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Call-by-Call im Ortsnetz?!


27.06.2001 16:19 - Gestartet von fkm
Noch keiner konnte mir meine Frage beantworten:

Ab wann gibt es in Deutschland auch Call-by-Call im eigenen Ortsnetz?

Laut EU-Verordnung sollte dies doch längst möglich sein!

siehe auch:

https://www.teltarif.de/arch/2000/kw41/...
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[1] fruli antwortet auf fkm
28.06.2001 17:28
Benutzer fkm schrieb:

Ab wann gibt es in Deutschland auch Call-by-Call im eigenen Ortsnetz?

Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht: in 2-3 Jahren ;-(( (s.u.) - bis dahin werden aber ohnehin wahlweise Ortsnetz-Flat-Tarife üblich sein, und damit bränge das ganze dann nicht mehr viel...

Laut EU-Verordnung sollte dies doch längst möglich sein!

Eben nicht. Leider handelt es sich dabei nicht um eine EU-Verordnung, wie der von dir angefuehrte Teltarif-Artikel anführt, sondern nur um eine Richtlinie, bei der die EU-Staaten ziemlich schlampen und verschleppen können.


Diese in diesem Teltarif-Artikel angesprochene EU-Verordnung 2887/2000 bezieht sich aber nicht auf Call-by Call/Preselection im Ortsnetz, sondern auf die Entbündelung der letzten Meile, die erst zum Januar 2001 erfolgen musste. Diese seit Januar 2001 als unmittelbar geltendes nationales Recht (im Unterschied zu einer Richtlinie, die erst in nationales Recht umgesetzt werden muss) gueltige EU-Verordnung hierzu kann man uebrigens hier nachlesen:

http://europa.eu.int/eur-lex/de/lif/dat/2000/de_300R2887.html
300R2887
Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum
Teilnehmeranschluss (Text von Bedeutung für den EWR) Amtsblatt Nr. L
336 vom 30/12/2000 S. 0004

Call-by-Call/Preselection im Ortsnetz wird dagegen von den EU-Richtlinien 97/33/EG & 98/61/EG vorgeschrieben:

http://europa.eu.int/eur-lex/de/consleg/main/1997/de_1997L0033_index.html
Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im
Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der
Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen
Netzzugang (ONP)

http://europa.eu.int/eur-lex/de/lif/dat/1998/de_398L0061.html
398L0061
Richtlinie 98/61/EG des Europaeischen Parlaments und des Rates vom
24. September 1998 zur AEnderung der Richtlinie 97/33/EG
hinsichtlich der UEbertragbarkeit von Nummern und der
Betreibervorauswahl Amtsblatt nr. L 268 vom 03/10/1998 S. 0037 -
0038

Da die BRD diese Richtlinien im Ortsnetz nicht umgesetzt hat, hat die EU-Kommission im Juni 2000 ein förmliches Vergragsverletzungsverfahren gegen die BRD eingeleitet:

http://europa.eu.int/rapid/start/cgi/guesten.ksh?p_action.gettxt=gt&doc=IP/00/619|0|AGED&lg=DE
Telecommunications: Commission opens infringement proceedings
against Germany and UK
DN: IP/00/619 Date: 2000-06-15
Brüssel, den 15. Juni 2000
Telekommunikation: Die Kommission leitet
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und das VK ein

[...] Nach der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG in der durch
die Numerierungsrichtlinie 98/61/EG geänderten Fassung hätte die
Betreibervorauswahl spätestens zum 1. Januar 2000 u.a. in
Deutschland und dem Vereinigten Königreich möglich sein müssen.

[...] Die Vertragsverletzungsverfahren betreffen die unzureichende
Anwendung der Numerierungsrichtlinie in Deutschland (keine
Betreibervorauswahl bei Ortsgesprächen) [...]

https://www.teltarif.de/arch/2000/kw24/...


