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Tapferer Staatsanwalt


06.06.2013 14:15 - Gestartet von Kai Petzke
Wow, hier ist ein tapferer Staatsanwalt zugange: Nachdem der Händler auf die direkte Anfrage nach den Daten des/der Gutschein-Nutzerin nicht reagierte, probierte er es noch über zwei Instanzen hinweg vor Gericht.

Wo aber soll in der Sache hier bitteschön ein "Computerbetrug" liegen? Der/die Gutscheinnutzerin hat diesen ja direkt an die eigene Mailbox übersendet bekommen. Computerbetrug wäre es, wenn sie sich in eine fremde Mailbox eingehackt hätte.


Kai
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[1] grafkrolock antwortet auf Kai Petzke
06.06.2013 14:26
Benutzer Kai Petzke schrieb:
Computerbetrug wäre es, wenn sie sich in eine fremde Mailbox eingehackt hätte.
Man kann aber auch argumentieren, daß man an einer erkennbar fehlgeleiteten Sache kein Eigentum erwirbt. Analog etwa zu einer irrtümlichen Banküberweisung auf ein falsches Konto.
Mit Hilfe dieses Gutscheins nun einen Kauf zu tätigen, könnte durchaus den Tatbestand des Betruges erfüllen, denn es ist zu diesem Zeitpunkt schon absehbar, daß irgendwer das Geld zurückfordern würde. Erfolgt dennoch bewußt ein Kauf, kann man in der Tat Vorsatz unterstellen.

So gesehen war das Urteil durchaus nicht von vornherein klar.
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[1.1] ronfein antwortet auf grafkrolock
06.06.2013 14:39
Benutzer grafkrolock schrieb:
Benutzer Kai Petzke schrieb:
Computerbetrug wäre es, wenn sie sich in eine fremde Mailbox eingehackt hätte.
Man kann aber auch argumentieren, daß man an einer erkennbar fehlgeleiteten Sache kein Eigentum erwirbt.
>
Das ist aber gar nicht Gegenstand des Urteils. Es wurde lediglich festgestellt, dass keine Straftat vorliegt. Zivilrechtsansprüche dürften trotzdem bestehen, welche sich aber mangels Kenntnis des "Schädigers" nicht durchsetzen lassen.
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[1.1.1] BartS antwortet auf ronfein
06.06.2013 14:43
Benutzer ronfein schrieb:
Das ist aber gar nicht Gegenstand des Urteils. Es wurde lediglich festgestellt, dass keine Straftat vorliegt. Zivilrechtsansprüche dürften trotzdem bestehen, welche sich aber mangels Kenntnis des "Schädigers" nicht durchsetzen lassen.

Dann ist hier aber eindeutig der Händler gefragt.
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[1.1.2] grafkrolock antwortet auf ronfein
06.06.2013 14:46
Benutzer ronfein schrieb:
Das ist aber gar nicht Gegenstand des Urteils. Es wurde lediglich festgestellt, dass keine Straftat vorliegt.
Eben, aber das hätte auch anders ausgehen können. Gutschein kommt, erkennbar falsch zugestellt, ich gehe damit einkaufen, obwohl es passieren kann, daß die Knete zurückgeht, eventuell sogar vom Händler zurückgefordert wird und der auf dem Schaden sitzen bleibt -> Betrug.
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[1.2] BartS antwortet auf grafkrolock
06.06.2013 14:41
Ich halte es sogar für ein eindeutiges Fehlurteil. Das hieße ja übertragen, wenn man versehentlich Geld auf ein falsches Girokonto überweist, dürfte der Empfänger das Geld behalten.

In dieser Sache ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen, ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass diese Rechtsprechnung Bestand hat.
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[1.2.1] paeffgen antwortet auf BartS
06.06.2013 15:20
Benutzer BartS schrieb:
Ich halte es sogar für ein eindeutiges Fehlurteil. Das hieße ja übertragen, wenn man versehentlich Geld auf ein falsches Girokonto überweist, dürfte der Empfänger das Geld behalten.

Behalten wohl nicht. "Gutgläubig und schnell weg damit."

In dieser Sache ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen, ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass diese Rechtsprechnung Bestand hat.

Vor Gericht und auf hoher See ... halte ich nichts für völlig ausgeschlossen.

Prost!
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[1.2.2] Robophone antwortet auf BartS
06.06.2013 15:20
Benutzer BartS schrieb:
Ich halte es sogar für ein eindeutiges Fehlurteil. Das hieße ja übertragen, wenn man versehentlich Geld auf ein falsches Girokonto überweist, dürfte der Empfänger das Geld behalten.

Du übersihst aber, dass es 2 unterschiedliche Sachen sind. Der Gutschein ist zwar Geldwert, aber es hängt vom konkreten Sachverhalt ab, ob eine Straftat vorliegt oder nicht.

