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Aus Anwendersicht plausibel, für ein Forum dieser Art schlecht recherchiert


30.08.2018 11:50 - Gestartet von DL7FOS
Liebe Redaktion,

Ihr habt große Expertise im Bereich Festnetz und Mobilfunk, auch versucht Ihr es, Artikel für den Laien gut zu formulieren, aber als jemand mit tontechnischer Erfahrung kann ich die geschulten Ohren aus mehreren Gründen anzweifeln und das auch mit Fakten untermauern.

Beginnen wir mit Stereoanlagen. Dass Offline-Anlagen zwangsläufig alt sind, ist blanker Unsinn. Dazu reicht ein Besuch der IFA aus, eine High-End-Fachmesse hingegen zeigt wunderbar, dass analoge Komponenten gleichwohl auch heute noch zu kaufen sind. Die Aussage, CD-Spieler seien digital ist richtig, falsch ist aber, dass analoge Komponenten es dadurch nicht seien. Heute kommt kaum ein Verstärker ohne digitale Regeltechnik oder Frequenzanpassungen aus, auch sind Class-D-Endstufen digital und müssen nicht zwangsläufig Digitaleingänge anbieten. Zahlreiche Studiomonitore arbeiten mit FIRTEC- und ähnlichen Filterstufen, die rein digital arbeiten und setzen das analoge Eingangssignal um, bearbeiten es, um es schlussendlich von den Membranen wieder in analoge Schwingungen zurückzuwandeln.

Der Artikel hat grundsätzlich einen falschen Ansatz, weil man davon ausgeht, dass sich der Musikhörer älteren Semesters durchaus mit dem kompressionsverwöhnten Alltagshörer vergleichen lässt. Wer einen Streaming-Dienst nutzt, hat vergleichbare Ansprüche mit dem Radiohörer vergangener Tage. Es geht meist um die Nebenbeiberieselung, auch wird man diese Musik eher mobil konsumieren, Studien haben dies schon belegt. Wer allerdings eine hochwertige, nicht zwangsläufig alte Anlage nutzt, setzt sich davor, um konzentriert ein Album oder eine bestimmte Abfolge von Werken zu genießen, die physisch oder hochauflösend in einer Qualität vorliegen, die ein Streaming-Dienst nicht anbieten wird. Sofern sich der Artikel primär an junge Nutzer richtet, die den Lifestyle-Aspekt vorziehen, ist das in der Tat alles egal und da stört auch die Bluetooth-Übertragung nicht. Alle anderen sollten weiterlesen.

Der getestete Adapter kommt mit einem CSR-Chip, der Bluetooth 4.1 oder 4.2 mit aptX-Technologie als Übertragungsstandard unterstützt. Das können zwar viele Android-Smartphones, wie das Moto G 6, nicht aber iPhone und iPad und ältere Geräte. Die nutzen den im Frequenzbereich und Auflösungsverhalten betagten SBC-Codec, der selbst aus den 80er Jahren stammt und lizenzfrei genutzt werden kann. Apple setzt Prinzip bedingt auf AAC Direct Stream, diesen Standard muss ein Bluetooth-Adapter erfüllen, damit die komprimierte Musik direkt weitergereicht wird und Recoding nicht die Qualität beeinflusst. Der Unterschied zwischen AAC Direct, abtX und anderen vergleichbaren Standards zum generischen SBC-Codec ist dramatisch, gerade auf einer hochwertigen Anlage fallen diese Artefakte umso mehr aufgrund der höheren Impulstreue der Kette auf.

Vergleich Kabel und Bluetooth: Hier zeigen sich Kompetenzlücken, denn die Musik wird für jeden Streaming-Dienst neu komprimiert und zum Teil eigens abgemischt (vgl. Mastered for iTunes). Die klanglichen Unterschiede liegen also nicht im Auflösungsverhalten, sondern in Lautheit und Frequenzgang. Das Ohr erkennt natürlich Unterschiede, die sich aufgrund des Quellmaterials, die per Kabel und Bluetooth deutlich hörbar sind. Dass man es ohne akustisch optimierten Abhörraum und eingemessene Lautsprecher kaum schaffen wird, die exakt identische Lautstärke zwischen Kabel und Bluetooth zu realisieren, Umstecken reicht hier nicht, ist ein weiteres Problem. Auch sind viele Miniaturendstufen in Smartphones nicht in der Lage, eine hochwertige Audioausgabe zu ermöglichen und für Kopfhörer bzw. Ohrhörer optimiert, so dass die Antriebsleistung oft nicht ausreicht.

