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Von Trittbrettfahrern und Zahlschafen


09.12.2019 02:37 - Gestartet von little-endian
Vom hier und da angenommenen fehlenden Unrechtsbewusstsein (welches sich auch bei dessen Vorhandensein erstaunlich gut kontrollieren lässt), bleiben einige Aspekte außen vor, die inoffizielle (im Gesetzestextpapiertigerjargon auch gerne "offensichtlich rechtswidrige") Quellen durchaus weiterhin attraktiv erscheinen lassen:

1. All das Streaminggedöns funktioniert "on demand" nur mit passenden Endgeräten sowie einer ebenso stets ausreichend performanten Internetanbindung. Sobald man hier flexibel sein will, hat man als braver Abonnent schon wieder verloren.

2. Prinzipbedingt besteht mangels nennenswerter "Aufnahme"funktionen eine enge Abhängigkeit zum Anbieter, der jederzeit willkürlich über die Verfügbarkeit von Inhalten entscheiden kann. Für "virtuelle Messies", die gerne horten und das in Eigenregie verwalten, also auch nicht ideal, von speziellen Fassungen in Einzelfällen einmal abgesehen.

3. Die gebotene Qualität der meisten Streaminganbieter mag für die "breite Masse" genügen, scheitert bei professionellen Ansprüchen jedoch schon an den viel zu geringen Bitraten. Solange man dann manche Serien und Filme, die zwischenzeitlich bereits auf Blu-ray oder gar UHD erschienen sind, als 1:1 Rip illegal in höherer Qualität als mit jedem Abo bekommt, ist die Ironie einfach zu perfekt, um ein allzu schlechtes Gewissen für seine "Notwehr" zu entwickeln.

4. Der im Artikel erwähnten Marktfragmentierung schlägt man über Downloads und Filesharing ebenfalls ein Schnippchen und zahlt im Zweifelsfall dann wieder bequem an nur einen Anbieter. Der gezogene Vergleich mit Zeitungen und Restaurant hinkt insofern, als dass hier beim (pauschal abgerechneten) Frühstücksbuffet mit zwar Brotaufstrichen wohl kaum jemand für den "O-Saft" plötzlich beim Nachbarhotel einchecken wird.

5. Psychologisch ebenfalls ungeschickt ist unter anderem, dass im Grunde eh schon jeder, der etwa die hiesigen Preise für Netflix & Co. zahlt, einer gehörigen Portion Bequemlichkeit oder einem Informationsdefizit unterliegt. Wenn derselbe Krempel über die Türkei & Co. gebucht nur noch einen Bruchteil kostet und sich die Konten dann auch noch ohne große Gegenwehr der Betreiber mit etlichen Leuten gemeinsam und anteilig bezahlt nutzen lassen, stellt sich irgendwann die Frage nach dem "intrinsischen Wert" der ganzen Sache. Recht flott ist man dann wieder bei OCHs und Torrents, da die Diskrepanz zwischen "legaler Trickserei" und "zwar illegal, aber nochmal bequemer und deutlich flexibler" allenfalls noch marginal ausfällt.

6. Zu guter Letzt darf natürlich auch die sportliche Komponente nicht außer Acht lassen. Brav Zahlen und Einschalten kennt man ja schon von den unbestellten Angeboten der "Geztapo".

Der Beitrag ist stellenweise bewusst polemisch ausgefallen, um einige Aspekte aufzuzeigen, die in Summe trotz nominell wohl nicht gerade als "unfair" zu bezeichnenden Angeboten dabei "helfen", so manche kognitive Dissonanz deutlich abzuschwächen, auch wenn die teilweise wirklich tollen Inhalte die finanzielle Unterstützung im Wortsinne schon verdient hätten.

Aber auch diese Diskussion ist wohl so alt wie die Kopie von Werken selbst und bisher scheint sich Kreativität ungeachtet aller Abgesänge noch genauso zu lohnen wie der Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel mit ihren Schwarzfahrern.