Telefonitis

Gelsen-Net: 3 Minuten kostenlos aus der Telefonzelle

Drei-Minuten-Service seit über einem Jahr erfolgreich
Von dpa / Marie-Anne Winter

Wartende vor der Kostenlos-Zelle Trotz oft hoher Rechnungen rangiert die "Telefonitis" weit oben auf der Liste der "harmlosen Volkskrankheiten". Die Vieltelefonierer haben oft die Uhr im Blick. Einmal ohne Kostendruck telefonieren zu können - in Gelsenkirchen ist das möglich. Seit über einem Jahr können aus einer alten englischen Telefonzelle kostenlos Dreiminutengespräche im Orts- und Nahbereich geführt werden - je nach Warteschlange vor der Zelle beliebig oft nacheinander und rund um die Uhr.

"Bis zu 150 Menschen nutzen unseren deutschlandweit einmaligen Service jeden Tag", sagt Thomas Dettenberg, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Kommunikationsfirma Gelsen-Net. "In Spitzenzeiten wie zu Weihnachten oder Neujahr waren es sogar mehr als 350 Gespräche pro Tag", erklärt Dettenberg. "Das sind über 17 Stunden, in denen unsere rote Zelle besetzt ist." Nach jeweils genau drei Minuten wird die Leitung automatisch unterbrochen. "Man kann aber so oft man will, wieder wählen - es sei denn, die Wartenden werden langsam ungeduldig", so Dettenberg.

Der Stop in der roten Box ist beliebt

In den Stoßzeiten - nach Schulschluss und in den Abendstunden - bilde sich häufig sogar eine Warteschlange von dem Häuschen an der Horster Straße 119 im Stadtteil Buer. Inzwischen gebe es Stammkunden wie Postboten oder Schüler, die täglich vorbeikommen. "Sogar ein Mitarbeiter unseres größten Konkurrenten hat einmal - in voller grauer Montur - von hier aus telefoniert", erzählt Dettenberg.

Neben Ortsgesprächen können auch Städte in einem Umkreis von bis zu 25 Kilometern angerufen werden. Dazu zählen neben Bottrop und Gladbeck etwa auch Dorsten, Marl, Recklinghausen, Essen, Bochum, Oberhausen oder Witten. "Ohne Telefonkarte und Münzen können sich Interessenten in unserer Telefonzelle direkt von unseren Leistungen überzeugen", erklärt Dettenberg. Er ist sich sicher, dass ein Teil der über 12 000 Neukunden im Jahr 2004 auf das Konto der "roten Zelle" gehen. Zur Zeit gebe es Überlegungen, zwei bis drei weitere Zellen im "Revier" aufzustellen.

Für Klaus Wilkowski gehört ein Stopp an der "roten Box" zum täglichen Geschäft während des Gassi-Gehens mit seinem Dackelmischling "Idefix". "Bei sechs Kindern ist die Telefonleitung ständig besetzt - entweder meine Söhne und Töchter rufen an, oder sie werden angerufen", erklärt der 54-Jährige. "Irgendwie komme ich nie an die Reihe." Da Wilkowski auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnt, hat er die Telefonzelle rund um die Uhr genau im Blick. "So kann ich lange Warteschlangen wunderbar umgehen", freut sich der Gelsenkirchener.

Zum größten Teil führt Wilkowski aus der Gelsen-Net-Telefonzelle Privatgespräche. "Es ist für mich auch ein großer Vorteil, dass ich hier mal wirklich ungestört telefonieren kann und das - abgesehen von der Unterbrechung nach drei Minuten - so lang ich mag", erklärt er. "Man hat ja schließlich auch so seine Geheimnisse, meine Frau muss eben nicht alles wissen", sagt Wilkowski mit einem Zwinkern.