Die DTAG-Hauptaktionärin BRD verschleppt die Einführung aber mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, wie das u.a. Gerichtsurteil des LG Köln zum Teledump-Fall belegt:

http://www.jurpc.de/rechtspr/20010024.htm

LG Köln Urteil vom 30.11.2000
84 O 127/00
Call-by-Call Gespräche im Ortsnetz
JurPC Web-Dok. 24/2001, Abs. 1 - 22

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie 98/61 EG hätte die Bundesrepublik spätestens zum 1.1.2000 Call-by-Call-Gespräche im Ortsnetz ermöglichen müssen. Da eine entsprechende Umsetzung bislang nicht erfolgt ist, hat die EU-Kommission im Juli 2000 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Bundesregierung hat hierzu mit Schreiben vom 4.10.2000 Stellung genommen. Sie beruft sich darauf, daß bislang die betreffenden Passagen der Richtlinie anders verstanden worden wären und die EG-Kommission offenbar erst seit kurzem darunter auch die Verpflichtung zur Betreiberauswahl auf lokaler Ebene verstehe. Im Hinblick auf das abweichende Verständnis sei im Markt ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der nur Schritt für Schritt und nicht kurzfristig geändert werden könne. Gegenwärtig fehle in Deutschland noch ein regulatorisches Modell zur Einführung der Betreibervorauswahl innerhalb eines Teilnehmernetzes auf Ortsebene mit einem entsprechenden Zeitplan. Im Hinblick auf die Komplexität der Problematik erscheine ein Zeitrahmen von mindestens zwei bis drei Jahren zur Entwicklung eines Konzeptes zur partiellen oder umfassenden Einführung der Betreibervorauswahl im Ortsnetz realistisch.
** zitat ende **

Welche 'Komplexität der Problematik' meint die Bundesregierung damit? Die Umstellung der DTAG-Vermittlungsstellen, so daß bei Ortsgesprächen mit Verbindungsnetz­betreibervorwahl und mitgewählter Ortsvorwahl das Gespräch nicht mehr von der DTAG gekapert, sondern stattdessen an den gewählten Verbindungsnetzbetreiber weitergeleitet wird?

In vielen Nachbarländern wie Frankreich, Österreich & der Schweiz sind Ortsgespräche über alternative Verbindungsnetzbetreiber seit Anfang an möglich -- wo ist also die Komplexität? Liegt sie darin, der DTAG Milliarden-Einnahmen an Defacto-Monopol-Ortsnetz-Wuchergewinnen mit ihrem Ortsnetz-Wuchertarif von 8Pf/Min 90s-Takt zur Geschaeftszeit nicht mehr einspielen zu können, so dass der DTAG-Aktienkurs etwas sinkt??

Im übrigen sind aber auch die VNB-Mitbewerber selbst schuld, da sie existierende Möglichkeiten zur Ortsgesprächsvermittlung nicht nutzen:

So ist es beispielsweise der DTAG im Gegensatz zu normaler 010xx-Interconnection vom Typ Telekom-B.2 (Verbindungen aus dem Telefonnetz national der Telekom zu ICP als Verbindungsnetzbetreiber ) bei Interconnection vom Typ Telekom-O.5 (Verbindungen aus dem Festnetz national der Telekom zum Freephone-Service von ICP unter der Dienstekennzahl 0800 oder 0130) und vom Typ Telekom-Z.9 (Verbindungen aus dem Telefonnetz national der Telekom zum Service 0190-0 von ICP - im Offline-Billing-Verfahren -) nicht möglich, den Verbindungsnetzbetreibern die Vermittlung von Ortsgesprächen zu untersagen, da ansonsten ja kein Hamburger eine in Hamburg terminierende 0800-Service- oder 01900-Mehrwertdienste-Nummer anrufen könnte.

http://www.regtp.de/reg_tele/01434/05/

Bei Interconnection vom Typ Telekom-O.5 (0800) ist offenes Call-by-Call ohne Vertragsbindung IMHO nicht möglich, da wohl kein DTAG-Inkasso
ohne Anmeldung dafür möglich ist.

