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Ziemlich viel Quatsch


09.08.2020 18:29 - Gestartet von hans91
2x geändert, zuletzt am 09.08.2020 18:31
Die USA werfen den Chinesen Technologiediebstahl bei 5G vor? Wie soll denn das gehen? Die Chinesen sind den USA in Sachen 5G meilenweit voraus und es sind vielmehr die US-Unternehmen, die nun chinesische Technologie kopieren und dennoch weiterhin im Rückstand sind. Deshalb versuchen die USA Huawei mit einer Schmutzkampagne vom westlichen Markt zu verdrängen, denn mit guten Produkten können sie das derzeit nicht.

Chinatowns gibt es, weil vielen das politische System und die Überwachung in China nicht passt und sie deshalb in die USA ausgewandert sind? Auch das ist natürlich Quatsch, die Chinatowns sind vor Jahrzehnten entstanden, als China noch arm war. Und genau aus diesem Grund sind diese Exilchinesen ausgewandert, sie wollten vom Wohlstand in den USA profitieren. Politische Flüchtlinge aus China stellen in den USA eine winzige Minderheit dar.

Chinesen führen sich wegen „zunehmender rassistischer Hetze inzwischen weltweit weniger sicher“? Gibt es dafür irgendeinen Beleg? Das klingt nach einer subjektiven Äußerung einer Einzelperson.

Wieso wirft der Artikel mehrfach Autokratie und Religion in einen Topf? Die erfolgreichsten Autokratien der vergangenen 100 Jahre hatten alle überhaupt nichts mit Religion zu tun. China torpediert außerdem nicht nur nicht die Bildung der Jugend, im Gegenteil wird die Bildung dort immer besser. Das ist ein wichtiger Aspekt des zunehmenden Erfolgs der Chinesen.

Der Erfolg Huaweis bei 5G ist überwiegend auf Software zurückzuführen? Gibt es dazu irgendeine Quelle? Ich habe jedenfalls nichts gefunden. Ebenso ist der Erfolg Tiktoks natürlich nicht auf die Software zurückzuführen, sondern auf die Nutzer der Plattform, die dort reichweitenstarke Inhalte schaffen.

Die USA wollten besser in Sachen Zensur sein? Ein guter Witz, denn in den USA kann man nicht einmal ein Schimpfwort im Fernsehen sagen, ohne zensiert zu werden. Zensur ist dort seit jeher institutionalisiert und die klare Haltung gegen Zensur, die wir in Europa seit Ende der NS-Herrschaft entwickelt haben, ist dort nie entstanden. Die USA sind eine machthungrige, gewissenlose Großmacht, so wie China auch. Sich hier einen Favoriten herauszupicken, ist vollkommen willkürlich.
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[1] iPhone antwortet auf hans91
09.08.2020 19:39
Benutzer hans91 schrieb:
Die USA wollten besser in Sachen Zensur sein? ... Die USA sind eine machthungrige, gewissenlose Großmacht, so wie China auch. Sich hier einen Favoriten herauszupicken, ist vollkommen willkürlich.

Dem ist absolut nichts hinzuzufügen.
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[2] industrieclub antwortet auf hans91
09.08.2020 21:07
Benutzer hans91 schrieb:
Wieso wirft der Artikel mehrfach Autokratie und Religion in einen Topf? Die erfolgreichsten Autokratien der vergangenen 100 Jahre hatten alle überhaupt nichts mit Religion zu tun.

Du schreibst ziemlich viel Richtiges ! -- allerdings bin ich mit der obigen Äußerung nicht ganz einverstanden.
Das Franco-und Salazar-Regime und die lateinamerikanischen Diktaturen der vergangenen Jahrzehnte haben sich schon ziemlich stark auf den Katholizismus gestützt. Das Osmanische Reich und aktuell Länder wie Saudi-Arabien oder Iran auf den Islam...Regierungen wie in Uganda oder derzeit Brasilien kungeln mit den Freikirchen / Evangelikalen. Und sogar Putin hat die Orthodoxie "wiederentdeckt"....Religion ist geradezu ein klassisches Machtinstrument von Autokraten !! Dass all diese Regime nicht wirklich religiös sind, sondern die Religion nur für ihre jeweiligen Machtzwecke instrumentalisieren, weiß ich auch. Nur was macht das in der Praxis nach außen hin für einen Unterschied ?!
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[3] Kai Petzke antwortet auf hans91
10.08.2020 12:37
Benutzer hans91 schrieb:
Die USA werfen den Chinesen Technologiediebstahl bei 5G vor? Wie soll denn das gehen?