Ich glaube, dass die Richter genau überprüft hatten, welcher Händler und mit welchem Jahresumsatz betroffen waren.

Es können keine allgemeine Urteile gefällt werden, sondern konkrete Urteile, die genau auf den vorliegenden Sachverhalt zugeschnitten sind.

Obwohl ich den Sachverhalt nicht kenne, vermute ich, dass es sich um eine sehr reichen Onlinehändler geht, dem diese Gutschein keinerlei Schaden gemessen an seinem jährlichen Umsatz und Gewinn verursacht hatte, sonst würden die Richter nicht pro Kunde entscheiden.

Wäre der Händler dagegen ein armer Kleinhändler gewesen, der um jeden Cent-Umsatz kämpfen muss und dann noch Schaden durch Gutscheinirrtum einstecken muss, dann hätte ich dir Recht gegeben und die Richter sollten gegen den Kunden entscheiden.

Wie Ihr sieht, hängt das Urteil von der wirtschaftlichen Macht der Geschädigten bzw des Schädigers ab!


In dieser Sache ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen, ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass diese Rechtsprechnung Bestand hat.

Ich behaupte aufgrund meines obigen Beitrages, dass genau in dieser Sache das letzte Wort gesprochen wurde. Der Händler hat kein finanzielles Schaden in weiteren Sinne erleidet und der Kunde kann getrost aufatmen, dass er kein Schadensersatz in diesem Falle samt Gutscheinwert an den Händler zurückzahlen muss.


Die Rechtssprechung wird sich immer hin-und her pendeln, weil es unterschiedliche Sachverhalte und wirtschaftliche Verhältnisse geben wird, für die es keine pauschalierte Rechtssprechung geben wird.

Daher brauchen wir die Gerichte, weil es jedesmal was anderes rauskommt.

Sonst könnte man alles durch Militärgerichte entscheiden lassen und es gäbe viele Erschossene danach, wenn ich deiner Logik folgen würde.

Der Staatsanwalt ist nicht tapfer, sondern berufserfahren!
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[1.2.2.1] Hightower antwortet auf Robophone
06.06.2013 15:57
Den Fehler hat die Käuferin des Gutscheins gemacht. Nicht der Händler. Aus diesem Grund entsteht auch dem Händler kein Schaden.
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[1.2.3] ronfein antwortet auf BartS
06.06.2013 15:21
Benutzer BartS schrieb:
Ich halte es sogar für ein eindeutiges Fehlurteil. Das hieße ja übertragen, wenn man versehentlich Geld auf ein falsches Girokonto überweist, dürfte der Empfänger das Geld behalten.

Nein das heißt es nicht. Es heißt lediglich, dass Du das Geld abheben und ausgeben darfst und dabei keine Straftat begehst. Dass Du das Geld nach Aufforderung zurückzuzahlen hast, darüber macht das Urteil keine Aussage.
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[1.2.4] Leiter Kundenverarsche³ antwortet auf BartS
06.06.2013 16:13

einmal geändert am 06.06.2013 16:16
Benutzer BartS schrieb:
Ich halte es sogar für ein eindeutiges Fehlurteil. Das hieße ja übertragen, wenn man versehentlich Geld auf ein falsches Girokonto überweist, dürfte der Empfänger das Geld behalten.

In dieser Sache ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen, ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass diese Rechtsprechnung Bestand hat.

Nein, du liegst damit komplett falsch.
Das Urteil war zu erwarten und ist rechtsdogmatisch völlig korrekt.

Einschlägig ist hier die ZIVILRECHTLICHE Norm § 812 BGB.
Lies sie bitte und du wirst es hoffentlich verstehen.
Wie man diesen Sachverhalt überhaupt STRAFRECHTLICH (!!!) behandeln will, erschließt sich mir nicht.

Der Staatsanwalt muss wohl bescheuert sein oder er ist ein "Einsern00b", der frisch von der Uni kommt...

Für die Leute, die es anhand § 812 BGB immernoch nicht verstehen sollten nochmal ganz kurz im (hoffentlich verständlichen) Klartext;
Der Fall mit dem Gutschein per E-Mail ist analog zu einer klassischen Fehlüberweisung beim Onlinebanking zu behandeln.

Es ist demnach keine Straftat, wenn der falsche Empfänger den Gutschein verwendet/ das überwiesene Geld ausgibt. Der Irrtum/ Fehler geht schließlich eindeutig allein zu Lasten des Absenders.
Dieser Absender wiederum hat aber, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, nach § 812 BGB einen Herausgabeanspruch gegenüber dem flaschen Empänger auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung.
Dieser (und nur dieser!) Herausgabeanspruch ist zivilrechtlich einklagbar vorm örtlich zuständigen Amtsgericht. Völlig banal.
Das ist kein Sensationsurteil mit irgend einer besonderen Signalwirkung.