Bei Interconnection vom Typ Telekom-Z.9 (0190-0) dagegen ist DTAG-Inkasso jederzeit möglich und so wären Ortsgespräche im offenen Call-by-Call über 01900 sehr wohl möglich.

Falls die DTAG bzw. übelgesonnene Mitbewerber dagegen mit dem Argument 'Ortsgespräche sind keine Mehrwertdienste' vorgehen sollten: einfach an den Anfang eine kurze Sponsoransage ('Gespräch sponsored by Maggi' o.ae) analog zur Teledump/01051-Gebührenansage schalten - damit ist das ganze Werbetelefonie und als solches ein Mehrwertdienst.

Geschaeftskunden werden im übrigen von alternativen VNBs schon längst über die 0800-Routing-Methode Ortsgespräche ermöglicht - etwa von Microcall oder von NetNet.

Zum anderen kann man aber schon heute als Privatkunde per Calling-Card mittels Callthrough tagsüber die teuren DTAG-Ortsgesprächs-Monopol-Wucher-Gebühren von 8 Pf/Min 90s-Takt umgehen: Deutschlandweite Festnetzgespräche - auch ins eigene Ortsnetz - sind bereits für 6 Pf/Min mit Minutentakt zu haben. http://www.telegut.de/calling/calling.htm

So long.
Ulrich
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[1.1] fkm antwortet auf fruli
29.06.2001 11:40
Danke für die ausführlichen Infos!!!

Ab wann gibt es in Deutschland auch Call-by-Call im eigenen Ortsnetz?

Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht: in 2-3 Jahren ;-(( (s.u.) - bis dahin werden aber ohnehin wahlweise Ortsnetz-Flat-Tarife üblich sein, und damit bränge das ganze dann nicht mehr viel...
...

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie 98/61 EG hätte die Bundesrepublik spätestens zum 1.1.2000 Call-by-Call-Gespräche im Ortsnetz ermöglichen müssen. Da eine entsprechende Umsetzung bislang nicht erfolgt ist, hat die EU-Kommission im Juli 2000 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Bundesregierung hat hierzu mit Schreiben vom 4.10.2000 Stellung genommen. Sie beruft sich darauf, daß bislang die betreffenden Passagen der Richtlinie anders verstanden worden wären und die EG-Kommission offenbar erst seit kurzem darunter auch die Verpflichtung zur Betreiberauswahl auf lokaler Ebene verstehe. Im Hinblick auf das abweichende Verständnis sei im Markt ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der nur Schritt für Schritt und nicht kurzfristig geändert werden könne. Gegenwärtig fehle in Deutschland noch ein regulatorisches Modell zur Einführung der Betreibervorauswahl innerhalb eines Teilnehmernetzes auf Ortsebene mit einem entsprechenden Zeitplan. Im Hinblick auf die Komplexität der Problematik erscheine ein Zeitrahmen von mindestens zwei bis drei Jahren zur Entwicklung eines Konzeptes zur partiellen oder umfassenden Einführung der Betreibervorauswahl im Ortsnetz realistisch.
** zitat ende **

und gegen derartige Ausreden geht die EU nicht vor?

...
Im übrigen sind aber auch die VNB-Mitbewerber selbst schuld, da sie existierende Möglichkeiten zur Ortsgesprächsvermittlung nicht nutzen:
...
Bei Interconnection vom Typ Telekom-Z.9 (0190-0) dagegen ist DTAG-Inkasso jederzeit möglich und so wären Ortsgespräche im offenen Call-by-Call über 01900 sehr wohl möglich.

