Urteil

Ministerium darf IP-Adressen von Besuchern nicht speichern (aktualisiert)

Urteil des Berliner Amtsgerichts ist rechtskräftig
Von Ralf Trautmann

Das Bundesjustizministerium darf personenbezogene Daten, insbesondere IP-Adressen, die durch die Nutzung des Internetauftritts des Ministeriums entstehen, nicht über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus speichern. Dies hatte bereits am 27. März das Amtsgericht Berlin Mitte in einem mittlerweile rechtskräftigen Urteil entschieden, das vom Landgericht Berlin in einem jetzt bekannt gewordenen Berufungsurteil (Az.: 23 S 3/07) bestätigt wurde.

Das Amtsgericht gab als Begründung die "Verletzung des Recht auf informelle Selbstbestimmung" an. "Durch die Zusammenführung der personenbezogenen Daten mit Hilfe Dritter (ist es) bereits jetzt ohne großen Aufwand in den meisten Fällen möglich, Internetnutzer aufgrund ihrer IP-Adresse zu identifizieren", heißt es im Urteil. Zur Entscheidung wurde unter anderem das Telemediengesetz herangezogen, nachdem seit März Betreiber von Internetdiensten keine personenbezogenen Daten auf Vorrat speichern dürfen. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die zeitweise Speicherung von Daten, die zur Abwicklung des Dienstes notwendig sind, also zum Beispiel für die Erstellung einer Abrechnung. Sicherheitsaspekte rechtfertigten indes nicht die "personenbeziehbare" Speicherung des Surfverhaltens sämtlicher Nutzer über die Nutzung des Internetauftritts hinaus.

Kläger war der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Dieser sieht im Urteil eine Signalwirkung auf die gesamte Internetbranche, "in der die personenbeziehbare Aufzeichnung des Nutzerverhaltens weiterhin üblich sei." Breyer forderte alle öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder auf, die "rechtswidrige Vorratsdatenspeicherung" bis Jahresende einzustellen, ansonsten würden weitere Klagen folgen.

Die Partei "Die Linke" bezeichnete das Urteil als eine "schallende Ohrfeige für die Pläne der Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung".

Anwalt für Medienrecht: "Keine Grundlagenentscheidung"

Laut Dr. Martin Bahr, Fachanwalt für Medienrecht, mache das Urteil in erster Linie deutlich, dass es dem Gesetzgeber nicht gelungen sei, ein "praxistaugliches Datenschutzrecht zum Online-Bereich" herzustellen, da das Gericht sonst nicht eine so praxisferne Entscheidung hätte fällen müssen. Von einer "Grundlagen"-Entscheidung kann laut Bahr aber nicht gesprochen werden: Es sei das "erste und einzige Urteil, das in diesem Umfang die IP-Speicherung" untersage. Bisher seien hier "differenziertere" Ansichten vertreten worden.

Generell sei beim deutschen Online-Datenschutzrecht "nahezu alles ungeklärt". So habe zwar zum Beispiel der Bundesgerichtshof (BGH) vor einiger Zeit eine Beschwerde der Deutschen Telekom gegen die Entscheidung des Landgericht Darmstadt, dass Internet-Anbieter nur die Verbindungsdaten ihrer Kunden speichern dürfen, die sie für die Rechnungsstellung benötigen, abgelehnt. Dies war aber aus formalen Gründen geschehen, ohne dass der BGH sich mit der Frage befasst habe, ob es sich bei IP-Adressen um "personenbezogene Daten" handele.

Sollte sich die vom Berliner Amtsgerichts vertretene Rechtssicht indes durchsetzen, seinen die Konsequenzen weitreichend: Daraus folgend wäre schon der "bloße Betrieb eines Standard-Webservers a la Apache" rechswidrig, da die IP-Speicherung im Log-File verboten wäre.