Internet-Soaps

MySpace zeigt eigene Kurz-Serien

Kurze Clips für den schnellen Konsum
Von dpa / Marie-Anne Winter

In silbernen High Heels stöckelt Katja Weilandt über den Rasen. Sie sagt: "Kennst du den Film 'Rainman'? Da macht Dustin Hoffman ein Huhn nach. Das sieht dann ungefähr so aus." Die 26-jährige Blondine im knappen blauen Kleid mit der modischen langen Kette um den Hals streckt ihr Gesäß nach hinten, bewegt den Kopf schnell vor und zurück und die Arme wie zwei Flügel. "Super, das war total gut", sagt Regisseurin Miriam Dehne, lacht lauthals und ist zufrieden. Die nächste Szene kann gedreht werden. Zwei Folgen von "They call us Candy Girls" müssen noch fertig werden und es ist der vorletzte Drehtag.

Am 19. Mai startete die erste deutsche Serie, die nur im Internet zu sehen ist. Auf der Plattform MySpace kann man sich die vier bis fünf Minuten langen Filmchen über die vier Berliner Mädels Soffy, Lola, Kira und Clementine ansehen. Die Handlung ist denkbar einfach: Vier junge Menschen schwanken zwischen Nachtleben, Tanzen, Alkohol und Jungs und der Frage, wann es endlich Zeit ist, erwachsen zu werden. Die ersten sechs Folgen sind bereits im Netz zu sehen, es folgen weitere 14 Episoden. Immer montags und donnerstags gibt es Nachschub für die "Candy"-Fans. Ein Großteil der Serie spielt im Berliner "Club 103".

"Wir wollen keine reine Video-Plattform werden"

Ziel der nach eigenen Angaben größten Kommunikations-Plattform Deutschlands war es, mit der Serie neue Mitglieder anzulocken und die alten Nutzer fester an sich zu binden. "Wir wollen keine reine Video-Plattform werden, sondern die soziale Interaktion und Kommunikation unter den Nutzern fördern", sagt Joel Berger, Managing Director von MySpace Deutschland. Schon mehr als eine halbe Million Nutzer hätten die Mini-Serie angeklickt. Berger: "Drei bis vier solcher Serien wollen wir ab jetzt im Jahr haben, das Genre steht aber noch nicht fest."

Die Filme leben von schnellen Schnittwechseln, der Musik und den hübschen Frauen. Es mutet eher an wie ein Musik-Clip oder ein Werbefilm. "Es geht um kurze Inhalte, die man auf dem Computer schnell konsumieren kann", sagt Georg Ramme von der Produktionsfirma MME. Die Zielgruppe ist 18 bis 35 Jahre alt. "Die Jugendlichen verbringen immer mehr Zeit im Internet und konsumieren da viel schneller. Die Nachfrage nach solchen Serien ist im Moment immens."

Jede der vier Hauptfiguren hat auf MySpace ein eigenes virtuelles Profil, auf dem Fotos, Videos und Tagebucheinträge der Rollen zu finden sind. Neben der 18-jährigen Schülerin Catharina Caterba und Katja, die die Lola spielt, sind noch Lydia Schamschula (26) als Soffy und Aisha Ruof (26) als Kira dabei. Alle vier wohnen in Berlin. Die Nutzer können "Freunde" der vier Darstellerinnen werden, ihnen Nachrichten schreiben oder einen Gästebucheintrag auf der Seite hinterlassen.

Internet-Serien sind nicht jedermanns Geschmack

Und die Meinungen sind sehr geteilt. Von großer Begeisterung bis zerschmetternder Kritik ist alles dabei. "Langweilig", "flach" und "niveaulos" sind dabei noch eher harmlose Kommentare. "Kritik muss man eben aushalten", sagt Berger. Regisseurin Dehne reagiert empfindlich. "Es ist mein Baby", sagt die blonde Frau und will ihre vier Schützlinge vor zu herben Enttäuschungen durch die Medien schützen. Sie hatte bei Drehbuch und Regie fast vollständig freie Hand. Auch die Darstellerinnen waren ihre Wahl.

"Wichtig war, dass die Mädels schauspielern können und dass man ihnen glaubt, dass sie aus dem Nachtleben kommen und sich darin zurecht finden", sagt Dehne. Sie selber war jahrelang in Clubs unterwegs und kennt die Szene genau. Ihr ist auch wichtig zu betonen, dass es keine Seifenoper ist, sondern eine Internet-Serie: "Die Candy Girls sind viel zu monothematisch für eine Soap." Den Inhalt beschreibt Dehne so: "Es geht um dieses Alter Anfang bis Mitte 20, wo man sich entscheiden muss, was man weiter im Leben macht. Es gibt so viele Leute, die vergammeln im Nachtleben." Eine Botschaft habe sie dabei jedoch nicht.