Warum bietet Teledump dann über die 0190031 keine Ortsgespräche an? Das Urteil gegen Teledump bezieht sich AFAIK doch nur auf die Nutzung der 01051031 für Ortsgespräche!
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[1.1.1] fruli antwortet auf fkm
04.07.2001 15:39
Benutzer fkm schrieb:

>> Im Hinblick auf die Komplexität der Problematik
>> erscheine ein Zeitrahmen von mindestens zwei bis drei
>> Jahren zur Entwicklung eines Konzeptes zur partiellen
>> oder umfassenden Einführung der Betreibervorauswahl im
>> Ortsnetz realistisch.
>> ** zitat ende **

und gegen derartige Ausreden geht die EU nicht vor?

Nun, der Zeitrahmen von 2 Jahren wurde von der EU-Kommission offensichtlich leider (siehe https://www.teltarif.de/arch/2001/kw27/... ) akzeptiert. Erst ab Ende 2002 / Anfang 2003 muss die BRD Call-by-Call im Ortsnetz ermöglichen... :-( Solange hat die BRD ihren Geldesel DTAG noch davor bewahren können :-(

>> Im übrigen sind aber auch die VNB-Mitbewerber selbst
>> schuld, da sie existierende Möglichkeiten zur
>> Ortsgesprächsvermittlung nicht nutzen:

>> Bei Interconnection vom Typ Telekom-Z.9 (0190-0) dagegen
>> ist DTAG-Inkasso jederzeit möglich und so wären Ortsgespräche
>> im offenen Call-by-Call über 01900 sehr wohl möglich.

Warum bietet Teledump dann über die 0190031 keine Ortsgespräche an? Das Urteil gegen Teledump bezieht sich AFAIK doch nur auf die Nutzung der 01051031 für Ortsgespräche!

Eben leider nicht. Das Urteil des Landgerichts Köln ist ziemlich weit gefaßt und bezieht sich laut Teledump auf *sämtliche* Call-by-Call-Ortsgespräche. Siehe Usenet-Posting <7uRPA9nFFcB@jpberlin-m.spittmann.jpberlin.de> http://groups.google.com/groups?ic=1&selm=7uRPA9nFFcB%40jpberlin-m.spittmann.jpberlin.de :

MS> ...dummerweise hat das LG Köln 01051 nach Aussage von Martin Lukas
MS> (Pressesprecher) grundsätzlich ALLE Verbindungen innerhalb des
MS> eigenen Ortsnetzes verboten, selbst wenn die im deutschen Recht
MS> vorgesehen wären. Solange also nicht die Revision (ist eingelegt)
MS> entschieden hat, geht da überhaupt nix.

Die Möglichkeit der 0190-0 wurde im Urteil vom LG Köln noch gar nicht behandelt, da Teledump erst durch einen Teltarif-Userbeitrag ( https://www.teltarif.de/forum/s4035/4-1.html ) - offiziell von Teledump bestätigt - auf diese Callbycall-Vorwahl-Idee *nach* diesem Urteil gebracht wurde, nachdem sowohl 0192xxx (Online-Einwahlnummer) als auch 01050-031xxx (Technische Dienste-Nummer) als Call-by-Call-Vorwahlen vom Gericht generell untersagt wurden.

Da auch Teledump von dieser 0190-0-Möglichkeit vor dem Gerichtsurteil noch keine Kenntnis hatte, brachte es auch nur das schwache Argument "0192*-Datenverbindungen muessen auch ins Ortsnetz möglich sein" gegen die generelle Call-by-Call-Ortsgesprächs-Verbots-Klausel vom LG Köln vor. Das LG Köln sah aber Datenverbindungen nicht als Gespräche an und erhielt so die generelle Ortsgesprächs-Call-by-Call-Verbotsklausel gegen Teledump aufrecht. Damit ist heute Teledump als einzigem Carrier Deutschlands untersagt, über die 0190-0 Ortsgespräche anzubieten...

Andere Carrier könnten das jederzeit machen - denn prinzipbedingt kann kein Gericht 0190-0-Call-by-Call untersagen, da Ortsgespraeche für 0190-Mehrwertdienste-Nummern von der DTAG nicht untersagt werden können.

So long.
Ulrich