Detailprobleme

Kinder im Internet: Auch Websurfen will gelernt sein

Junge Menschen oftmals mit der Datenflut überfordert
Von dpa / Marc Baumann

Es ist in der virtuellen Welt nicht anders als außerhalb des Internet: Kleine Kinder lieben Comics und Fantasiefiguren, große Kinder Popstars und Soaps. "Kinder gehen zunächst auf Seiten, die sie aus ihrem Alltag kennen", sagt Christine Feil, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Jugendinstitut in München. "Sie geben beispielsweise 'die-Maus' ein, weil sie die aus dem Fernsehen kennen."

Das Deutsche Jugendinstitut untersucht gegenwärtig in einer qualitativen Studie, wie Kinder das Internet entdecken (http://www.dji.de/www-kinderseiten/ [Link entfernt] ). Dabei werden Kinder zwischen vier und zwölf Jahren im aktiven und interaktiven Umgang mit dem Internet beobachtet und per Video beobachtet. Die Probleme, die Christine Feil bisher bei den Kindern feststellen konnte: "Die meisten haben Schwierigkeiten, etwas im Netz zu finden - und sie verlieren schnell den Überblick."

Inhaltlich gibt es zwar viele Spezialangebote für Kinder. Technisch stellen diese jedoch die gleichen Anforderungen wie an erwachsene Anwender. Das fängt damit an, dass man richtig schreiben können muss, um im Netz fündig zu werden. Englische Wörter machen die Sache nicht gerade leichter. Selbst bei Suchmaschinen wie der "Blinden Kuh", die sich auf Kinderseiten spezialisiert hat, gehen ein Drittel der Suchanfragen ins Leere. Intuition und Ausprobieren sind für die ehrenamtlichen Organisatoren der Suchmaschine Mittel, um an Treffer zu gelangen. "Kinder haben noch kein Abstraktionsvermögen. Die Kunst einzugrenzen muss erst noch von ihnen erlernt werden", so Christine Feil.

Zudem ergeben sich eine Fülle zusätzlicher Detailprobleme: Zu viele Fenster, die sich öffnen lassen, zu viele Links zu einem Thema, zu volle Seiten, zu viele dubiose Angebote: Manchmal genügt ein Rechtschreibfehler - und Kinder landen auf einer Pornoseite. Und selbst Kinderwebseiten halten sich nicht immer an die Devise "Weniger ist mehr": In der Regel folgen auf eine Startseite zahlreiche Multimedia-Webseiten mit animierten Bildern, Audio-, Video- und Spieledateien. Oft wird auch der Austausch von Nachrichten, Fragen, Kleinanzeigen oder Meinungen angeboten.

Das vielfältige Spektrum überfordert viele Kinder. Immerhin: "Was den Datenschutz angeht, so haben sich diese Angebote sehr gebessert", sagt Diplomsoziologin Feil. So verlaufe die Kommunikation nicht mehr über die persönliche E-Mail-Adresse, sondern über ein Formular, wo Kinder einen fremden Namen eingeben sollten. Auch werde die Kommunikation moderiert, beispielsweise unter http://www.kindersache.de. Aber Kinder unter zwölf Jahren seien mit der Lese-und Schreibgeschwindigkeit in den Live-Chats und dem manchmal harschen Umgangston überfordert.

Das Internet ist den Medienpädagogen zufolge im Gegensatz zum Fernsehen aber noch ein unbedeutendes Medium. Es werde häufig einmal die Woche oder einmal im Monat genutzt, selten täglich. Und die Internet-erfahrenen Kindern sind noch eine kleine Avantgarde, so der Erziehungswissenschaftler Stefan Aufenanger aus Hamburg (http://www.aufenanger.de). Die Internet-Euphorie der Erwachsenen sei häufig übertrieben: "Es ist verkehrt, Kinder und Jugendliche unter Druck zu stellen." Aufenanger rät Eltern stattdessen, ihre Kinder nur an das Internet heranzuführen, wenn sie das von sich aus wünschen.

Die Grundregel für Eltern von Grundschulkindern lautet dem Medienpädagogen zufolge: Neue Seiten immer erst gemeinsam ansehen. erst im Alter von zehn Jahren könnten Kinder auch schon mal alleine surfen. Aber die Eltern sollten problematische Seiten ansprechen und die Kinder ermutigen, von ihren Surferlebnissen zu berichten.

Eines haben die Erwachsenen den Kindern und selbst jungen Menschen voraus: Sie haben genügend Erfahrung, um die im Netz verfügbaren Informationen zu bewerten: "Die Frage nach Autor und Datum der elektronischen Veröffentlichung zu beantworten, das fällt selbst meinen Studenten schwer", so Professor Aufenanger.

"Eltern meinen oft, ihr Kind könne schon super mit dem Computer umgehen, wenn es eben nur super mit dem Computer spielen kann", sagt Rafael Luwisch, Lehrer der Lichtigfeld Schule der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Luwisch führt seine Schüler in den fünften und sechsten Klassen in drei Stufen an das Arbeitsmittel Internet heran: Von der Blinden-Kuh über die Meta-Suchmaschine nettz.de mit Filtern gegen Sexseiten und Gewalt bis zur Suchmaschine google.com.

Vielleicht sind dann irgendwann auch die bundesdeutschen Schüler so weit wie ihre amerikanischen Altersgenossen: "Dreiviertel der amerikanischen Schüler nutzen das Netz für die Hausaufgaben", sagt Stefan Aufenanger. Nicht um irgendwo Informationen abzuschreiben, sondern als modernes Lexikon.