Wettbewerb

Preiskampf: Bezahlfernsehen nach Netflix-Einstieg

Video on Demand wird dank interessanter Eigenproduktionen der Streaming-Anbieter immer attraktiver und die Zahlungsbereitschaft der Kunden steigt. Aber wer wird im Kampf um die Kunden gewinnen?
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

Streaming-Anbieter wie Netflix setzen zunehmend auf Eigenproduktionen. Streaming-Anbieter wie Netflix setzen zunehmend auf Eigenproduktionen.
Bild: Marie-Anne Winter
Pay TV, das war in Deutschland lange eigentlich nur ein Anbieter: Premiere. Für eine stattliche Abo-Gebühr konnte man sich eine Decoder-Box ins Wohnzimmer stellen, um Filme vor der Free-TV-Premiere und Fußballspiele live zu sehen. Auf anderen Fernsehern liefen da die Lindenstraße und die 100 000 Mark Show.

Viel Geld brachte das Geschäftsmodell allerdings nicht ein. Premiere und das Nachfolgerunternehmen Sky Deutschland schrieben bislang nur in einem Jahr schwarze Zahlen - nämlich als eine neue Geschäftsführung deutlich weniger Geld für das Programm ausgab. Pay-TV war in Deutschland mit seinen vielen frei verfügbaren Fernsehsendern bisher kein vielversprechendes Geschäftsmodell.

Streaming-Anbieter wie Netflix setzen zunehmend auf Eigenproduktionen. Streaming-Anbieter wie Netflix setzen zunehmend auf Eigenproduktionen.
Bild: Marie-Anne Winter
Doch inzwischen steigen die Umsätze mit Bezahlfernsehen hierzulande. Vor allem in einem Modell sehen die Anbieter großes Potenzial: Video on Demand, Fernsehen über das Internet in einer Art Online-Videothek. Vorteil: Man kann sehen, was man wann man will, wo man will und wann man will.

"Die Zahlungsbereitschaft bei den Zuschauern wird sogar noch größer werden, weil jetzt die Angebote da sind", vermutet Medienforscher Klaus Goldhammer. Seine Firma Goldmedia berät TV-, Film- und Onlineanbieter in strategischen Fragen. Einer Goldmedia-Prognose [Link entfernt] aus dem vergangenen Jahr zufolge werden sich die Umsätze auf dem Video-On-Demand-Markt in Deutschland von 2014 bis 2019 nahezu verdreifachen.

Erfolgsmodell Streaming

"Wir sehen eine Entwicklung von einer Gratismentalität hin zu einer Zahlungsbereitschaft", sagt Frank Giersberg vom Verband Privater Rundfunk- und Telemedien (VPRT), in dem auch Pay-TV-Anbieter organisiert sind. Der VPRT rechnet für 2014 mit zehn bis zwölf Prozent Wachstum beim klassischen Pay-TV und rund 18 Prozent bei Video on Demand.

Der Musik-Streaming-Dienst Spotify sei der Vorreiter für den Erfolg bei den Kunden gewesen, sagt Goldhammer. "Da haben die Leute gelernt, dass man Musik auch ganz legal im Internet einfach abonnieren kann. Jetzt klappt das auch bei Filmen."

Als im September 2014 die US-Videoplattform Netflix in Deutschland startete, gab es einen großen Hype, obwohl andere Anbieter mit dem Konzept bereits auf dem Markt waren: Maxdome von ProSiebenSat.1, Amazon mit seinem Prime-Angebot, die Vivendi-Tochter Watchever. Auch Sky hat inzwischen eine Video-On-Demand-Plattform. Beginnt jetzt ein Verdrängungswettbewerb?

"Im Markt sind bereits viele Big Boys mit tiefen Taschen und eine Reihe von Spezialisten. Viel Luft für neue Konkurrenten gibt es da kaum", sagt Goldhammer. Im Moment gehe es für die Unternehmen darum, Reichweite aufzubauen, also möglichst viele Kunden als Abonnenten zu gewinnen.

Und das funktioniere eben auch über den Preis, der bei den meisten gängigen Plattformen derzeit um acht Euro im Monat für das reguläre Abonnement beträgt. "Die Preise können kaum noch sinken. Mittelfristig ist eher zu erwarten, dass sie wieder steigen." Auch VPRT-Experte Giersberg meint: "Dass es günstiger wird, kann ich mir nicht vorstellen."

Zahl der Eigenproduktionen steigt

Nicht nur der Preis dürfte künftig den Wettbewerb bestimmen. Während die Portale und Sender lange nur Zweitverwerter von TV-Serien und Kinofilmen waren, produzieren die Pay-TV-Sender inzwischen auch selbst - und zwar sehr erfolgreich.

Sky Deutschland tritt bei der Krimireihe 100 Code als Co-Produzent auf, die Dreharbeiten hatten im vergangenen Jahr begonnen. Netflix hat nach dem Erfolg der Polit-Serie House of Cards eine ganze Reihe eigener Serien aufgelegt, etwa Orange is the New Black, Hemlock Grove oder das aufwendig produzierte Historien-Spektakel Marco Polo. Die US-Plattform sicherte sich außerdem Comedy-Star Adam Sandler als Darsteller für mehrere Filme. Das Budget für Eigenproduktionen bei Netflix erreichte inzwischen 9,5 Milliarden Dollar. Der Konkurrent Amazon heuerte Altstar Woody Allen für dessen erste Serie an, die 2016 exklusiv auf der Video-Plattform des Onlinehändlers starten soll, und plant wie berichtet auch ein Dutzend eigener Kinofilme pro Jahr. Die Familien-Serie Transparent aus dem Hause Amazon gewann kürzlich erst einen Golden Globe.

Konkurrenz belebt das Geschäft

"Ich glaube, dass wir deutlich mehr Eigenproduktionen im Pay-TV sehen werden", sagt auch Giersberg. "Die Bezahlanbieter entdecken das Geschäftsmodell gerade für sich." Für die Zuschauer könnte das allerdings zu der Situation führen, dass sie zum Ansehen ihrer aktuellen Lieblingsserien mehrere Pay-TV-Angebote abonnieren müssen, weil die Anbieter ihre Kunden mit exklusiven Inhalten auf ihre jeweilige Plattform ziehen wollen. Das kann für Serienfans dann teuer werden - schließlich summieren sich auch die vergleichsweise günstigen Monatspreise für die einzelnen Angebote dann entsprechend auf: Es ist durchaus ein Unterschied, ob man für Video on Demand pro Monat zehn Euro oder drei mal zehn Euro bezahlt.

Insofern ist die Strategie der Anbieter, deutlich mehr Geld in eigene Inhalte zu stecken, durchaus zweischneidig - wenn sie dann an der Preisschraube drehen sollten, um die Kosten wieder hereinzubekommen, kann es durchaus sein, dass die Kunden nicht entsprechend mitziehen. Schließlich haben die dann günstigeren Anbieter auch interessante Inhalte, wenn auch vielleicht nicht diese eine Serie, über die jetzt alle reden. Gut für die Kunden ist natürlich, dass es durch diese Konkurrenzsituation jetzt erst einmal mehr interessante Inhalte gibt, weil die neuen Anbieter auch mit Formaten und Inhalten spielen, an die sich die etablierten Fernsehsender bisher nicht heran gewagt hatten.

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