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Ich habe bereits Klage erhoben


05.10.2015 15:33 - Gestartet von Rechthaber
2x geändert, zuletzt am 05.10.2015 15:43
Ich habe bereits Klage erhoben und möchte über meine Erfahrungen berichten.

Die Klage habe ich ohne Anwalt 2013 beim Amtsgericht Groß-Gerau gegen den Internet-Händler erhoben, der mir 2010 ein iPad 1 für € 481 verkauft hatte. Da ich nicht direkt bei Apple gekauft hatte, konnte ich leider nicht direkt Apple verklagen. Hier ein Auszug aus meiner Klageschrift:

"Klage wegen Kaufpreisminderung

Vorläufiger Streitwert: € 300

Unter Einzahlung eines Kostenvorschusses von € 75 erhebe ich Klage und werde beantragen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 300 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2012 zu zahlen.
Außerdem stelle ich den Antrag gemäß § 331 Abs. 3 ZPO.

Begründung:

Der Kläger macht einen kaufvertraglichen Minderungsanspruch gegen die Beklagte als Verkäuferin geltend.

(1) Der Kläger schloss Im November 2010 mit der Beklagten über das Internet einen Kaufvertrag über einen Tablet-Computer „Apple iPad WiFi 16 GB“ (iPad 1. Generation iPad 1). Als Kaufpreis wurden € 481 vereinbart. Die Auslieferung des Geräts erfolgte am 26. November 2010.
Beweis: Schriftverkehr zwischen Kläger und Beklagten, Anlage K 1;
Rechnung vom 23. November 2010, Anlage K 2

Den Kaufpreis hat der Kläger über den Zahlungsdienst Paypal vollständig gezahlt.
Beweis: Zahlungsbestätigung von Paypal, Anlage K 3

Der Hersteller Apple warb damit, dass auf dem Gerät gespeicherte Daten zuverlässig geschützt seien:

„Das iPad unterstützt mehrere Sicherheitsstufen, um Ihre Daten zuverlässig zu schützen.“
Beweis: Ausdruck von der Website von Apple, Anlage K 4

„iPad can securely access corporate services and protect data on the device. [] Data Security Protecting data stored on iPad is important for any environment with a high level of sensitive corporate or customer information. In addition to encrypting data in transmission, iPad provides hardware encryption for all data stored on the device, and additional encryption of email and application data with enhanced data protection. [] iOS is designed with security at its core. [] Revolutionary Device, Secure Throughout iPad provides encrypted protection of data in transit, at rest, and when backed up to iTunes. Whether a user is accessing corporate email, visiting a private website, or authenticating to the corporate network, iPad provides assurance that only authorized users can access sensitive corporate information. And, with its support for enterprise-grade networking and comprehensive methods to prevent data loss, you can deploy iPad with confidence that you are implementing proven mobile device security and data protection.“
Beweis: Werbebroschüre von Apple „iPad in Business Security Overview, Anlage K 5

(2) Im September 2012 erfuhr der Kläger durch Presseberichte, dass in dem auf dem Gerät laufenden Betriebssystem iOS über 200 Sicherheitslücken bestehen.
Beweis: Presseberichte, Anlage K 6

Der Hersteller Apple beschreibt diese Sicherheitslücken auf seiner Website und empfiehlt aus Sicherheitsgründen die Installation der Version 6 des Betriebssystems iOS, in dem diese Sicherheitslücken beseitigt worden sind. Jedoch stellt Apple für das iPad 1 anders als für die Nachfolgegeräte iPad 2 und iPad 3 kein entsprechendes Update zur Verfügung, weil der Hersteller das iPad 1 nicht mehr vertreibt.
Beweis: Ausdruck von der Website von Apple, Anlage K 7

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat am 21. September 2012 die Bevölkerung in einer amtlichen Warnmeldung ebenfalls vor den Sicherheitslücken im Betriebssystem iOS gewarnt. In der Warnmeldung mit der zweithöchsten Risikoklasse heißt es:
„Im Apple iOS bestehen mehrere Schwachstellen. [] Diese Schwachstelle werden u.A. von Pufferüberlauf-Fehlern oder Speicherverletzungen her-vorgerufen, wenn z.B. speziell manipulierte Schriftarten (fonts), TIFF oder JPEG-Bilddateien, ICU, "racoon" Konfigurationsdateien oder E-Mails verarbeitet werden. Ein entfernter, anonymer oder lokaler Angreifer kann diese Schwachstellen ausnutzen, [] um Informationen offenzulegen. [] Zur erfolgreichen Ausnutzung einiger dieser Schwachstellen muss der Angreifer den Anwender dazu bringen eine manipulierte E-Mail, Webseite oder Datei zu öffnen.“
Beweis: Ausdruck von der Website des BSI, Anlage K 8

Der Kläger kann daher aus Sicherheitsgründen das Gerät nicht mehr zum Zugriff auf das Internet einsetzen.