Brummschleifen entstehen durch ein Masse-Ungleichgewicht oder schlecht vergossene Stecker. Ein Ungleichgewicht beim Massepotential entsteht dann, wenn zwei Geräte mit unterschiedlichen Netzteilen an verschiedenen Stromversorgungen verbunden werden und lässt sich durch ein Kappen der Masse verhindern. Ist ein Smartphone nicht am Netzteil angeschlossen, ist eine Brummschleife physikalisch ausgeschlossen und resultiert allerhöchstens auf unzureichenden Kabelverbindungen mit schlechter Schirmung. Klinkenstecker in 3,5mm-Bauform sind dabei sehr problematisch, RCA-Cinch übrigens umso mehr. Dass sich die HiFi-Industrie darauf verständigt hat, ist ebenso ein Unsinn, wie Scart beim Fernsehen.

Ich fände es wirklich schön, zumal Ihr mit Werbung so unglaublich viel Geld verdient, dass Ihr solche Artikel von ausgewiesenen Fachleuten schreiben lasst. Sie unterschreiten das Qualitätsniveau und Fehlerteufel sollten für ein Magazin dieser Größe ausgeschlossen werden. Ich selbst bin übrigens Redakteur bei einem Fachmagazin mit ähnlicher Größe und habe mich mit dieser Thematik über die letzten Jahre eingehend befasst. Ich verfüge allerdings auch über eine Abhöranlage, die schonungslos sämtliche Artefakte komprimierten Audiomaterials aufdecken kann.

In einem Test mit einem jungen Praktikanten, dem ich übrigens nachher erklärt habe, was er rausfinden sollte, konnten wir selbst Unterschiede zwischen MP3, High-Res-Material mit 192KHz Abtastrate und DSD64 mit verschiedenen Musikgenres herausarbeiten. Das Apple TV als Bluetooth-Radio habe ich für mich schnell abgeschafft, weil mir der SBC-Codec immer was vermissen ließ.

Wem das reicht, kann das natürlich alles nutzen, allerdings finde ich es auch schade, dass gute Musik aufgrund von Streaming und der Übermacht populärer Musik regelrecht verkommt. Kaum jemand unter 25 weiß doch heute, wie Musik eigentlich klingen könnte. Es ist aber wie mit der Edison-Walze, ein für die damalige Zeit hervorragendes Wiedergabemedium, selbst das Grammophon reichte aus, dass die Menschen sich leibhaftig den Sänger vorstellen konnten und das in einer vergleichsweise grausamen Qualität. Heute kommen wir wieder zurück, dass wir trotz deutlich besserer und bezahlbarer Möglichkeiten vermeidbare Kompression und Klangverschlechterungen billigend in Kauf nehmen. So gibt jeder für ein technisch überteuertes Top-Smartphone über 1.000 Euro aus, der Sinn für einen noch dazu wertbeständigen Kopfhörer in dieser Preislage fehlt hingegen vielen.

Solche Artikel und schlecht recherchierte Inhalte zeichnen dafür ebenso verantwortlich, wie die stets übertreibende HiFi-Fachpresse, die in genau die gegensätzliche Richtung geht. Man muss als unkundiger Leser das Gefühl bekommen, dass Musik hören purer Luxus sei, natürlich totaler Quatsch. Es ist aber genauso unsinig, dass Sonos und Bose die klangliche Offenbarung sind, für das Geld bekomme ich deutlich mehr Klangtreue geboten. Nur meist eher im Musikerbereich, als bei den HiFi-Herstellern, die sich Design und lyrische Schwurbelei technischer Offenbarungen auch sehr gut bezahlen lassen.