öffentliche Ärgernisse

Was haben Handynutzer und Raucher gemeinsam?

New York ist eine Hauptstadt der Handymuffel - Das Geklingel ist ähnlich unbeliebt wie Zigarettenrauch
Von dpa / Marie-Anne Winter

New York ist eine Stadt der Handymuffel. Einer jüngsten Untersuchung der Scarborough Research Corporation zufolge steht sie erst an 26. Stelle der US-Städte, wenn es um die Dichte der Handy-Besitzer geht. Das texanische Houston ist Nummer eins, sogar Wichita im US-Bundesstaat Kansas rangiert noch vor New York.

Diese Statistik wird vor allem diejenigen wundern, die gerade einen Gesetzesvorschlag zur Bestrafung allen unerlaubten Klingelns bei öffentlichen Veranstaltungen auf den Weg gebracht haben: Insgesamt 50 Dollar (50,78 Euro) muss derjenige zahlen, der im Theater, Kino, dem Konzertsaal oder in einer öffentlichen Bibliothek vergessen hat, sein Gerät abzustellen. Und abgeben muss er es auch. "Das Gebimmel der Handys hat einfach schon zu viele Vorstellungen ruiniert, für das Publikum und die Darsteller. Wir müssen dem ein Ende machen", sagte Barbara Janowitz, eine Sprecherin der Liga für amerikanische Theater und Produzenten.

Auch sonst werden Mobiltelefonbesitzer fast so behandelt wie Raucher: Als öffentliches Ärgernis nämlich. Viele Restaurants und Kneipen haben ein deutlich sichtbares Schild mit einem rot durchgestrichenen Handy neben ihren Menükarten. Im Wochenendbus zu den Hamptons gilt eine Drei-Minuten-Regel, die auch strikt befolgt wird. Und wer je in einem Linienbus auf der Fifth Avenue in Manhattan versucht hat zu telefonieren, kann sich sicher sein, bösen Blicken und giftigen Bemerkungen ausgesetzt zu sein.

So gibt es in einer Stadt, in der Nörgeln zur Kunstform erhoben ist, weniger Beschwerden über die empfangslosen U-Bahnfahrten als erwartet. Der Umfrage unter Mitgliedern einer Pendler-Organisation zufolge sind 54 Prozent dagegen, dass der New Yorker Untergrund mit Empfangsantennen ausgestattet wird. Nur 45 Prozent befürworten die Idee. "Kannst du mich jetzt hören?" - die Fernsehwerbung einer Telefongesellschaft, verpufft in den Schluchten New Yorks. Vermutlich hat das auch einen anderen guten Grund: "Ich bin in der Subway stecken geblieben" galt schon immer als gute Ausrede für alle Zuspätkommer. Die will sich keiner nehmen lassen.

"Wir sind hier echt im Steinzeitalter", schimpft David Gallego in der New Yorker U-Bahn und starrt genervt auf sein Mobiltelefon. Gerade hat der Student noch mit seiner Freundin die Pläne für den Abend besprochen, als der Zug von Brooklyn aus kommend in den Tunnel nach Manhattan rast. Das Signal ist mitten im Satz weg - und kommt auch nicht wieder. Denn unter der Erde gibt es in der Weltstadt keinen Empfang. Und das wird auch so bleiben.

In anderen großen Städten wie Washington, Boston, San Francisco und Chicago gibt es keine Probleme, auch "unter Tage" zu telefonieren - ebenso sind in vielen Städten Europas, Japans und Chinas die Tunnel verkabelt. Doch trotz vereinzelter Bemühungen der Telefongesellschaften, ihren Kunden die Milliarden an kollektiv verlorenen Minuten im "Big Apple" zu verkürzen - mehr als vage Pläne gab es bislang nicht.

"Bis jetzt ist noch keiner mit einer kostengünstigen Lösung gekommen", sagt Tom Kelly, ein Sprecher der Metropolitan Transportation Authority (MTA). Rund die Hälfte der 722 Metro-Meilen (1161 Kilometer) in New York liegt unter Tage, besteht aus einem komplizierten Schachtsystem und ist in Granitfelsen getrieben - für eine Verkabelung wäre ein riesiger finanzieller Aufwand nötig.

Gerade in Zeiten von Terroranschlägen nach dem 11. September ist es für viele Kunden der MTA durchaus wichtig, jederzeit erreichbar zu sein. Die MTA stört das wenig: "Die U-Bahn ist eine der letzten Bastionen von Frieden und Ruhe in der City", sagt Sprecher Kelly. "Naja, laut ist es hier schon, aber zumindest haben wir hier keine Leute, die dauernd am Telefon quatschen."