(3) Nachdem der Kläger von Apple erfahren hatte, dass Apple kein Sicherheitsupdate für das iPad 1 zur Verfügung stellen wird, zeigte er mit Schreiben vom 19. November 2012 der Beklagten den Mangel an und forderte diese auf, den Mangel bis zum 23. November 2012 zu beseitigen.
Beweis: E-Mail des Klägers vom 19. November 2012, Anlage K 9

Mit Schreiben vom 19. November 2012 lehnte die Beklagte eine Nachbesserung ab. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass das Gerät keine Fehler aufweise.
Beweis: E-Mail der Beklagten vom 19. November 2012, Anlage K 10

Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 26. November 2012 die Minderung des Kaufpreises um € 300 auf € 181 und verlangte den gezahlten Kaufpreis insoweit zurück.
Beweis: E-Mail des Klägers vom 26. November 2012, Anlage K 11

Der Marktwert des Geräts in mangelhaftem Zustand (mit den Sicherheitslücken) beträgt nicht mehr als € 181.
Beweis: Ausdruck von Angeboten von der Auktionsplattform Ebay, Anlage K 12

Mit Schreiben vom 26. November 2012 lehnte die Beklagte die Minderung und Rückzahlung des Kaufpreises ab und verwies den Kläger auf den Klageweg.
Beweis: Schreiben der Beklagten vom 26. November 2012, Anlage K 13

Deshalb war Klage geboten."

In der mündlichen Verhandlung zeigte sich, dass die schon etwas ältere Richterin den Sachverhalt verstanden hatte. Denn sie wies zu Beginn darauf hin, dass das doch ein sehr interessanter Fall sei und sie monatliche Sicherheitsupdates von Windows her kenne. Sie regte einen Vergleich an, doch der Anwalt des Händlers wollte keinen Vergleich. Er stritt ab, dass es Sicherheitslücken gebe. Die Richterin erließ daraufhin den Beschluss, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll und ich einen Kostenvorschuss für den Gutachter von € 1.000 zahlen soll.

Nach diesem Beschluss rief mich der Geschäftsführer des Internet-Händlers an und schlug mir nun doch einen Vergleich vor. Denn die Kosten des Verfahrens stünden sonst in keinem Verhältnis zum Streitwert. Der Händler zahlte mir € 150 + € 150 Kostenerstattung und ich nahm die Klage zurück. Er berichtete mir noch, dass er nach Klageerhebung Apple kontaktiert hatte. Doch von dort erhielt er keine Antwort.

Was man daraus lernen kann: Man sollte auf keinen Fall einen zu hohen Minderungsbetrag einklagen. Denn spricht das Gericht dem Kläger nur einen Teil der Klageforderung zu, muss der Kläger entsprechende Kosten tragen. Klagt er z.B. 10 % zu viel ein, trägt er 10 % aller Kosten (Gerichtskosten, Sachverständigenkosten, Kosten für den gegnerischen Anwalt und ggf. den eigenen Anwalt).
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[1] Kai Petzke antwortet auf Rechthaber
05.10.2015 16:17
Benutzer Rechthaber schrieb:
Ich habe bereits Klage erhoben [...] der Geschäftsführer des Internet-Händlers [rief] an und schlug mir nun doch einen Vergleich vor. [...] Der Händler zahlte mir € 150 + € 150 Kostenerstattung und ich nahm die Klage zurück.

Gratulation zu dem Erfolg! Am Ende sind es für Sie sauer, aber wohl verdiente 150 €. Würden mehr Kunden diesen Weg gehen, könnten die Hersteller die Updates nicht so einfach fallen lassen.
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[1.1] legro antwortet auf Kai Petzke
05.10.2015 16:23
Benutzer Kai Petzke schrieb:
Benutzer Rechthaber schrieb:
.. Würden mehr Kunden diesen Weg gehen, könnten die Hersteller die Updates nicht so einfach fallen lassen.

Leider stimmt diese Quintessenz so nicht. Man trifft die Händler und eben nicht die Hersteller. In dem hier vorliegenden Fall hat Apple nicht einmal dem Händler auf dessen Anfrage geantwortet.

