Frei Sprechen
13.05.2008 15:44

Einmischen der EU

unauffälliger Versuch Blogs zu vereinheitlichen?
teltarif.de Leser sebastian363 schreibt:
Hab grade einen Bericht gelesen der mich echt erstaunt hat. Es ist ja nichts neues das die EU immer mehr Einfluss nimmt, zum Teil auch im Bereich Telefonie (z.B. bei Roamingkosten). Aber jetzt haben sie wohl scheinbar einen neuen Bereich für sich entdeckt: Blogs

Der Kulturausschuss des EU-Parlaments will "alternative Medien unterstützen um eine kulturelle Vielfalt sicherzustellen." Blogs werden dafür als wichtige Möglichkeit gesehen und deshalb sollen Blogger zukünftig aus mehreren Fonds finanziell unterstützt werden. Eigentlich eine gute Idee mit "Tagebuch-Schreiben" Geld zu verdienen =)

Genau mit der Chance so Geld zu verdienen beginnt aber auch die Problematik: Es wird wohl nur ein kleiner Teil der bereits bestehenden Blogs den Vorgaben der EU entsprechen. Und die Bloggerwelt befürchtet die politische Einflussnahme, da sich wohl nach und nach einige Blogs ähnlicher werden würden um von der EU vielleicht auch unterstützt zu werden. Und somit wäre genau das Gegenteil des ursprünglichen Ziels erreicht.

Also ich hab mich mittlerweile daran gewöhnt das die EU immer mehr Einfluss nimmt und dabei teilweise echt kurioses rauskommt, aber das sie jetzt ja schon irgendwie an Blogs (Tagebücher!!!) rumfummeln wollen, finde ich merkwürdig und irgendwie auch negativ. Insgesamt sehe ich die EU eigentlich positiv aber trotzdem nerven die Richtilinien zu wirklich jedem Thema. Oder bin ich mit dieser Meinung alleine?

einmal geändert am 13.05.2008 16:26
Kommentare zum Thema (2)
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Politik und Medien
Kai Petzke antwortet
15.05.2008 21:46
Da bisher keiner auf diese sehr interessante Frage geantwortet hat, mache ich nun mal den Anfang.

Benutzer sebastian363 schrieb:
Und die Bloggerwelt befürchtet die politische Einflussnahme, da sich wohl nach und nach einige Blogs ähnlicher werden würden um von der EU vielleicht auch unterstützt zu werden. Und somit wäre genau das Gegenteil des ursprünglichen Ziels erreicht.

Diese Angst ist sicher begründet. Die EU hat viel Geld, sie setzt es aber nicht immer sinnvoll ein. Überdimensionale Agrarsubventionen sind ja ein bekanntes Beispiel hierfür, der "politische Wanderzirkus" mit dem dauernd wechselnden Ratsvorsitz ein weiteres.

Wie soll die EU nun Blogger unterstützen? Ich denke da an drei Möglichkeiten: Erstens, indem sie diese als Journalisten ernst nimmt und z.B. auch zu Sitzungen akkreditiert oder auf Anfragen Auskünfte erteilt. Das ist erstmal positiv. Die Gefahr besteht aber im Exzess, wenn tausende von Anfragen zu wichtigen Dingen wie dem lokalen Ameisenzüchterverein eintrudeln, und folglich die Arbeit der Pressestellen blockieren. Die Gefahren in diese Richtung sind aber überschaubar.

Zweitens könnte die EU auf die Idee kommen, die Entwicklung von Blog-Software und frei zugänglichen Blog-Portalen zu fördern, oder den Rechtsschutz von Bloggern zu verbessern. Letzteres tut tatsächlich not: Abmahnungen und Unterlassungsklagen wegen angeblicher "Schmähkritik" können einen Blogger angesichts exzessiver Streitwerte und daraus folgender Anwalts- und Gerichtskosten schnell in den Ruin treiben.

Schließlich könnte die EU tatsächlich Geld an Blogger zahlen. Andererseits: Dass Journalisten bezahlt werden, kennt man nur aus Staaten, die an freier Meinung kein oder zumindest kein hohes Interesse haben, und die EU ist hoffentlich so clever, sich nicht mit diesen auf eine Stufe stellen zu wollen.
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Blogozentrisches Weltbild? ;)
chrisild antwortet auf Kai Petzke
17.05.2008 14:35
Die Berichte über die angeblichen Vorhaben zur Finanzierung von Blogs erinnern doch ein wenig an Stories über "EU-Pläne", die Synchronisation von Filmen zu verbieten oder England aufzuteilen. (Beides Beispiele aus diesem Jahr.) Früher fand sich so etwas hauptsächlich in britischen Medien, heute kommen solche Artikel offenbar auch in deutschen gut an.

Und natürlich ist es einfacher, von "der" EU zu schreiben, als zu differenzieren, wer denn da welche Vorschläge macht. Das Europäische Parlament ist - so haben es die nationalen Regierungen (!) festgelegt - überhaupt nicht für das Agrarbudget zuständig. Und der Kultur- und Bildungsausschuss des EP, um den es hier geht, erst recht nicht ...

Dieser Ausschuss hat sich Gedanken darüber gemacht, wie man angesichts der zunehmenden Konzentration auf dem Medienmarkt sogenannte "Bürgermedien" stärken bzw. unterstützen könnte. (In der englischen Fassung ist von "community media" die Rede.) Hier ist der deutsche Text als PDF-Datei:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML%20COMPARL%20PE-402.919%2001%20DOC%20PDF%20V0//DE&language=DE

Die Kriterien und Beispiele, die in dem Bericht genannt werden, machen eigentlich recht deutlich, dass es kaum darum gehen wird, die Blogs einzelner Schreiber zu fördern. Ein offener Kanal dagegen (wie es ihn im Radio- und TV-Bereich auch in DE stellenweise gibt), oder ein Internetforum zum Thema Leben in einem anderen Mitgliedstaat, wäre schon eher ein Bürgermedium in diesem Sinne ...