praktisch

RFID-Markt wächst unauffällig

Vor allem mittelständische Unternehmen investieren in die Technologie
Von dpa / Anja Zimmermann

Wäre es nach den Vorstellungen der Entwickler gegangen, würde heute auf jeder Milchtüte und auf jedem Joghurtbecher ein Funkchip kleben. Der allgegenwärtige Strichcode hätte ausgedient, genauso wie das Fließband an der Kasse. Stattdessen würde der Kunde seinen Einkaufswagen an einer Antenne vorbeischieben, die alle Waren automatisch erfasst. Die Kassiererin müsste nur noch das Geld in Empfang nehmen. Doch die sogenannte Radiofrequenz-Technologie - kurz RFID - ist in der Realität angekommen. Das Verfahren gedeiht zwar, aber nur im Geheimen.

"Der anfängliche Hype mit dem Ziel, dass alle Artikel im Handel mit RFID jederzeit identifiziert werden können, ist einer realistischen Betrachtungsweise gewichen", fasste es Wolf-Rüdiger Hansen heute auf der Computermesse CeBIT in Hannover zusammen. Hansen steht der deutschen Sektion des Verbandes AIM vor, der sich die RFID-Verbreitung auf die Fahnen geschrieben hat. Sogenannte RFID-Tags sind kleine flache Chips, die eine eindeutige Kennzeichnung von Waren erlauben - ähnlich dem bekannten Strichcode. Die Tags senden ein Signal aus, das von speziellen Antennen aufgefangen wird. Es muss nicht mehr jedes Stück einzeln an einem Scanner vorbeigezogen werden.

Der RFID-Markt wächst jedes Jahr um 10 Prozent

900 Unternehmen haben sich weltweit im Branchenverband AIM zusammengeschlossen. Denn obgleich sich die Funkchips im Handel bislang nicht durchgesetzt haben, werden sie doch fleißig genutzt - vor allem in der Logistik. Einzelne Waren oder ganze Paletten lassen sich damit bestücken und per Funk identifizieren. "Der RFID-Markt wächst jedes Jahr um zehn Prozent", sagte Hansen. Und das, obgleich ganze Branchen die Technik boykottieren. So verlassen sich Fluggesellschaften beim Transport von Gepäckstücken weiter lieber auf den Papieraufkleber. "Es ist denen zu teuer, alle Koffer mit RFID- Tags auszustatten", sagte Hansen. Das habe aber nichts mit der Technik zu tun, sondern sei eine rein betriebswirtschaftliche Erwägung. "Die Technik selbst steht."

Laut Michael ten Hompel, Vorstandsvorsitzender des Informationsforums RFID, nutzen mittlerweile 20 Prozent der mittelständischen Unternehmen die Funkchips, weitere fünf Prozent hätten gerade Projekte laufen. "RFID ist im Mittelstand angekommen", so sein Fazit, der Durchbruch stehe aber noch aus. "Das erwarten wir 2008."

Auf der CeBIT ist eine ganze Halle den Funkchips gewidmet; unter anderem stellt Siemens seine RFID-Lösungen in der Logistik vor. Ein Kongress begleitet die Produktpräsentationen. Sechs Tage lang wird über die Radiofrequenz-Technik debattiert - auch über die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Denn seitdem RFID erfunden worden ist, laufen die Datenschützer Sturm. Ihr Horrorszenario: Dunkle Elemente forschen mit Empfangsteilen die Einkaufstaschen ihrer Mitmenschen aus.

Denn auch nach dem Kauf sendet der Funkchip weiter fleißig sein Erkennungssignal. Das will die EU-Kommission unterbinden und fordert die zwangsweise Deaktivierung an der Kasse. "Zu teuer", sagen die RFID-Lobbyisten und fürchten um die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Funkchip-Branche. Sie preisen die Vorteile der Technik für den Kunden an, etwa die Garantieabwicklung ganz ohne Kassenbon. Der RFID-Tag hat alle nötigen Daten gespeichert.

Bislang ist das Problem aber ohnehin ein akademisches. Erst in wenigen Vorzeigeläden - darunter dem Essener Kaufhof - sind die Funkchips im Einsatz. Da musste auch der deutsche AIM-Verbandschef Hansen einräumen: "Nicht überall lohnt RFID". Manchmal sei der gute alte Barcode einfach ausreichend.