Hier sollten die Verbraucherzentralen tätig werden!!! Zumindest innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung hat doch wohl ein Kunde das Recht auf Nachbesserung.
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[1.1.1] Kai Petzke antwortet auf legro
05.10.2015 18:31
Benutzer legro schrieb:

Leider stimmt diese Quintessenz so nicht. Man trifft die Händler und eben nicht die Hersteller.

Die Händler haben sehr wohl eine Einkaufsmacht. Wenn die metro (Media Markt, Saturn, real) von Samsung eine Million Smartphones ordert, dann verhandeln die immer über einen Gesamt-Deal aus Preis, Lieferzeiten, ggfls. sogar exklusive vorab-Belieferung und eben Service für diese Geräte. Und wenn es bei letzterem nicht stimmt, dann muss Samsung beim Preis nochmal nachgeben oder eben für die Zukunft doch Service-Garantien geben.

Klar wird ein Einzelfall, wie der hier beschriebene, Apple nicht jucken. Aber 10.000 oder gar 100.000 Einzelfälle jucken dann eben schon. Wobei Apple sicher aktuell nicht so problematisch ist wie Samsung. Die Zeiten vom Original-iPhone und -iPad, wo es ebenfalls relativ schnell keine Updates mehr gab, sind zum Glück vorbei.


Kai
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[1.1.1.1] legro antwortet auf Kai Petzke
05.10.2015 18:40

einmal geändert am 05.10.2015 18:41
Benutzer Kai Petzke schrieb:
Benutzer legro schrieb:

.. Aber 10.000 oder gar 100.000 Einzelfälle jucken dann eben schon. ..

Da es in unserem Land keine sog. "Sammelklagen" gibt, bleibt nur die Verbraucherzentrale für diese Thema zu sensibilisieren und hoffentlich auch zu gewinnen. Daher habe ich ein entsprechende Email an die Verbraucherzentrale NRW geschrieben und warte jetzt auf eine hoffentlich positive Antwort.
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[1.2] hbo antwortet auf Kai Petzke
08.10.2015 08:38
Benutzer Kai Petzke schrieb:
Benutzer Rechthaber schrieb:
[...] Internet-Händlers [rief] an und schlug mir nun doch einen Vergleich vor. [...] Der Händler zahlte mir € 150 + € 150 Kostenerstattung und ich nahm die Klage zurück.

Gratulation zu dem Erfolg! Am Ende sind es für Sie sauer, aber wohl verdiente 150 €. Würden mehr Kunden diesen Weg gehen, könnten die Hersteller die Updates nicht so einfach fallen lassen.

Tja, ist zwar löblich, dass hier soviel Energie aufgewandt wurde um ein Zeichen zu setzen, monetär brachte es vermutlich jedoch nichts.
Verdient haben werden hier vermutlich nur die Anwälte und das Gericht. Da es sich um einen Vergleich handelte und nur 50% der ursprünglich geforderten 300 EUR gezahlt wurden, werden auch nur 50% der Anwalts- und Gerichtdkosten erstattet. Der Kläger erhielt 150 EUR Kostenerstattung für seine Anwalts- und die Gerichtskosten. D.h. weitere 150 EUR musste der Kläger zahlen. Diese konnte er dann von den erhaltenen 150 EUR des Vergleichs bezahlen. Bis dahin also Nullsummenspiel. Jetzt wird jedoch der Beklagte ebenfalls 50% seiner Anwaltskosten beim Kläger einfordern können. Unterm Strich sind also Kläger und Beklagter negativ aus der Sache rausgegangen. (Der Beklagte jedoch negativer als der Kläger.)
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[1.2.1] Kai Petzke antwortet auf hbo
08.10.2015 17:08
Benutzer hbo schrieb:

Verdient haben werden hier vermutlich nur die Anwälte und das Gericht. [...] Der Kläger
erhielt 150 EUR Kostenerstattung für seine Anwalts- und die Gerichtskosten.

Der Kläger hatte, wie er eingangs schreibt, keinen Anwalt beauftragt. Insofern hat er nur Gerichtskosten zu tragen, die bei der hier erfolgten Klagerücknahme komplett zu Lasten des Gegners gehen. So, wie ich die Sache verstanden habe, hat der Kläger im Gegenzug keine Kostenerstattung für den Anwalt der Gegenseite geleistet.

Ein gerichtlich vermittelter Vergleich hätte möglicherweise anders ausgesehen, aber hier handelt es sich um einen außergerichtlichen Vergleich.


Kai