Problematisch wird die Sache für den Versender dann, wenn der Empänger ein armer Schlucker ist und nach Verbrauch nichts mehr herausgeben kann. Der Gutschein wäre schließlich eingelöst und Geldleistung als Surrogat scheidet dann (je nach Billigkeit) aus.
Kennt einer von euch eine Statistik darüber, wie viele Obdachlose ein E-Mail-Postfach unterhalten? Das wäre jedenfalls ein plastisches Beispiel dafür, wie § 812 BGB auch mal ins Leere laufen kann. ;-)
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[1.2.4.1] Hightower antwortet auf Leiter Kundenverarsche³
06.06.2013 16:28


Aber um Deine Ansprüche durch zu setzen, müsstest Du wissen wer den Gutschein unberechtigt empfangen hat. Und bei der Überweisung bist Du auf die Bank angewiesen, die sich aber normalerweise querstellen (Herausgabe von Kundendaten) sollte. Und das Gleiche passiert hier beim Online-Händler.

Oder wie verhalten sich Banken, wenn ich ihnen mitteile, dass ich eine Überweisung an den falschen Empfänger getätigt habe?
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[1.2.4.1.1] Highway antwortet auf Hightower
06.06.2013 21:09
Benutzer Hightower schrieb:>

Oder wie verhalten sich Banken, wenn ich ihnen mitteile, dass ich eine Überweisung an den falschen Empfänger getätigt habe?

Ich kann nur wiedergeben, wie sie sich verhalten müssen:

Der Zahler kann gem. § 675y Abs. 3 BGB von seiner Bank verlangen, dass diese sich - ggf. gegen Entgelt - bemüht, den irrtümlich überwiesenen Zahlungsbetrag wiederzuerlangen. Ist das nicht (mehr) möglich, besteht immerhin ein Auskunftsanspruch gem. § 675y Abs. 5 BGB analog. Die Empfängerbank ist ihrerseits im Interbankenverhältnis aus § 241 Abs. 2 BGB zur Angabe des Zahlungsempfängers verpflichtet.

Vorliegend wird ein Auskunftsanspruch der Gutscheinkäuferin gegen den Online-Verkäufer auf Mitteilung der für die Verfolgung ihres Kondiktionsanspruchs erforderlichen Daten nach Treu und Glauben (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) herzuleiten sein. Das Auskunftsinteresse der Käuferin dürfte hierbei das Geheimhaltungsinteresse des infolge der Einlösung des Gutscheins ungerechtfertigt Bereicherten überwiegen.

Dieser Auskunftsanspruch ist jedoch bei Notwendigkeit vor den Zivilgerichten durchzusetzen und nicht über die Staatsanwaltschaft.
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[1.2.4.1.1.1] Hightower antwortet auf Highway
07.06.2013 10:09
Danke für Deine Ausführungen!
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[1.2.4.1.1.1.1] Leiter Kundenverarsche³ antwortet auf Hightower
12.06.2013 11:39
Benutzer Hightower schrieb:
Danke für Deine Ausführungen!

Ja, die waren die perfekte Ergänzung zu meinen Ausführungen
und völlig korrekt. ;-)
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[1.2.5] sp33 antwortet auf BartS
06.06.2013 23:27

Ich halte es sogar für ein eindeutiges Fehlurteil. Das hieße ja übertragen, wenn man versehentlich Geld auf ein falsches Girokonto überweist, dürfte der Empfänger das Geld behalten.

Also erstmal - es ist kein Urteil. Und dann: Das Gericht hat festgestellt, dass keine Straftat vorliegt. Das bedeutet nicht, dass er den Gutschein oder den Gegenwert behalten darf. Überweist jemand Geld auf Dein Konto und Du gibst es aus ist es ja auch kein Betrug (denn es fehlt an einer Täuschungshandlung). Das Zivilrecht bietet hier sogar Möglichkeiten, dass nicht einmal eine Rückzahlung erfolgen muss.

Im vorliegenden Fall wird man wahrscheinlich zur Erkenntnis kommen, dass ein Schadensersatzanspruch besteht. Aber man muss einfach mal festhalten, dass in Deutschland nicht alles was nicht erlaubt ist auch strafbar i.S. des Strafrechts ist. Wäre auch schlimm, dann müsste man wegen jedem Falschparken und Nichtblinken in den Knast..


In dieser Sache ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen, ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass diese Rechtsprechnung Bestand hat.

Ich befürchte für Dich, die Sache ist zu Ende gesprochen. Mir, und dem Gericht ja offensichtlich auch nicht, fällt kein Straftatbestand ein der greifen könnte: Computerbetrug scheidet aus, weil die Daten des Gutscheins korrekt waren und somit kein Computer "getäuscht" wurde. Betrug scheidet aus, weil der Gutschein echt war und offenkundig übertragbar und nicht Namensgebunden.