Digital Radio

Privatsender wollen Neustart von DAB platzen lassen

ARD erzürnt über Ankündigung des Privatfunkverbandes VPRT
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Der Neustart des digitalen Radios im Standard DABplus steht in Deutschland vor dem Aus. Der Verband privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) will sich bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 25. Juni gegen einen solchen Neubeginn des digital-terrestrischen Hörfunks aussprechen, wie der Vorsitzende des Fachbereichsvorstandes Radio und Audiodienste, Hans-Dieter Hillmoth, in einem Interview mit dem Branchendienst Kontakter ankündigte.

Die ARD hat auf diese Ankündigung mit Empörung reagiert. "Mit einer Absage an DABplus würde der VPRT die Zukunft des Radios verzocken" sagte Bernhard Hermann, der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission. Diese Haltung sei aus Sicht des VPRT sogar nachvollziehbar, aber zu kurz gedacht, weil sie die Mediennutzungsbedürfnisse junger Menschen ignoriere, so Hermann weiter: "Die kommerziellen Radioveranstalter verdienen seit Jahren gutes Geld. Das wollen sie nicht gefährden, denn der Einstieg in digitales Radio würde Investitionen erfordern. Dies würde dann natürlich den Gewinn der Gesellschafter schmälern."

Im übrigen sei die Einschätzung von Hillmoth nicht richtig, dass es keine vernünftigen Geschäftsmodelle gebe, so der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust. Die ARD habe Konzepte für digitales Radio entwickelt, die den Erwartungen an individuelle, multimediale und der jeweiligen Alltagssituation angepasste Nutzung entsprechen und neben dem Live-Radio quasi ein Radio "on demand" beinhalten. "Diese Konzepte, die sehr wohl Spielraum für eine kommerzielle Nutzung beinhalten, hat die ARD dem VPRT vorgestellt und eine Zusammenarbeit angeboten", erläuterte Boudgoust. Für die ARD gehe es jetzt darum, diese Konzepte in der Praxis zu überprüfen, erklärte Bernhard Hermann. Deshalb habe sie bei der KEF beantragt, die in die heutige Gebühr bereits eingerechneten 30 Millionen Euro frei zu geben. Der VPRT wolle die Freigabe dieser Mittel offenbar verhindern und bezeichne die Digitalradioversuche als eine Art Marktbesetzung. Hermann: "Dies ist reine Interessenpolitik, bei der kurzfristiger Shareholder Value vor der Zukunftssicherung des Radios kommt."

Internet keine Alternative zu DABplus

Die von den Privaten präferierte Verbreitung von digitalem Hörfunk über das Internet sei eine wichtige Ergänzung aber keineswegs eine Alternative zu einem eigenständigen digital-terrestrischen Verbreitungsweg: In vielen Gebieten ist laut ARD die Nutzung des Internets als Verbreitungsweg für Radioprogramme noch sehr unkomfortabel, und zudem kostenintensiv. Jeder Sender müsse für jeden einzelnen Hörer oder Nutzer, der im Internet Radio hört, bezahlen - ebenso wie der Nutzer selbst. Mobiles Internet in ganz Deutschland - mit der Qualität, wie sie UKW heute für Radio bietet - sei noch lange nicht in Sicht. Ein Verzicht auf Digitalradio würde bedeuten, sich von einer europäischen Entwicklung abzukoppeln und darauf keinen Einfluss mehr nehmen zu können.

VPRT: DAB läuft auch in anderen europäischen Ländern schlecht

Der Vorsitzende des Fachbereichsvorstandes Radio und Audiodienste im VPRT, Hans-Dieter Hillmoth, erwiderte inzwischen wiederum zur ARD-Kritik, die kritische Position des VPRT zu DABplus sei "sowohl mit Blick auf die mangelnde Marktfähigkeit des Systems als auch mit Blick auf die fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten ausführlich begründet und getragen von dem Interesse, die Überlebensfähigkeit des privaten Radios auch in der digitalen Welt zu sichern. Wir investieren in eine Vielzahl digitaler Projekte und zwar auch und gerade da, wo die jungen Hörer sind - aber wir müssen das Geld auch wieder aus dem Markt zurückverdienen." Dass die gebührenfinanzierten Anstalten keinerlei Verständnis für die Notwendigkeit der Refinanzierung von Investitionen aufbrächten sei verständlich vor dem Hintergrund der jahrzehntelang geübten Praxis, dass ein Mehrbedarf an Geld bei der ARD schlicht bei der nächsten Gebührenrunde auf die Schultern der Gebührenzahler abgewälzt werde. "Unglaublich", so Hillmoth, "wie unbefangen die ARD die enorme Summe von 30 Millionen Euro in 'Digitalradio-Versuche' stecken will, wo doch ihre Konzepte mit Blick auf die Zukunftstauglichkeit des Systems weder den VPRT und nicht einmal die KEF überzeugt hätten.

Gerne trete der VPRT mit der ARD in eine sachliche Diskussion zu den Argumenten für und gegen DABplus ein. Allerdings erwarte der Verband, dass sich die Anstaltskollegen dann auch umfassend über die tatsächliche und aktuelle Lage im deutschen Markt und in Nachbarstaaten informierten. Laut Hillmoth breche in Großbritannien derzeit der Radiomarkt zusammen und außer der gebührenfinanzierten BBC habe kein privater Radioanbieter eine realistische Überlebenschance in DAB. In der Schweiz sei DAB in "Wartestellung" und in Dänemark könnten nur rund 750 000 Menschen 18 DAB-Programme empfangen. Solchen Beispielen wolle das private Radio nicht folgen.