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Funktionsweise call-by-call


04.08.2014 12:45 - Gestartet von janoschka
Guten Tag!

Habe mich hier angemeldet, da ich eine Frage zum sog. "call-by-call" sowie "Preselection" habe. So wie ich es verstehe, sind (oder vielmehr waren?) beides Vorleistungsprodukte, die Wettbewerber bei der marktmächtigen DTG nachgefragt haben. Wie unterscheiden sich diese Nachfrager von TAL-Nachfragern? Letztere haben ja eigene Netzinfrastrukturen bis zum HVt oder KVz und erst dort brauchen sie die angemietete Infrastruktur. Ist das bei call-by-call bzw. Preselcation genauso, d.h. haben diese Nachfrager dann auch eigene Netze oder funktioniert das ganze ohne eigene Infrastruktur? Mir ist dieser Unterschied nämlich nicht klar, weil es sich bei call-by-call immer so anhört, dass Nachfrager keine Netze haben, dann kann ich aber nicht nachvollziehen, wie die Gespräche dann technisch vermittelt werden können. Im WWW wird leider nur darauf verwiesen, wie es für den Kunden funktioniert (Vorwahl wählen etc.), nicht aber, über welche Netze es läuft.

Schonmal besten Dank für Antworten!
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[1] talk antwortet auf janoschka
20.09.2014 11:41
Hallo,

Benutzer janoschka schrieb:

Habe mich hier angemeldet, da ich eine Frage zum sog. "call-by-call" sowie "Preselection" habe. So wie ich es
verstehe, sind (oder vielmehr waren?) beides Vorleistungsprodukte, die Wettbewerber bei der marktmächtigen DTG nachgefragt haben. Wie unterscheiden sich diese Nachfrager von TAL-Nachfragern? Letztere haben ja eigene Netzinfrastrukturen bis zum HVt oder KVz und erst dort brauchen sie die angemietete Infrastruktur. Ist das bei call-by-call bzw. Preselcation genauso, d.h. haben diese Nachfrager dann auch eigene Netze oder funktioniert das ganze ohne eigene Infrastruktur?

Auch Call-by-Call-Anbieter haben "eigene Netze", wobei dieser Begriff in der TK-Branche grundsätzlich erstmal alles mögliche bedeuten kann.

Das heißt also nicht automatisch, daß ein Unternehmen unbedingt "den Bagger herausgeholt" und wirklich eigene Kabel verbuddelt hat. Man kann Leerrohre, Kabel, Fasern, Wellenlängen, Bandbreiten etc. auch alles mieten - je nach Standort nur eben von unterschiedlich vielen Wettbewerbern (notfalls nur von der Telekom, oft aber auch von Strom- und Gasversorgern oder anderen Carriern etc.) und zu unterschiedlich hohen Preisen.

Ein CbC-Carrier muß sich - um seine Dienste anbieten zu können - an einer gewissen Zahl von Übergabepunkten (Points of Interconnection, POI - im Reguliererdeutsch "Orte der Zusammenschaltung" genannt) mit dem Telefonnetz der Telekom zusammenschalten. Dies kann auf der überregionalen Netzebene mit bis zu 23 Standorten oder auch auf der regionalen Netzebene mit bis zu 474 Standorten erfolgen.

Die dort bestellten Interconnection-Anschlüsse (ICAs) werden an eine oder mehrere eigene Vermittlungsstellen angebunden. Die ICAs können dabei entweder am jeweiligen Vermittlungsstandort der Telekom gebucht werden und in eigener Regie mit der hauseigenen Vermittlungstechnik verbunden werden (das kann sich lohnen, wenn man eh schon "eigene" Leitungen in der Region hat bzw. bereits für andere Produkte Kapazitäten gemietet hat) oder aber man läßt sich die ICAs von der Telekom an eigene Standorte zuführen. Im einen Fall also - salopp formuliert - bestellt man nur den IC-Anschluß, im anderen Fall eine Art Paket aus ICA und Standleitung.

Die eigenen Vermittlungsstellen werden wiederum mit Standleitungen untereinander verbunden. Dies kann über selbst errichtete oder gemietete Glasfasern, Wellenlängen, Bandbreiten, etc. erfolgen. Ein großer Carrier wird für die Verbindung von z.B. München nach Frankfurt meist auf "eigene Glasfasern" zurückgreifen können (vielleicht tatsächlich selbst verlegt, vielleicht auch irgendwo angemietet). Ein kleiner Carrier wird eher die nötige Bandbreite irgendwo als fertige Standleitung einkaufen.

Je mehr Übergabepunkte ein CbC-Carrier zur Telekom errichtet, um so günstiger werden die Interconnection-Kosten, die er pro Minute an die Telekom bezahlen muß (es gibt drei Tarifzonen, jenachdem wieviele Netzebenen eine Verbindung durchläuft). Im Gegenzug steigen aber die Fixkosten für Anschlüsse, Standleitungen, etc. Ein CbC-Carrier muß sich also überlegen, wieviele Übergabepunkte er einrichten will. Will er flächendeckend Ortsgespräche anbieten, muß er aber alle 474 regionale Übergabepunkte erschließen (wobei diese Pflicht - wenn ich recht informiert bin - demnächst fallen soll oder bereits weggefallen ist) - das ist auch der Grund, warum nicht jeder CbC-Anbieter Ortsgespräche anbietet und daher Ortsgespräche via Call-by-Call teilweise teurer sind als Ferngespräche.