Na, das mit dem "Vorwerfen" geht, indem man entsprechende Behauptungen über die Medien verteilt. Beispiele hier:

https://www.ft.com/content/3174481a-4e8b-11ea-95a0-43d18ec715f5
"US accuses Huawei of stealing technology from six companies"

https://www.bloomberg.com/news/features/2020-07-01/did-china-steal-canada-s-edge-in-5g-from-nortel
"Did a Chinese Hack Kill Canada’s Greatest Tech Company?"

https://www.france24.com/en/20200213-china-usa-huawei-5g-sabotage-intellectual-property-theft-tmobile-meng-wanzhou
"Huawei hit with fresh charges of sabotage and intellectual property theft from US tech firms"

Die Chinesen sind den USA in Sachen 5G meilenweit voraus und es sind vielmehr die US-Unternehmen, die nun chinesische Technologie kopieren und dennoch weiterhin im Rückstand sind.

Da sind wir uns einig. Ändert aber nichts daran, dass zumindest von Teilen der US-Administration behauptet wird, die Chinesen hätten den Vorsprung durch Technologie-Diebstahl erreicht.

Deshalb versuchen die USA Huawei mit einer Schmutzkampagne vom westlichen Markt zu verdrängen, denn mit guten Produkten können sie das derzeit nicht.

Bezüglich der Schmutzkampagne sind wir uns einig.

Chinatowns gibt es, weil vielen das politische System und die Überwachung in China nicht passt und sie deshalb in die USA ausgewandert sind? Auch das ist natürlich Quatsch, die Chinatowns sind vor Jahrzehnten entstanden, als China noch arm war.

Ich bestreite nicht, dass China früher arm war. Doch woher rührt diese Armut? Auf diese Frage wird dann von Historikern oft auch fehlgeleitete Politik als Ursache genannt. So sehen viele Historiker Mao Zedongs vollkommen fehlgeschlagenen "großen Sprung nach vorne" als eine der Hauptursachen dieser Armut in der Nachkriegszeit: Durch Zwangskollektivierung sollte die landwirtschaftliche Produktivität gesteigert werden, stattdessen ging es mit den landwirtschaftlichen Erträgen bergab. Millionen Chinesen verhungerten zwischen 1959 bis 1961. Doch Mao blieb danach noch Jahrzehnte an den Hebeln der Macht, so befehligte er die "Roten Garden" von 1966 bis 1976.

Ich weiß, dass beim Asylrecht zwischen "echten" politischen Flüchtlingen (die z.B. wegen politischer Betätigung vom Staat verfolgt werden) und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden wird. Letztere werden zwar nicht individuell verfolgt, sie leiden aber dennoch unter den Folgen der schlechten Politik des Fluchtlandes. In meinem Editorial geht es aber nicht um das Asylrecht, sondern um legale Migration, denn die USA haben die Chinesen jahrzehntelang mit offenen Armen empfangen. Anders als viele Mexikaner sind die Chinesen weit überwiegend legal in den USA. Und ein Chinese, der sein Heimatland verlässt, weil er dort Missstände sieht, diese aber nicht anprangern darf und nicht ändern kann, ist für mich daher sehr wohl ein "politischer Flüchtling", in dem Sinne, dass die Politik des Heimatlandes inklusive der daraus folgenden Armut für ihn der Fluchtgrund ist. Hätten die Chinesen damals die Chance gesehen, bei sich zu Hause was zum Guten zu ändern, sie wären nicht in so großer Zahl in die USA migriert.

Politische Flüchtlinge aus China stellen in den USA eine winzige Minderheit dar.

Wie gesagt, "politische Flüchtlinge" im engen Sinne ("politisch verfolgt") sind es nicht so viele. Zwar wurden viele Chinesen politisch verfolgt, aber die haben es eher nicht mehr außer Landes geschafft. "Politische Flüchtlinge" im weiten Sinne ("rennen weg vor den Folgen einer für sie schlechten Politik inklusive Armut") sind es viele.

