Berliner U-Bahn: LTE auch für Telekom und Vodafone
Stolz, im Untergrund Netz zu haben: Marcus Thurand (o2), Sigrid Nikutta (BVG), Mathias Poeten (Telekom), Gerd von der Osten (Vodafone)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Als 1995 die Berliner Verkehrsgesellschaft BVG und die damalige E-Plus damit begannen, den Berliner Untergrund mit einem Handynetz zu versorgen, schüttelte die Branche ungläubig den Kopf: "Total verrückt. Viel zu teuer." Auch bei E-Plus war man zunächst nicht durchgehend überzeugt. Schilder auf jedem Bahnhof "Hier können Sie mit E-Plus telefonieren", das war eine "unbezahlbare" Werbekampagne.
Die Konkurrenz merkte irgendwann: "Da müssen wir auch rein". 1998 durften Telekom und Mannesmann/Vodafone in die Tiefe und VIAG Interkom folgte ebenfalls. Dann kam UMTS. Doch Telekom und Vodafone und VIAG/o2 blieben unten auf GSM. Es folgte LTE, zunächst auch nur für E-Plus. 2013 begannen Verhandlungen über einen Netzausbau, die immer wieder stecken blieben. Die Gemengelage war kompliziert: Die Betreibergesellschaft BVG war daran interessiert, einen störungsfreien Zugbetrieb zu ermöglichen. Mobilfunktechniker durften nur wenige Stunden in der Nacht in die Tunnel, um Antennen anzuschrauben oder Kabel zu legen.
E-Plus wurde mit o2 fusioniert, was alle o2-Kunden in den Genuss besserer Netzversorgung unter Tage brachte. Telekom und Vodafone blieben mit EDGE weiter einsam, denn Daten fließen dabei nicht (mehr).
Versuchsprojekt Hermannplatz
Ein Versuchsprojekt rund um den Bahnhof Hermannplatz zeigte, in welche Richtung es gehen könnte: LTE 800/1800 in Carrier Aggregation bietet bei der Telekom beispielsweise 100 MBit/s im Downstream, aber wenige Stationen danach wieder EDGE.
Schließlich schaltete sich die Politik ein und machte massiv Druck. Endlich, im Sommer 2019, wurde ein Vertrag unterzeichnet, der den Ausbau des Untergrunds voranbrachte.
Stolz, im Untergrund Netz zu haben: Marcus Thurand (o2), Sigrid Nikutta (BVG), Mathias Poeten (Telekom), Gerd von der Osten (Vodafone)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
LTE für alle in Berliner U-Bahn, später auch 5G
Offiziell am Dienstag, 19. November 2019 um 11 Uhr haben Telefónica Deutschland, Telekom und Vodafone gemeinsam LTE auf ersten U-Bahn-Linien in Berlin eingeschaltet. Der LTE-Ausbau im gesamten U-Bahn-System soll bis voraussichtlich Ende 2020 abgeschlossen sein, heißt es offiziell. Die Besonderheit: Telekom und Vodafone nutzen die technische Infrastruktur von Telefónica Deutschland.
Noch ist nicht die komplette U-Bahn mit 173 Bahnhöfen, davon 140 unterirdische, mit LTE versorgt. Los geht es auf zunächst vier Linien (U2, U5, U7, U8). Voraussetzung ist ein LTE-fähiges Smartphone oder Tablet und ein entsprechender Mobilfunkvertrag.
Thurand: Wir ermöglichen LTE für alle
„Wir bieten unseren o2-Kunden bereits seit einigen Jahren LTE-Netz in der U-Bahn. Nun ermöglichen wir LTE für alle“, erläutert Marcus Thurand, Vice President Regional Implementation & Engineering bei Telefónica Deutschland. „Wir haben im Juli zugesagt, auf Basis unserer Netzinfrastruktur auch Kunden unserer beiden Wettbewerber so schnell wie möglich eine LTE-Versorgung im Berliner Untergrund zur Verfügung zu stellen – das haben wir mit unseren Teams in den vergangenen Monaten zügig umgesetzt. Darauf bin ich sehr stolz“. Thurand kündigte an, "Stück für Stück" das Netz zu erweitern, auch 5G werde kommen. o2 ist der Projektführer des größten U-Bahnprojektes in Deutschland.
von der Osten: Endlich Vodafone mit dabei
„Vodafone versorgt Berlin mit mobilem Highspeed-Internet – ab jetzt auch in der U-Bahn. Nach langen Verhandlungen und technisch anspruchsvollen Arbeiten können unsere Kunden endlich auch in den U-Bahnen und an Bahnsteigen Mails checken, Online-News lesen oder auf Social Media posten. Für die noch unterversorgten U-Bahnstrecken erwarten wir einen möglichst raschen Ausbau, um die Datennutzung für alle Fahrgäste zu ermöglichen. Danke an unsere Partner und insbesondere an das Vodafone-Team, das dieses Projekt mit großer Beharrlichkeit vorangetrieben hat“, äußert sich Gerd von der Osten, Regionalleiter Technik bei Vodafone.
