Hoaxes

Nonsense-Lexika im Internet treiben Blüten

Wikipedia-Parodien spielen mit der Leichtgläubigkeit der Internet-Nutzer
Von Christian Horn mit Material von dpa

Wichtigster Grundsatz der Satire-Lexika ist das Verdrehen von Tatsachen: Die Macher beteuern beharrlich, die offizielle Wikipedia-Seite sei in Wirklichkeit eine Parodie auf ihre satirischen Pendants und nicht umgekehrt. Um die Verwirrung komplett zu machen, sehen Seiten wie Uncyclopedia.org und Illogicopedia.org [Link entfernt] auf den ersten Blick Wikipedia ganz ähnlich und halten sich auch formal streng an den Aufbau einer gewöhnlichen Enzyklopädie.

Für die Macher ist das Ganze dabei mehr als nur ein Scherz. Denn die Satire der Spaß-Wikis hat einen ernsten Kern: Sie zielt auf die Leichtgläubigkeit ab, mit der manche Surfer Meldungen aus dem Netz aufnehmen. "Das eigentlich Verrückte ist ja, dass es immer wieder Leser gibt, die unseren Unsinn für bare Münze nehmen", sagt Heitsiek.

Besonders Jugendliche vertrauen Befragungen zufolge inzwischen vorwiegend auf das, was ihnen Wikipedia zu einem Thema liefert. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Iconkids & Youth von 2007 glaubt mehr als die Hälfte der 6- bis 19-Jährigen dem Mitmach-Lexikon blind - Seiten wie Spiegel.de halten dagegen nur 40 Prozent für vertrauenswürdig. "Die meisten Jugendlichen sind sehr unkritisch, wenn es um den Umgang mit Informationen aus dem Netz geht", sagt Studienleiter Axel Dammler in München. Wie zum Beispiel die Artikel entstehen, das werde aus Bequemlichkeit oft verdrängt.

Satire-Portale wollen den Blick der Surfer schärfen

"Wer sich richtig informieren will, muss aber immer fragen, woher die Informationen stammen - sonst ist das schnell einseitig", sagt Prof. Lorenz Lorenz-Meyer, der an der Fachhochschule Darmstadt Online-Journalismus lehrt. Es sei daher bedenklich, wenn Surfer Wikipedia als einzige Informationsquelle nutzen und die Einträge nicht hinterfragen. Denn oft genug gebe es bei dem freien Lexikon Meinungsverschiedenheiten über strittige Themen wie den Nahost-Konflikt. Diese führen dann dazu, dass Einträge in sogenannten Edit-Kriegen ständig in die eine oder andere Richtung abgeändert werden.

Genau hierfür wollen auch die Satire-Portale den Blick der Surfer schärfen: So witzeln die Macher von Stupidedia.org, Wikipedia sei dafür bekannt, dass viele Artikel Fehler haben - bei der Scherzversion könnten sich die Leser dagegen darauf verlassen, dass 100 Prozent der Texte Unsinn sind. Die Macher der offiziellen Wikipedia sind über die Spott-Projekte keineswegs sauer. "Wir haben da nichts dagegen", sagt Sprecher Arne Klempert in Königstein im Taunus. "Im Gegenteil: Wenn das hilft, dass die Leute kritischer werden, lassen wir uns gern auf den Arm nehmen."

Wer ein eigenes Spaß-Lexikon ins Netz stellen will, findet unter www.gratis-wiki.com [Link entfernt] oder www.wikia.com Vorlagen. Dort können Surfer Wiki-Software nach dem Vorbild von Wikipedia kostenlos herunterladen und nach ihren Vorlieben anpassen. Derzeit sind auf der Plattform Wikia.com nach deren Angaben schon 5 500 Mitmach-Lexika in mehr als 70 Sprachen zu finden.