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Burstable shaping oder offene Standards als netzneutrale Alternative


25.10.2021 00:10 - Gestartet von gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2
Ich denke, eine Erwähnung wert wären alternative Gestaltungsmöglichkeiten für netzneutrale Tarife, die sich praktisch identisch zu StreamOn und Co. verhalten.

Eine Möglichkeit wäre z.B. burstable shaping, bei dem man eine Flatrate mit relativ geringer Bandbreite kauft, bei der aber nicht verbrauchtes Volumen bis zu einer gewissen Grenze "angespart" wird und dann mit unbeschränkter Bandbreite verbraucht werden kann.

Eine echte Flatrate mit maximaler LTE-Geschwindigkeit ist für den Netzbetreiber halt potentiell riskant, da man bei, sagen wir, 300 Mbit ja um die 77 TB Traffic machen könnte, wenn man es darauf anlegt. Aber praktisch braucht das ja kaum jemand - praktisch brauchen die meisten Leute Bandbreite gelegentlich kurzzeitig mit hoher Geschwindigkeit und häufiger lange am Stück mit eher geringer Geschwindigkeit. Ersteres halt für das Laden von Webseiten oder für Downloads - das soll schnell gehen, aber hat ja zwischen den Seitenaufrufen/Downloads immer große Pausen. Zweiteres braucht man für Audio- und Videostreaming, die halt über längere Zeit Daten übertragen, aber dabei mit vergleichweise geringer Bandbreite.

Mit burstable shaping kann man das beides abdecken, aber ohne das Risiko für den Anbieter, und ohne dass man etwas von Hand umstellen müsste.

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich auch die Schaffung eines offenen Standards, mit dem das Mobiltelefon steuern kann, welche Datenströme "über welchen Zähler" laufen. Man könnte also potentiell sogar quasi exakt StreamOn implementieren - nur, dass der Kunde selber steuert, was unters Zero-Rating fällt. Man könnte z.B. einfach pro App einstellen, ob die Daten mit voller Geschwindigkeit im Rahmen des Inklusivvolumens heruntergeladen werden oder langsam ohne Abrechnung. Oder Browser könnten potentiell auch automatisch Streaming über das Zero-Rating abwickeln und sonstiges über das "Inklusivvolumen". Wie auch immer man das Userinterface gestalten würde: Es wäre so eben möglich, dass der Kunde auch die Vorlesungen von der Fernuni per Zero-Rating streamen könnte, ohne, dass die Uni dazu irgendwelche Verträge mit den Mobilfunkanbietern machen muss.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie man die Vorteile von StreamOn und Co. umsetzen könnte, ohne dabei die Netzneutralität zu verletzen - wenn man denn will.
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[1] Kai Petzke antwortet auf gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2
27.10.2021 19:02
Benutzer gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2 schrieb:

Eine Möglichkeit wäre z.B. burstable shaping,

In der Tat wäre das eine interessante Alternative, die aber vermutlich den Marketing-Abteilungen zu kompliziert ist. Und das zweite Problem ist, dass ja selbst eine 1-MBit-"burstable"-Flat schon über 250 GB bei Dauernutzung erzeugt.

Den Weg von o2, drei Flats mit unterschiedlicher Bandbreite anzubieten, finde ich schon nicht ganz falsch.
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[1.1] gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2 antwortet auf Kai Petzke
27.10.2021 21:37
In der Tat wäre das eine interessante Alternative, die aber vermutlich den Marketing-Abteilungen zu kompliziert ist.

Ja, das wäre sicher eine Herausforderung - aber wenn man sich anguckt wie kreativ die heutigen Tarife beworben werden, wäre ich relativ optimistisch, dass ihnen da schon etwas zu einfiele. Ehrlich muss es ja nicht sein, ist es schließlich bisher auch nicht - nur einigermassen juristisch haltbar ;-)

Und da solche Tarife ja durchaus im Verbraucherinteresse wären, könnte man an der Stelle ja auch politisch helfen, indem man z.B. gesetzlich bestimmte Formen der Bewerbung zulässt, die beim unbedarften Kunden einen vielleicht technisch nicht ganz richtigen, aber insgesamt aus Nutzersicht nicht irreführenden Eindruck vermittelt. Bei Telekom und Vodafone würde ich durchaus genug Lobbymacht vermuten, dass sie das erreichen könnten, ibs., wenn z.B. die Verbraucherzentrale sich auch mit ins Boot nehmen ließe.

Also, wenn Tarife mit zwei Jahren Laufzeit beworben werden dürfen mit "ein halbes Jahr Internet kostenlos*", dann sollte "200000 kbit für Downloads und 3000 kbit für Streaming*" als Werbung für einen Burstable-Tarif doch wohl auch drin sein?

Und das zweite Problem ist, dass ja selbst eine 1-MBit-"burstable"-Flat schon über 250 GB bei Dauernutzung erzeugt.

Aber ist das wirklich ein Problem? Also, praktisch wird ja niemand mit so einem Tarif tatsächlich 1 Mbit dauerhaft nutzen, da kein auch nur im Ansatz normales Nutzungsverhalten, das mit einer 1 Mbit-Anbindung möglich wäre, diese tatsächlich rund um die Uhr auslastet.

Ich denke, das Risiko ist eher, wenn man eine 200 Mb/s-Flat macht, dann passt in das vertraglich zugesagte Bandbreitenprofil halt auch rein, seinen Haushalt damit anzubinden, der dann den halbe Tag mehrere 4K-Streams damit guckt oder sowas - und wenn das dann so bepreist ist, dass es eigentlich nur dafür gedacht ist, dass Webseiten schnell laden und dass man Videos auf dem Handy damit gucken kann, dann passt das natürlich ökonomisch vorne und hinten nicht mehr.

Außerdem ist aus Sicht des Telcos ja auch nicht jedes GB gleich teuer - wenn jemand zwischen 3 und 6 Uhr morgens seine Kapazität voll nutzt, dürfte das für den Telco ja weitgehend irrelevant sein. Mag ein bisschen mehr Stormverbrauch verursachen, aber teuer ist für den Telco ja primär Kapazität zu Spitzenlastzeiten.

Natürlich mag es immer einzelne Kunden geben, die dann aus irgendwelchen Gründen künstlich die Anbindung rund um die Uhr auslasten, und diese Kunden wären möglicherweise auch ein Verlustgeschäft - aber im Verhältnis zum Gesamtgeschäft einer Telekom dürfte das ja eher zu vernachlässigen sein.

Zumal man das gleiche Problem ja im Prinzip im Festnetz auch hat, nur halt mit höheren Bandbreiten bzw. geringeren Preisen: Auf den meisten Festnetzanschlüssen könnte man bei Dauerauslastung auch Trafficmengen generieren, bei denen die Wirtschaftlichkeit für den Anbieter nicht mehr unbedingt gegeben wäre. Das scheint praktisch für die Anbieter aber ja nicht wirklich ein Problem zu sein.