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Russisches Chat-Roulette ruft Medienwächter auf den Plan

Portal verbindet Wildfremde per Webcam, Pornographie inklusive
Von dpa / Lars Hessling

Klick. Ein Fremder. Mit Maske. Klick. Noch ein Fremder. Schlaftrunken. Klick. Das Internet-Video-Portal Chat-Roulette ist zurzeit im Netz der letzte Schrei. Per Zufallsgenerator werden Menschen aus aller Welt zusammengewürfelt, können sich plötzlich mit Hilfe von Webcam und Mikrofon sehen und hören. Ausgedacht und programmiert hat Chat-Roulette Andrej Ternowski, ein 17-jähriger Moskauer. Inzwischen sind Jugendschützer und Medienwächter in Deutschland auf das unkontrollierte Treiben aufmerksam geworden. Offiziell will man sich noch nicht äußern, aber die Prüfung läuft.

Das Prinzip von Chat-Roulette ist einfach: Eine sehr schlichte Website verbindet Unbekannte rund um den Globus. Wer nicht gefällt, wird mit der Taste F9 weggedrückt. Die Teilnahme ist kostenlos, unverbindlich und anonym. Man muss sich weder anmelden noch registrieren. Nur die Webcam muss eingeschaltet sein, um beim Zufalls-Chat mitmachen zu können. Und dann gehts los.

Konversationen finden im Schnellverfahren statt

Zugang nur mit Webcam bei Chat-Roulette Chat-Roulette erlaubt nur Nutzern mit Webcam den Zugang zum Angebot.
Screenshot: teltarif.de
Drei Regeln seien zu befolgen, heißt es auf der Internetseite des jungen Erfinders: Die Teilnahme ist erst ab 16 Jahren erlaubt, die Kleidung soll anbehalten werden. Unanständigkeiten werden drittens mit der erst kürzlich eingerichteten "Report"-Funktion geblockt und zugleich gemeldet.

Im Grunde besteht Chat-Roulette aus zwei Fenstern. Das untere mit dem eigenen Live-Bild, das obere mit dem der Zufalls-Bekanntschaft, einem wildfremden, zufällig ausgewählten Menschen. Meist ohne Ton, verständigt wird sich über die Chat-Funktion. Zumindest bis zum nächsten F9-Klick, oft nach wenigen Sekunden. Selten kommt es zum längeren Austausch, die Konversation findet in Sekunden-Sequenzen statt, die Zufalls-Bekanntschaft bleibt eine äußerst flüchtige Begegnung.

Anzüglichkeiten sind keine Seltenheit

Ganze Gruppen hocken als Gaudi vor der Kamera. Ein netter Plausch mit einer freundlichen Frau aus Venezuela, ein Musiker, der sich präsentiert - der Zeitvertreib hat Sucht-Potenzial. Aber wer und was da in die Wohnungen flimmert, ist in dem Moment unkontrollierbar. Entsprechend gering ist die Hemmschwelle: Pornographie schwappt live auf den Bildschirm. Junge Männer werden sofort sexuell anzüglich, wenn sie eine Frau erblicken. Exhibitionisten müssen nicht mehr vor die Tür. Es bleibt die Taste F9 zur Flucht. Klick.

Eigentlich hatte der Gymnasiast Ternowski die Seite für sich und seine Freunde programmiert. Inzwischen redet die Welt darüber. Seitdem Chat-Roulette vor vier Monaten online gestellt wurde, haben laut Google bereits 2,6 Millionen Menschen die Seite aufgerufen.

Für Medienanfragen ist Ternowski derzeit äußerst schwer zu erreichen. Investoren jagen den Jung-Unternehmer. Auch Skype und Google sollen bereits vorstellig geworden sein. Chatroulette gilt als Goldgrube. Und bereits jetzt scheffelt der Nachwuchs-Unternehmer durch einen Werbelink Geld - in Deutschland etwa zu einem Internet- Partnerschafts-Portal.