Chinesen führen sich wegen „zunehmender rassistischer Hetze inzwischen weltweit weniger sicher“?

Ich hoffe, "Human Rights Watch" ist jetzt nicht nur eine "Einzelperson":

https://www.hrw.org/news/2020/05/12/covid-19-fueling-anti-asian-racism-and-xenophobia-worldwide

Wieso wirft der Artikel mehrfach Autokratie und Religion in einen Topf?

Darauf hat schon jemand anderes kompetent geantwortet.

Der Erfolg Huaweis bei 5G ist überwiegend auf Software zurückzuführen?

Die Komplexität beim Mobilfunk liegt in der korrekten Implementation der Modulation und der Protokolle. Das erfolgt inzwischen netzbetreiberseitig tatsächlich in Software. Die Ausrüster sprechen von "Software Defined Radio". ALLE Ausrüster, also Nokia, Ericsson und Huawei, haben schon "5G-ready"-Basisstationen ausgeliefert, als der Standard noch gar nicht festgezurrt war. Das taten sie mit dem Versprechen, per Software-Update später die 5G-Funktionalität nachzuliefern. Das würde natürlich nicht gehen, wenn die entscheidenden 5G-Fähigkeiten in der Hardware und nicht in der Software liegen würden.

Ebenso ist der Erfolg Tiktoks natürlich nicht auf die Software zurückzuführen, sondern auf die Nutzer der Plattform, die dort reichweitenstarke Inhalte schaffen.

StudiVZ und die tausenden gescheiterten sozialen Netzwerke rekrutieren ihre Nutzer doch aus derselben Bevölkerung wie YouTube, Facebook, Instagram und nun auch TikTok. Warum sind die einen erfolgreicher als die anderen? M.E. ist das entscheidende Erfolgskriterium der Algorithmus, der die Inhalte selektiert, die empfohlen werden. Nicht Katzenvideos haben Facebook erfolgreich gemacht, sondern der Algo, der entscheidet, wem er wann ein Katzenvideo ausspielt und wem er wann die Fotos von einer Geburtstagsparty zeigt. Nicht umsonst wird über den "Facebook-Algo" und die von ihm verursachten "Filterblasen" so intensiv diskutiert.

Und ja, der Algo treibt auch die Kreativität der Nutzer. Nämlich dann, wenn die Nutzer, die gute Inhalte einstellen, dafür mit vielen Views und Likes belohnt werden.

Die Details des Facebook-Algos sind natürlich geheim. Dennoch hat es TikTok geschafft, einen (bezüglich der Nutzerbindung) zumindest innerhalb der jugendlichen Zielgruppe mindestens gleichwertigen oder gar besseren Algorithmus hervorzubringen.

Die USA wollten besser in Sachen Zensur sein?

Ja. Die USA sehen sich selber als zensurfreien, liberalen Raum, in dem die freie Rede durch den ersten Verfassungszusatz garantiert ist.

Ein guter Witz,

Ja, leider. Deswegen habe ich ja auch den Konjunktiv II (Irrealis) in dieser Formulierung verwendet. Leider ist beim Verb "wollen" der Konjunktiv II aber nicht vom Präteritum zu unterscheiden.

denn in den USA kann man nicht einmal ein Schimpfwort im Fernsehen sagen, ohne zensiert zu werden.

Das hängt vom Fernsehsender ab. Die diversen Netzwerke (HBO) usw., wo die Abonnenten versichern müssen, dass keine Kinder zuschauen, senden wirklich alles - und zwar unzensiert. Auch die Pornoindustrie ist m.W. zunächst in den USA groß geworden, wo diese sich immer auf "Freedom of Speech" berufen konnte.

Die USA sind eine machthungrige, gewissenlose Großmacht, so wie China auch.

Da sind wir uns einig. Ich schreibe das Editorial dennoch aus Sicht der USA, weil ich das Land dank mehrerer Reisen dorthin und englischer Sprachkenntnisse besser kenne als China. Wenn sich deswegen eine Haltung "pro USA" aus dem Artikel herauslesen lässt, dann war das nicht meine Absicht. Ich werde hier künftig auf noch klarere Distanz achten.