o2 führt "als erster" Open RAN im Mobilfunknetz ein
Beim Feldtest von Open-RAN setzt o2 unter anderem auf den Hersteller NEC, der weitere Lieferanten an Bord geholt hat.
Foto: Telefónica Deutschland
Normalerweise kommt Netzbetreiber Telefónica (o2) beim Einführen neuer Netztechnologien immer erst an dritter Stelle. Vorne tummeln sich meist Telekom und Vodafone, etwa bei der Einführung von 5G. Doch diesmal sieht es so aus, als ob Telefónica seinen Mitbewerbern ein wenig voraus sein könnte. Das Unternehmen meldet "als erster deutscher Netzbetreiber" den Einsatz von Open RAN im Livebetrieb seines Mobilfunknetzes.
Was ist Open RAN?
Beim Feldtest von Open-RAN setzt o2 unter anderem auf den Hersteller NEC, der weitere Lieferanten an Bord geholt hat.
Foto: Telefónica Deutschland
Open RAN ist eine branchenweite Initiative, die eine offene und Hersteller unabhängigen Lösung für das Funkzugangsnetz (RAN = Radio Access Network) möglich machen soll.
Bisher ein bis zwei Lieferanten
Bisher musste sich ein Netzbetreiber im Vorhinein auf ein oder zwei Lieferanten festlegen. Lieferte Hersteller X den 4G-Senderteil, musste vom gleichen Hersteller auch der 5G-Sender dazu gekauft werden, weil die Technik der Konkurrenz nicht passt. Oder laienhaft erklärt: Wer einen Volkswagen kauft, muss dann auch Reifen, Benzin, Zündkerzen und Scheibenwischerblätter von Volkswagen kaufen, weil die Produkte von BMW nicht passen.
Bisherige Systeme sind in sich geschlossen. Open-RAN erlaubt mehr Vielfalt bei der Lieferantenauswahl.
Grafik: Telefónica Deutschland
Open RAN soll nicht nur weltweit das Lieferantengefüge im Mobilfunksektor signifikant verändern, sondern auch die Einführung neuer Dienste und Services deutlich beschleunigen, weil die Netzbetreiber eine größere Auswahl haben, beispielsweise auch dann, wenn ein Hersteller "ausfällt" oder politisch "nicht erwünscht" sein sollte.
Pilotbetrieb in Landsberg/Lech
Zurück zu o2: In einer Pilotphase rüstet Telefónica drei o2-Mobilfunkstandorte im bayerischen Landsberg am Lech um. Nicht nur das: Ab Herbst 2021 will Telefónica die neue Technologie in größerem Umfang im deutschen o2-Netz ausrollen.
o2-Chef Markus Haas hat sich das Ziel gesetzt, "unseren Kunden das technologisch modernste und beste Netz zu bieten". Mit Open RAN wolle man auf die Zukunft setzen und sieht sich als "technologischer Vorreiter in Deutschland"
Open RAN: Mehr Hersteller-Vielfalt im Zugangsnetz
Wie die meisten Netzbetreiber setzt Telefónica o2 seit Jahren auf zwei verschiedene Lieferanten. Ein Teil des Landes ist dann mit Technik von Lieferant A und ein anderer Teil mit Technik von Lieferant B ausgebaut.
Diese Hersteller-Abhängigkeit im Zugangsnetz bricht Open RAN auf. Netzbetreiber können also zukünftig frei am Markt erhältliche Hard- und Software als Basis für den Aufbau ihrer Basisstationen verwenden. Open RAN ist außerdem stärker Software-basiert, was Aufrüstungen von Basisstationen deutlich vereinfachen und beschleunigen wird. Einmal gekaufte Hardware kann durch Software-Updates für neue beim Kauf noch unbekannte Funktionen verwendet werden.
Weniger Hardware, mehr Software
Künftig muss weniger feste Infrastruktur ersetzt oder ausgetauscht werden, da eine Aktualisierung der Software weitgehend ausreicht. Die gesamten Komponenten von Open RAN werden modular und flexibel einsetzbar sein. Die bestmöglichen Komponenten lassen sich also miteinander kombinieren. Dies könnte, so hofft man bei o2, zu Kosteneinsparungen von bis zu 30 Prozent im Zugangsnetz führen.
Neue Dienste kommen schneller ins Netz
Der neue CTO von o2, Malik Rao.
Foto: Telefónica Deutschland
„Wir haben die innovative Zukunftstechnologie Open RAN als erster Netzbetreiber aus dem Labor ins Live-Mobilfunknetz geholt. Der Einsatz von Open RAN ist ein zentraler Faktor der Virtualisierung unseres o2-Netzes, die wir mit dem neuen 5G-Kernnetz gestartet haben. Beides spielt perfekt zusammen und wir werden neue Dienste und Services deutlich schneller ins Netz integrieren können“, erklärt Mallik Rao, der neue Technik-Chef von o2, der über langjährige Erfahrungen im Bau und Ausrollen von Netzen verfügt und seiner (relativ) kurzen Amtszeit bei o2 schon einiges in Bewegung gebracht hat.
Was früher durch den Austausch von Hardware mehrere Wochen dauerte, werde mit Open RAN und einem Cloud basierten Kernnetz in wenigen Tagen oder sogar in Stunden möglich sein.
o2 testet Open RAN in Landsberg am Lech (Bayern)
Open RAN verändert nicht den Wettbewerb der etablierten Technologiehersteller. Es eröffnet auch Chancen für ganz neue Hersteller mit frischen Ideen. Die können aus an den Mobilfunk angrenzenden technischen Bereichen stammen. „Open RAN wird die Bandbreite möglicher Technologie-Partner für unser o2-Netz deutlich erweitern“, schwärmt Mallik Rao. „Wir werden flexibel auf die Anbieter mit den für uns besten Produkten setzen können. Das wird für mehr Diversität sorgen. Zudem können wir unseren Netzausbau schneller vorantreiben und unseren Kunden eine noch bessere Netzqualität bieten. Mit Open RAN gehen wir einen großen Schritt in die Zukunft der Mobilfunkinfrastruktur.“
Im Stadtgebiet von Landsberg am Lech hat o2 aktuell eine Basisstation mit dem Open RAN verbunden, weitere sind vorbereitet und werden zeitnah folgen. Aus der Art und Weise, wie die Kunden das Netz nutzen, kann Telefónica Rückschlüsse auf weitere Optimierungsmöglichkeiten der Open-RAN-Technologie ziehen.
Zusammenarbeit zwischen Telefónica und NEC
An der weltweiten Entwicklung von Open RAN beteiligt sich unter anderem der japanische Hersteller NEC, den o2 als Technologie-Partner für den Raum Landsberg ausgewählt hat. NEC wird den Aufbau und Betrieb des Open RAN an den Landsberger Mobilfunkstandorten koordinieren sowie die einzelnen Hardware-Baugruppen und die Software der weiteren beteiligten Unternehmen wie z.B. Dell, Intel, Altiostar [Link entfernt] ,Xilinx, Red Hat, GigaTera und Supermicro zu einem Gesamtsystem zusammenführen.
„Wir sind stolz darauf, Open RAN anzubieten, das unseren Kunden einen enormen Mehrwert bringt", betont Mayuko Tatewaki, verantwortlicher Manager bei NEC.