Core"), einer Signal-Aufbereitung, den eigentlichen Sende-Endstufen und Empfängern und vielen Koaxialkabeln zu den verschiedenen Sende/Empfangsantennen. Alleine schon diese Antennen-Kabel sind wesentlich dicker, als man sie vom heimischen Fernsehkabel zwischen Dose und TV-Bildschirm her kennt. Das dickste Kabel-Format wird im Mobilfunk auf großen Antennenmasten verwendet, das Kabel ist dann in etwa so dick wie eine Coladose! Im Untergrund ist alles ein klein wenig anders.
Nur ein Vertragspartner
Tief unter dem Berliner Alexanderplatz: Ein Technikraum, wo die Signale von o2, Telekom und Vodafone aufbereitet werden.
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1994 startete die Firma E-Plus über einen Exklusiv-Vertrag mit der Berliner Verkehrsgesellschaft, welche die U-Bahn betreibt, den Netzausbau auf 1800 MHz. Im Untergrund hat die BVG die absolute Hoheit, schon aus Sicherheitsgründen, denn der Zugverkehr muss reibungslos verlaufen. Nur in den Fahrpausen zwischen nach Mitternacht und dem frühen Morgen besteht für wenige Stunden die Möglichkeit, in den Tunneln zu arbeiten, um Schlitzkabel (ein löchriges Koaxkabel, das selbst eine Antenne ist) oder richtige Antennen zu montieren. In den Schalträumen kann im Prinzip rund um die Uhr gearbeitet werden.
Bevor aber irgendeine sichtbare Antenne montiert werden darf, müssen Baugenehmigungen eingeholt werden, denn die komplette U-Bahn steht unter Denkmalschutz. Damals beim Bau war an Funk noch nicht zu denken.
BVG will nur einen Ansprechpartner
Links die Stromversorgung für das Signalmischfeld von Cobham, rechts der zentrale Glasfaserverteiler.
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Die BVG bestand darauf, nur einen Ansprechpartner zu haben. Das Erbe von E-Plus hat o2, also die Telefónica Deutschland übernommen, und nutzte den Vorsprung gerne, weswegen der Marktanteil von o2 (so berichten es Branchenkenner) in Berlin überdurchschnittlich hoch ist.
Telekom und Vodafone konnten also nur in den Untergrund als "Untermieter" von o2. Da es aus optischen und praktischen Überlegungen nur eine Antenne für alle Netzbetreiber an einer bestimmten Stelle geben kann, mussten die Signale aller Anbieter "gemischt" werden.
o2 reduziert Leistung
Stromversorgung und Sendetechnik der Telekom
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Da die maximale Strahlungsleistung einer Antenne aus Umweltschutz- und Gesundheits-Sicherheitsgründen begrenzt ist, musste o2 seine Sendeleistung auf ein Drittel reduzieren, um den anderen beiden Anbietern ebenfalls ein Drittel anbieten zu können. Der vierte Netzbetreiber Drillisch ist noch nicht gestartet und wird später die Netze verwenden, mit denen ein Roaming-Abkommen besteht, im wahrscheinlichsten Falle ist das Telefónica-o2.
Glasfaserverteiler und Stromversorgung (unten)
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Durch die Reduktion der Sendeleistung, musste o2 sein Netz neu ausbauen, an verschiedenen Stellen waren neue Antennen und Sender notwendig.
Wie kommt das Sendesignal zur Antenne?
Zurück zur Technik. Es wäre funktechnischer Unsinn, von der Senderanlage im Schaltraum tief unter der Erde unendlich weit weg von den Gleisen ein Koaxkabel zur Antenne zu verlegen. Je länger das Koaxkabel, desto geringer die Signalstärke, da kommt nichts mehr an. Also greift man zu einem Umweg.
Signalanbindung zum Core-Netz der Telekom links die Lastwiderstände der Mobilfunksender.
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An die Senderausgangsbuchsen der Senderverstärker mit dem fertig gemischten Sendesignal kommt eine künstliche Antenne, ein Dummy-Load. Ein Teil des Signals wird abgegriffen und in optische Signale gewandelt. Eine spezielle Einheit der Firma Cobham "mischt" nun diese Signale und bereitet sie zu einem neuen Summensignal auf. Diese "Summe" wird über Glasfaser zur eigentlichen Sendeeinheit geschickt in Hochfrequenz umgewandelt und draußen im Tunnel oder im Haltebahnhof ausgestrahlt. Dieses Summensignal ist dann fix und fertig und enthält alle zugelassenen Frequenzen und Signale der einzelnen drei Netzbetreiber.
Wer sendet wo?