Verbindungen in Drittnetze (alternative Festnetze, Mobilfunknetze, Ausland) kann der CbC-Carrier entweder auch bei der Telekom einkaufen oder aber er schaltet sich noch mit weiteren Carriern zusammen und kann dann für jedes Ziel aus einer mehr oder weniger großen Zahl an Routen wählen.

Mir ist dieser Unterschied nämlich nicht klar, weil es sich bei call-by-call immer so anhört, dass Nachfrager keine Netze haben, dann kann ich aber nicht nachvollziehen, wie die Gespräche dann technisch vermittelt werden können. Im WWW wird leider nur darauf verwiesen, wie es für den Kunden funktioniert (Vorwahl wählen etc.), nicht aber, über welche Netze es läuft.

DSL und auch Call-by-Call lassen sich sowohl mit viel als auch mit wenig "eigener" Infrastruktur realisieren. Oder im Extremfall auch quasi mit gar keiner eigenen Technik, wenn man als reiner Wiederverkäufer am Markt tätig sein will. Was man nicht "selbst" macht, muß man halt einkaufen. Wobei man auch für "selbstgemachtes" oft in irgendeiner Art auf fremde Vorleistungen angewiesen ist.

Es ist aber richtig, daß gerade Call-by-Call der Ruf anlastet, die Wettbewerber würden sich hier "ins gemachte Nest" der Telekom setzen, für wenig Geld fremde Netze nutzen und kaum eigene Infrastruktur aufbauen. Diesen Vorwurf halte ich aber gerade heutzutage hier für genauso berechtigt oder unberechtigt (je nachdem, wie man es sehen mag), wie in anderen Teilen des TK-Marktes.

Dieser Ruf dürfte vor allem auf die Anfangszeit von Call-by-Call zurückzuführen sein. Die damalige Mobilcom hatte zu Beginn von Call-by-Call im Jahre 1998 mit der 01019 den Telefonmarkt ziemlich preisaggressiv aufgemischt. Und das - der Legende nach - anfangs mit einem einzigen Übergabepunkt zur Telekom in Hamburg. Wenn also damals ein Nutzer über die 01019 von Stuttgart nach München telefonieren wollte, mußte die Telekom diese Verbindung von Stuttgart nach Hamburg schicken (wo sie einmal kurz die Vermittlungstechnik von Mobilcom passierte) und dann weiter von Hamburg nach München.

In der Folge versuchte die Telekom für solcherlei "atypischen Verkehr" Zuschläge auf die regulären IC-Entgelte durchzusetzen, was aber nicht gelang. Es wurden aber später Regelungen geschaffen, daß ein CbC-Anbieter zumindest ein paar Übergabepunkte (die genaue Zahl habe ich jetzt nicht im Kopf, es war glaube ich von drei oder vier die Rede) haben muß. Dieses Ein-Übergabepunkt-Geschäftsmodell wurde in der Folge aber ohnehin uninteressant, weil hier ja meist die höchsten IC-Tarifstufen fällig wurden und das Preisniveau im Markt immer weiter in Richtung der IC-Entgelte sank. Da brauchte man also irgendwann schon deshalb mehr Übergabepunkte, um mehr Nutzer in den günstigeren Tarifzonen erreichen zu können.

Und wenn wir schon bei diesem Beispiel sind:
Mobilcom baute in der Folge sein Netz immer weiter aus - schließlich sogar auf alle maximal möglichen 474 Übergabepunkte (damit man ab 2003 flächendeckend Ortsgespräche anbieten konnte). Eine Verbindung von Stuttgart nach München wurde damit dann also bereits in Stuttgart an Mobilcom übergeben, von Mobilcom über einen beim Glasfasernetzbetreiber Gasline angemieteten Glasfaserring nach München geschickt, und dann in München an die Telekom übergeben.

In den letzten Jahren hat sich das Unternehmen (bzw. die heutige freenet) aber immer weiter aus dem Festnetzmarkt zurückgezogen und schließlich 2010 eine Netzkooperation mit QSC abgeschlossen, sodaß freenet jetzt im Grunde die NGN-Infrastruktur von QSC nutzt, die über ihre Tochter Ventelo selbst einige CbC-Vorwahlen betreiben.

Und auch die Telekom ist heute nicht mehr ganz so stark darauf erpicht, daß die CbC-Carrier möglichst viele Übergabepunkte errichten. Die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen IC-Tarifzonen sind inzwischen deutlich gesunken. Einerseits, damit Carrier mit kleinen Netzen nicht verstärkt ihre Verbindungsleistungen ins Festnetz bei Telekom-Konkurrenten einkaufen (ein Carrier mit vielen Übergabepunkten wird diese Infrastruktur dann meist auch nutzen, um Konkurrenten günstige Vorleistungen anbieten zu können), andererseits auch als Vorgriff auf die zukünftige VoIP-basierte Welt der Next Generation Networks (NGN). Auch dort wird es Netzzusammenschaltungen und Call-by-Call geben. Dann werden sich die Konkurrenten aber voraussichtlich nur an jeweils zwei von ca. zehn verfügbaren Standorten ans Telekom-Netz anschließen.

Soweit jetzt mal ein kleiner RItt quer durch die deutsche TK-Branche und über 15 Jahre Geschichte im Call-by-Call-Markt... ;-)

cu talk