Lukrative Branche

Asia Times: "China ist ein sicherer Hafen für Spammer"

China beherrscht die Weltrangliste beim Spam-Hosting
Von Christian Horn

China ist der unangefochtene Weltmarktführer beim Hosting von Spam-Webseiten. Das in Hong Kong ansässige Online-Magazin Asia Times veröffentlichte in seiner gestrigen Ausgabe eine Analyse [Link entfernt] der Hintergründe, die dieser fragwürdigen Spitzenposition zu Grunde liegen. Das Fazit: Eine Regierung, die der Spam-Plage gleichgültig gegenübersteht, Service-Provider, die das Treiben der Spammer mitwissend dulden, weil sie daran gut verdienen plus der gut ausgebauten Infrastruktur des Landes und niedriger Preise für Bandbreiten machen China zum sicheren Hafen für Spammer.

Die überwiegende Mehrzahl der Spam-Profis ist dem Bericht zufolge immer noch in den Vereinigten Staaten beheimatet, auch wenn die Zahl der organisierten Cyber-Kriminellen aus osteuropäischen Staaten und Russland stetigen Zuwachs findet. Trotz schockierenden Spam-Statistiken - MessageLabs schätzt für 2004 den Spam-Anteil am weltweiten E-Mailverkehr auf 73 Prozent - formiert sich in den USA und anderen westlichen Ländern nur allmählich der Widerstand gegen das ungeliebte Geschäft der Spammer.

Auch wenn die Gesetzgebung bisher nur eine magere Handlange gegen Spam liefert - Asia Times hält das amerikanische CANSPAM-Gesetz für "zahnlos" - ist der Druck auf die Spammer vor allem durch zivilrechtliche Klagen von Schwergewichten wie Microsoft und Verizon doch gestiegen, weshalb diese es vorziehen, ihre Aktivitäten ins Ausland zu verlagern: Das Emmigrationsland der Wahl ist China.

Spam-Webseiten auf chinesischen Servern

Das Geschäft mit der massenhaften Versendung von Werbe-Mails wird längst nicht mehr von kleinen "Spam-Buden" in Kellerräumen aus betrieben. Heutige Spam-Attacken sind ausgeklügelte Feldzüge; die Distributionstechniken setzten die Mitarbeit hoch qualifizierter Programmierer voraus. Tausende Rechner von meist ahnungslosen Internetnutzern werden von professionellen Hackern in Spam-Diensten gekapert und in so genannte "Zombie-Netzwerke" verwandelt. Listen von Zombie-PCs werden für 2 000 bis 3 000 US-Dollar je 20 000 Adressen gehandelt. Hauptumschlagsplatz ist China.

Einer Untersuchung der Netzwerk-Managementfirma Sandvine ergab, dass etwa 80 Prozent aller Spam-Mail über "Zombie-Netzwerke" verschickt werden. Weil die "Zombies" die gekaperten Rechner x-beliebiger Internetnutzer sind, ist die Herkunft der Spam-Mail aber relativ bedeutungslos.

Die eigentlich wichtige Adresse im Spam-Geschäft ist die Web-Seite auf die der in jeder Spam-Mail integrierte Link führt. Bei Abermillionen versandter Spam-Mails genügt die verschwindende Minderheit von geschätzen 0,1 Prozent der Spam-Mailempfänger, die hier klicken und ein Geschäft tätigen, um Spam-Mailing zur lukrativen Branche zu machen. Und geschätzte 73 Prozent aller Spam-Webseiten werden auf chinesischen Servern gehostet.

Ein Angestellter für Millionen Spam-Beschwerden

Asia Times zitiert Steve Lindford von Spamhaus [Link entfernt] : "Die Spammer wählen China wegen dem Website Hosting. Für Proxy-Server können sie Brasilien, Argentinien oder Russland wählen. Aber Webseiten schießen die Internet-Serviceprovider dort sofort ab. Das ist die Crux des Problems." In den Top-Five der weltweiten Spam-Internet-Webhoster sind gleich drei chinesische Service-Provider vertreten. ChinaNet Henan hält die Spitzenposition der Rangliste.

Für Asia Times sind die zentralen Faktoren, warum China für Spammer so ausgesprochen attraktiv ist, offensichtlich: Die Regierung gibt sich in Sachen Spam gleichgültig und übt keinerlei Druck auf die Spam-hostenden Service-Provider aus. Diese wiederum dulden die Spammer, bringen diese ihnen doch erhebliche Umsätze: Die Zahl der gehosteten Spam-Seiten wird auf etwa 1,7 Millionen geschätzt. Weitere Faktoren sind Chinas gut ausgebaute Telekom-Infrastruktur und der vergleichsweise niedrige Preis für genutzte Bandbreiten.

Auch wenn das chinesische Informationsministerium angibt, ein Anti-Spamgesetz in Vorbereitung zu haben, sieht der Asia Times-Bericht keine Hoffnung auf eine baldige Veränderung der Lage. Bei Chinas größtem Internetbetreiber ChinaNet, einer Tochtergesellschaft der staatlichen China Telecom, ist für die Bearbeitung der Millionen Spam-Beschwerden ein einziger Angestellter zuständig. Seine Funktion: "Putting them straight in the bin."