Die silbernen Kühlflächen sind die Lastwiderstände, in den darunter hängenden Kästchen werden die Sende-Empfangssignale ausgekoppelt.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Aus der Vergangenheit ist o2 im Untergrund mit GSM 1800 gestartet und später auf E-GSM 900 umgestiegen, was weiter über "Schlitzkabel" gesendet wird, gemeinsam mit den GSM-Signalen von Telekom und Vodafone. Daran ändert sich nichts. Mit LTE sendet o2 auf 1800 MHz (mit 20 MHz Bandbreite), mit UMTS auf 2100 MHz, solange es noch UMTS gibt.
Telekom und Vodafone dürfen zunächst "nur" auf 800 MHz (Band 20) in LTE senden; geplant ist, später noch die Frequenz 1800 MHz (Band 3) dazu zu nehmen. Am Hermannplatz gibt es bereits eine Pilot-Anlage, wo das möglich ist.
Wie sieht nun das "neue" Netz in der Praxis aus?
Der aktuelle Mobilfunknetzausbau der Berliner U-Bahn. Die roten Strecken sind neu dazugekommen, violett zeigt den Idealausbau mit 800/1800 MHz für Telekom und Vodafone
Foto: telefon-treff
Wir sind mit der U2 vom Wittenbergplatz über Potsdamer Platz und Stadtmitte zum Alexanderplatz gefahren. Die LTE-Versorgung von Telekom und Vodafone beginnt schon etwa ab "Mohrenstraße", aber richtig stabil wird es erst ab Stadtmitte. Die Downloadgeschwindigkeiten waren bei der Telekom interessanterweise höher (um 40 MBit/s down), bei Vodafone um 25 MBit/s). Dabei zeigt sich, dass das Bewegen des Handys im Raum schon unterschiedliche Datenraten verursachen kann, das ist dem MiMo/Beamforming geschuldet.
Bereits gut belastet
Der komplexe "Signalmischer" von Cobham. Er nimmt alle Signale der Mobilfunkanbieter auf, mischt sie und setzt sie auf Glasfaser um.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Obwohl im Vorfeld außer unter Insidern nicht bekannt gegeben wurde, ab wann die Telekom- und Vodafone-Kunden auch mit LTE online gehen können, zeigen höhere Upstream-Raten gegenüber dem Download (z.B. bei Vodafone), dass zufällig anwesende Kunden von Telekom und Vodafone bereits das Netz intensiv genutzt haben.
Technik wird umziehen
o2 verwendet im Raum Berlin Netzwerktechnik von Nokia. Die Lochgitter-Türen sind ein typisches Merkmal der Nokia DX-Schaltschränke.
Foto: Henning Gajek
Am Rande der Veranstaltung wurde bekannt, dass die Technik im U-Bahnhof Alexanderplatz nur vorübergehend beheimatet sein wird. Im Frühjahr 2020 soll ein wesentlicher Teil der Technik in ein sogenanntes "BTS-Hotel" in Berlin-Friedrichsfelde umziehen. Das hat technische Hintergründe. Die "Sendeanlagen" im Technik-Raum erzeugen Wärme (die muss abtransportiert werden) und die Platzverhältnisse dort unten sind eng. Von daher werden die aktiven Einheiten in ein eigenes Gebäude umziehen, die angelieferten Signale dort auf Glasfaser übersetzt und gemischt und das fertige Signal dann per Glasfaser raus in die U-Bahn weitergeleitet. Ein wenig Technik wird in den U-Bahnhöfen bleiben.
Die Zukunft
Die Sendertechnik von Vodafone. Im schwarzen Kasten ist die Stromversorgung
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Weil sich die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis90/Die Grünen) in die Diskussion eingeschaltet hatte, kam 2019 ziemlich viel Bewegung in die Sache, Pop sitzt auch im Aufsichtsrat der BVG. Binnen ein bis zwei Jahren, so hofft man bei Telekom und Vodafone, soll der komplette Ausbau der unterirdischen Strecken für LTE fertig sein. Als Zielvorstellung möchten Telekom und Vodafone auch den Frequenzbereich 1800 MHz (Band 3) für LTE unter Tage nutzen.
Sobald sich herumspricht, dass jetzt auch Telekom und Vodafone in der U-Bahn funktionieren, wird mit der Zeit eine Lastverschiebung stattfinden, es muss also weiter massiv ausgebaut werden.
Kunden von Telekom oder Vodafone, die überwiegend in der Mitte von Berlin unterwegs sind, haben unter Tage jetzt eine Chance, "online" zu bleiben. Wer viel in die Außenbezirke fährt, sollte im Dual-SIM-Handy eine Karte aus dem o2-Netz einlegen oder ein zweites Handy mitnehmen.