Reaktionen

MobilCom: Wut, Tränen und Schuldzuweisungen

Verhandlungen zwischen Schlewig-Holsteins Wirtschaftsminister und MobilCom / Frankreich bemängelt fehlende europäische Mobilfunkstrategie
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

Mit scharfer Kritik haben Gewerkschaften und MobilCom-Betriebsrat heute morgen auf den Ausstieg der France Télécom bei MobilCom reagiert. "Dadurch ist die Existenz aller 5 500 Arbeitsplätze in ganz Deutschland gefährdet", sagte IG Metall-Sprecher Kai Petersen. "Wir verkennen nicht, dass France Télécom selbst finanzielle Probleme hat. Aber die Entscheidung ist irrational und von nationalen Interessen geprägt".

"Unsere schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten", sagte Büdelsdorfs Bürgermeister Jürgen Hein. Für seine Stadt sei dies ein herber Schlag. Er setze auf eine Unterstützung der schleswig-holsteinischen Landesregierung. "Die jetzt drohende Insolvenz wird zeigen, ob es möglich ist, Teile des Unternehmens zu retten", erklärte der Bürgermeister: "Ein bisschen Hoffnung schwingt immer noch mit". Eine Bürgschaft der Stadt werde es für MobilCom aber nicht geben. "Das ist leider eine Dimension, die wir nicht händeln können", erklärte Hein. "Die Leute sind geschockt", sagte der Bürgermeister zur Stimmung im Ort und in der Belegschaft.

"Viele haben geweint, das ist alles ganz, ganz schlimm. Jeder hat schon Bewerbungen geschrieben, aber keiner will hier eigentlich weg", sagte die 26 Jahre alte MobilCom-Mitarbeiterin Nicole Bartholmei, die im Kundenservice arbeitet. "Es wird wohl irgendwo eine Lösung gefunden, es geht irgendwie weiter", meinte hingegen MobilCom-Mitarbeiterin Katrin Bauer, die seit Juni 1993 im Unternehmen arbeitet.

MobilCom-Chef Thorsten Grenz und der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) sind heute in Büdelsdorf zusammengetroffen, um über die weitere Zukunft des Unternehmens zu beraten. "Alle Fakten sollten nun geprüft werden", sagte Rohwer. Finanzhilfen des Landes schließe er nicht aus. "Aber hier gelten die Spielregeln, die auch für andere Unternehmen gelten", sagte Rohwer. Die Banken seien nun gefordert. Das Land habe die Pleite nicht verschuldet, von daher könne das Land nun auch nicht die Hauptlast tragen.

"Wir haben gestern versucht, über alle Drähte Einfluss zu nehmen", sagte Rohwer. Damit hat er die Entscheidung in Paris gemeint. Nach Ansicht Rohwers hat die Entscheidung von France Télécom, MobilCom nicht weiter finanziell zu unterstützen, schon vorher festgestanden. Nun müsse ein "konstruktiver Fortsetzungsprozess" erarbeitet werden. Zum Thema UMTS sagte Rohwer: "Ich habe nach wie vor die Ansicht, dass die Preise damals zu hoch getrieben worden sind." Hinterher sei man aber immer schlauer.

MobilCom bereitet jetzt einen Insolvenzantrag vor und prüft gleichzeitig Klagen gegen ihren Großaktionär France Télécom. Bevor "sehr zeitnah" über einen Insolvenzantrag entschieden werde, müssten wesentliche Details des Ausstiegsbeschlusses mit France Télécom geklärt werden. Gegenwärtig sei nicht klar, ob MobilCom ein Unternehmen mit sieben Milliarden Euro Schulden oder ein schuldenfreies Unternehmen sei, sagte ein Sprecher.

Nach Ansicht von MobilCom verstößt die Entscheidung von France Télécom "eindeutig gegen die vertraglichen Bestimmungen des mit der MobilCom vereinbarten Rahmenvertrags". Zur Wahrung der Unternehmensinteressen prüfe MobilCom daher, Klage auf Schadenersatz einzureichen.

Der französische Wirtschaftsminister Francis Mer hat indirekt auch eine fehlende europäische Mobilfunk-Strategie für das Debakel des deutschen MobilCom mitverantwortlich gemacht. Die wesentliche Gelegenheit sei verpasst worden, "eine gewisse Industriepolitik auf dem Feld der neuen Technologien zu haben", sagte der Minister heute dem Radiosender RTL. "Europa hat nicht den Mut gehabt, intelligente Lösungen vorzuschlagen, so dass jedes Land dann auf seine unabhängige Weise vorgegangen ist", erklärte Mer unter Anspielung auf die teuren UMTS-Lizenzen.

Frankreich sei eines der Länder, die bei den Lizenzen noch am verantwortlichsten gehandelt haben, "indem wir wesentlich billigere Lizenzen vorgeschlagen haben", sagte Mer. "Der deutsche und der englische Etat dagegen haben von privatem Geld profitiert, und das waren, man höre und staune, jeweils 50 Milliarden Euro."

Der Minister kündigte an, dass der scheidende France-Télécom-Chef Michel Bon Ende September oder Anfang Oktober abgelöst wird. Er äußerte sich nicht zu einem möglichen Nachfolger. France Télécom hat im ersten Halbjahr einen Rekordverlust von 12,2 Milliarden Euro verbucht. Der Schuldenstand erhöhte sich bis Ende Juni auf 69,7 Milliarden Euro. Die Aktie von France Télécom verlor nach der Eröffnung der Pariser Börse 4,99 Prozent auf 10,10 Euro. Der Markt zeigte sich enttäuscht über fehlende Maßnahmen zur Krisenbewältigung.