Unschuldslämmer

Prozess: freenet-Chef Spoerr beteuert Unschuld

Verkauf der Aktien wäre schon Monate geplant gewesen
Von dpa / Anja Zimmermann

Der wegen verbotener Insidergeschäfte vor dem Landgericht Hamburg angeklagte Vorstandschef des Telekommunikations-Unternehmens freenet, Eckhard Spoerr, hat zu Prozessauftakt seine Unschuld beteuert. Auch der ebenfalls angeklagte Finanzvorstand Axel Krieger wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern vor, im Juli 2004 als Manager des Hamburger Internet-Dienstleisters freenet.de jeweils rund 60 000 Aktien ihrer Firma aus einem Sondervergütungsprogramm für den Vorstand verkauft zu haben, kurz bevor der Aktienkurs wegen der Veröffentlichung eines negativen Quartalsberichts einbrach. Sie sollen dadurch jeweils rund 1,17 Millionen Euro verdient haben.

Bei den Transaktionen hätten die Angeklagten ihr Sonderwissen über die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens "zielgerichtet" eingesetzt, sagte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage. Im zweiten Quartal 2004 war der Umsatz von freenet.de nach einer drei Jahre langen Steigerungsphase laut Anklageschrift um etwa 16 Prozent zurückgegangen. Nach der Veröffentlichung der entsprechenden Zahlen im Quartalsbericht vom August war der Börsenkurs dann um etwa ein Viertel abgesackt. Spoerr und Krieger hätten dies vorhergesehen und die Aktien rechtzeitig auf dem höheren Kursniveau verkaufen wollen.

Verkauf war längst beschlossen

Die Angeklagten wiesen dies energisch zurück. Sie hätten den Verkauf der zu einem feststehenden Termin angebotenen Aktien aus dem Optionsprogramm für den Vorstand schon Monate zuvor beschlossen, sagte Spoerr: "Der Verkauf der Aktien 2004 beruht allein auf einer im Herbst 2003 gemeinsam mit Herrn Krieger getroffenen Entscheidung, die Aktien zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu veräußern. Dies hatte nichts mit Quartalszahlen zu tun." Schon im August 2003 hätten sich alle Vorstände gemeinsam verpflichtet, Aktien aus Sondervergütungen sofort zu verkaufen, damit der Markt nicht durch Spekulationen des Managements mit Wertpapieren der eigenen Firma verunsichert werde.

Auch die Geschäftsentwicklung von freenet.de sei zum Zeitpunkt der fraglichen Aktiengeschäfte allgemein bekannt gewesen, sagte Spoerr vor Gericht. Die Umsatzerwartungen seien von ihm selbst öffentlich kommuniziert worden und habe die Marktteilnehmer nicht überrascht. Finanzvorstand Krieger betonte ebenfalls, man habe schon aus diesem Grund nicht von angeblichem Sonderwissen profitieren können: "Nach meiner Meinung habe ich keine Kenntnisse von Insider-Tatsachen ausgenutzt. Unsere Position war überall bekannt."

Spoerr vor Rücktritt

Der Internetdienstleister freenet.de war im März 2007 mit dem Mutterkonzern mobilcom zur freenet AG verschmolzen. Spoerr hatte die Leitung des neuen Unternehmens mit Sitz in Büdelsdorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) übernommen, auch Krieger wechselte in den Gesamtvorstand. Nach einem Machtkampf mit freenet-Großaktionären hatte Spoerr kurz vor Weihnachten seinen Rücktritt zum 23. Januar angekündet.

Hintergrund des Streits war unter anderem die schlechte Kursentwicklung des Telekommunikations-Konzerns, der in Deutschland nach eigenen Angaben 19 Millionen Mobilfunkkunden und einen Marktanteil von rund 20 Prozent hat. Auch Differenzen über einen Verkauf der freenet-Festnetzsparte spielten eine Rolle.

Insidergeschäfte sind in Deutschland durch das Gesetz über den Wertpapierhandel verboten. Bei Verstößen sieht dieses eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Für den Prozess gegen Spoerr und Krieger sind laut Gericht insgesamt vier Verhandlungstage vorgesehen. Nächster Termin ist der kommende Freitag.