Poeten: Historischer Schritt
"Das ist ein historischer Schritt. Nach dem Start von GSM im Jahre 1998 haben wir Ende 2019 endlich LTE. Die Kunden erwarten heute Netz überall. Wir freuen uns, dass unsere jahrelangen und intensiven Bemühungen nun erste Früchte tragen“, sagt Mathias Poeten, Senior Vice President Best Mobile, Deutsche Telekom Technik GmbH. „Der Ausbau der kompletten U-Bahn in Berlin mit LTE ist zweifelsohne ein herausforderndes Projekt, bei dem wir jetzt endlich einen großen, ersten Schritt gehen. Nun wollen wir aber nach vorne schauen und sind optimistisch, dass das geplante weitere Vorgehen mit der BVG und allen Mitbewerbern den Ausbau endlich vorantreiben wird, um auch im Telekom-Netz mobile Breitbandanwendungen in der Berliner U-Bahn zu ermöglichen. Ein guter und wichtiger Schritt für Berlin und alle Kunden.“
Nikutta: Fahrgäste sollen jederzeit online sein können
Die scheidende Vorstandsvorsitzende der Berliner BVG, Sigrid Nikutta, will ihren Fahrgästen "immer mehr digitale Angebote, wie zum Beispiel unsere Mobilitätsplattform Jelbi" anbieten. Umso wichtiger ist es dafür, dass die Fahrgäste jederzeit online sein können. "Daher freuen wir uns, dass die drei großen Mobilfunkanbieter den LTE-Ausbau in der U-Bahn nun gemeinsam umsetzen. So wird U-Bahnfahren in Zukunft noch attraktiver.“
Vor drei Jahren hatte die BVG mit kostenlosem WLAN auf den Bahnhöfen gestartet. "Warum hat das so lange gedauert?", fragte Nikutta rhetorisch und dankte ihrem CIO (IT-Chef) Friedrich-Wilhelm Menge für die Verhandlungsführung. Eine Zeitlang war bei der BVG überlegt worden, unterirdisch nur kostenloses WLAN auszubauen. "Wir haben uns für den LTE-Netzausbau entschieden".
LTE zunächst auf den Linien U2, U5, U7 und U8
Vodafone und die Telekom haben die LTE-Versorgung für ihre Kunden ab sofort auf den Linien U2 (Pankow bis Stadtmitte), der U5 (von Alexanderplatz bis Tierpark), U7 (Gneisenaustraße bis Rudow) sowie U8 (Bernauer Straße bis Hermannstraße) aktiviert. Bis voraussichtlich Ende 2020 wollen die Anbieter gemeinsam mit Telefónica Deutschland weitere U-Bahn-Strecken mit schnellen Datendiensten ausrüsten und die Mobilfunkversorgung verbessern.
Zu diesem Zweck hat Telefónica die LTE-Technik der beiden Mitbewerber mit der eigenen vorhandenen Mobilfunk-Infrastruktur im Berliner Untergrund buchstäblich zusammengeschaltet. Parallel modernisiert und erweitert o2 als Projektführer die vorhandene Netzversorgung und bereitet die Infrastruktur auf 5G vor, um dem steigenden Bedarf an schnellen Datendiensten gerecht zu werden. Beispielsweise hat sich das abgerufene Datenvolumen der o2-Kunden von 2018 bis 2019 von 4 TB (= 4096 GB) auf annähernd 9 TB (9216 GB) mehr als verdoppelt. Telekom- und Vodafone-Kunden können derzeit 10 MHz mit LTE 800 (Band 20) nutzen, o2 sendet auf LTE 1800 (Band 3) und UMTS 2100. Daneben läuft noch klassisches GSM 900 über Schlitzkabel im Untergrund.
Sonderprojekt U-Bahn-Berlin
Das Sonderprojekt „U-Bahn Berlin“ ist das größte Projekt seiner Art in Deutschland. Inzwischen haben wir in einem Folgebericht noch die technischen Details näher erläutert.