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Internetgeschichte: 20 Jahre TCP/IP-Protokoll im Internet

Ein Militärprojekt als Wegbereiter
Von dpa / Marie-Anne Winter

Internet und E-Mails sind heute für die meisten Computernutzer selbstverständlich. Dass es sich dabei im Grunde genommen um eine Kommerzialisierung einer Militärtechnologie handelt, ist vielen Anwendern hingegen nicht bekannt. Denn das Verfahren, das sich vor rund 20 Jahren als De-facto-Standard für den Datenaustausch über das weltweite Netz etablierte - das so genannte TCP/IP-Protokoll - wurde ursprünglich vom US-Militär für die zuverlässige Kommunikation seiner Truppen im Falle eines Atomkrieges ersonnen.

Die Anfänge dieser Technik liegen im Zeitraum zwischen 1965 und 1968. Damals, in der Hochphase des Kalten Krieges, arbeitete die zum US-Verteidigungsministerium gehörende Forschungseinrichtung Defense Advanced Research Project Agency (DARPA) an einer Computervernetzung aller US-Militärbasen über fest installierte Leitungen. Das daraus hervorgegangene ARPAnet war robust ausgelegt, damit es einen atomaren Erstschlag der Russen so weit überstehen konnte, dass es noch für einen Gegenschlag reichte.

Hardwareunabhängige Netzwerkfunktionen

Für die Steuerung des Datenflusses zwischen den vernetzten Rechnern entwarfen die Militärs das TCP/IP-Protokoll. Dieses Protokoll-Paket besteht auch heute noch aus dem Internet Protocol (IP), dem eigentlichen "Netzwerkverfahren" für die zu übermittelnden Daten, und dem Transmission Control Protocol (TCP), das quasi als Kontrollinstanz für die korrekte Datenübertragung zuständig ist. Beide Komponenten zerlegen die Daten in einzelne Datenpakete, schicken sie auf den Weg durch das Netzwerk und sorgen dafür, dass sie - beim Zielrechner angekommen - wieder in der richtigen Reihenfolge zusammengesetzt werden.

IP legt somit fest, wie die Hardware-Komponenten in einem Netzwerk "miteinander reden" und was sie mit den übermittelten Daten anfangen sollen, schreiben die US-amerikanischen Buchautoren Candace Leiden und Marshall Wilensky in ihrem Buch "TCP/IP für Dummies". TCP "verschaltet" die einzelnen Anwendungsprozesse korrekt miteinander. Ein großer Vorteil sei es, dass mit dem Protokoll Netzwerkfunktionen ausgeführt werden können, unabhängig von der Hardware und dem verwendeten Betriebssystem. Es funktioniert also unter verschiedenen Betriebssystemen wie Microsoft Windows, Linux, Unix und Mac OS gleich.

Hohe Fehlertoleranz hatte Priorität

Damit bei der Kommunikation im ARPAnet auch die gewünschten Rechner angesprochen werden konnten, erhielten sie alle eine eindeutige so genannte IP-Adresse. Sie besteht aus einer Gruppe von vier Zahlen, jede steht für ein Byte, die Werte von 0 bis 255 annehmen können und durch Punkte getrennt sind - etwa 183.86.64.6. Da Zahlenkombinationen schlecht zu merken sind, erhielt jeder Rechner auch einen Namen. Spezielle Namensserver (DNS-Server, Domain Name Service-Server) "übersetzen" diese dann in die dazugehörige IP-Adresse.

Das IP sei damals bewusst "abgespeckt" gehalten worden, um ein flexibles Routing - also die Leitung der Datenpakete über den am besten geeigneten Weg durch das Netzwerk - zu ermöglichen, so Borowka. Für den Fall, dass Abschnitte des ARPAnets etwa durch Bombentreffer beschädigt wurden, sollten die Daten automatisch über noch intakte Bereiche geleitet werden. Falls dabei einzelne Pakete verloren gehen, sollte das TCP diese vom Absender erneut anfordern. Damit hatte man es geschafft, ein hochgradig fehlertolerantes Netz aufzubauen.

Außerhalb des Militärs verwendeten zuerst Wissenschaftler, die an amerikanischen Universitäten für Militäreinrichtungen forschten, TCP/IP. Sie schufen auf Basis des Protokolls in den siebziger Jahren zunächst einen nationalen, später einen Länder übergreifenden Universitäten-Verbund. Über die Universitätsnetze beschafften sich auch immer mehr Privatnutzer und Unternehmen den offenen Standard und klinkten sich in das Netz ein, das auf diese Weise weltweit wuchs.

Zwar war TCP/IP damals in vielen Unternehmensnetzen nur ein Protokoll von vielen. Ab einem gewissen Verbreitungsgrad wurden diese jedoch für die externe Datenübertragung unbedeutend, so dass mehr und mehr Anwendungen auf TCP/IP umgestellt wurden. In den achtziger Jahren habe das US-Verteidigungsministerium dann vorgeschrieben, dass alle Computer, die mit dem ARPAnet verbunden sind, TCP/IP einsetzen müssen, so die Buchautoren Leiden und Wilensky: "Dies war der Zeitpunkt, an dem das Internet entstand."

Das Internet wird zum Kommunikationsmedium

Was in den sechziger Jahren mit nur wenigen zusammengeschalteten Computern als Militärprojekt begann, entwickelte sich zum weltweiten Kommunikationsnetz, das heute Millionen Rechner umfasst. Da es absehbar ist, dass die noch verbliebenen freien IP-Adressen ausgehen - die bislang verwendete IP-Version IPv4 ermöglicht "nur" vier Milliarden Adressen - soll einmal auf die neue Version IPv6 umgestellt werden. Damit seien zwei hoch 96 Mal so viele Adressen möglich, so dass alle Menschen mit mindestens einer IP-Adresse ausgestattet werden könnten.

Zudem ergeben sich mit der erweiterten IP-Version neue Möglichkeiten, auch Taschencomputer und Mobiltelefone mit TCP/IP-Technik auszustatten. Dadurch kann das Protokoll neben der Datenübertragung auch stärker für IP-Telefonie genutzt werden. Nicht zuletzt deswegen wird das Internet immer mehr zu dem Medium, das alle Kommunikationstypen vereint.

Trotz dieser Erfolgsgeschichte ist das TCP/IP-Protokoll im Grunde genommen eine "archaische" Technik: Auf Grund der einst für die militärischen Zwecke gerade gewünschten hohen Fehlertoleranz bleibe die Datenübertragungsrate heute oft weit unter den technischen Möglichkeiten. Aber das es hat sich nun einmal als Standard durchgesetzt. Selbst das US-Militär arbeitet heute noch immer mit dem Protokoll. Allerdings hat es sich längst mit Firewalls gegen die zivile Außenwelt abgeschirmt.