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Es blinkt nicht mehr: Geocities ist Geschichte

Alte Homepages der 1990er lassen sich aber zum Teil noch anderweitig abrufen
Von Ralf Trautmann

Seit gestern ist ein seinerzeit wahrlich innovatives Angebot Geschichte, das allerdings in der jüngsten Vergangenheit wohl auch kaum mehr jemand nutzte - der Geocities [Link entfernt] -Dienst von Yahoo.

In der Zeit nach der Einführung des eigenständigen Angebotes 1994 und den Folgejahren (auch nach der Yahoo-Übernahme 1999) war dies allerdings anders: Der Webhosting-Dienst Geocities brachte kostenfreien, aber mit Werbeeinblendungen versehenen Webspace für jedermann und erfreute sich großer Beliebtheit. Während sich heute jeder Interessent für ein paar Euro pro Jahr Online-Speicherplatz sowie eine Domain sichern und darauf basierend eine eigene Homepage bauen kann, war ein entsprechendes Ansinnen damals für den Durchschnittsnutzer in der Regel nicht erschwinglich. Bild vom Geocities-Logo Geocities-Logo
Bild: Yahoo
Dabei hatten bei Geocities auch Einsteiger die Möglichkeit, dank Baukasten an eine eigene Seite zu kommen (und das mit Features wie Benutzerzähler oder Gästebuch) - heute natürlich vom Konzept her nichts besonderes mehr, damals aber ebenfalls außergewöhnlich. Thematisch ließen sich die Webseiten dann auch noch einer Kategorie zuordnen, um sie besser auffindbar zu machen - im Google-Zeitalter verspricht dies natürlich wenig Mehrwert.

Entsprechend hatte Geocities in letzter Zeit vor allem einen historischen Wert, erlaubten die größtenteils verwaisten und oft niemals fertiggestellten Seiten (erkennbar unter anderem am damals inflationär verwendeten Baustellenschild) doch einen Blick auf die aufstrebende Webkultur der Neunziger und hier auch auf die Auswüchse in der Gestaltung: Dank der Erfindung des animierten GIF-Bildes begrüßten den Internet-Nutzer blinke Pfeile, tanzende Comic-Figuren oder kurze Feuerwerke, und dudelnde Hintergrundmusik tat im Zweifel ihr Übriges - leider kann es mancher Nutzer aber ja bis heute nicht lassen, seine Homepage mit derartigen Features zu "verschönern".

Ansonsten war der Dienst (trotz natürlich anderslautender Nutzungsrichtlinien) zunehmend zur Virenschleuder und zum Hort für Porno- und Phishing-Seiten verkommen, sinnvolle neue Inhalte gab es wohl kaum. Das abnehmende Interesse ist auch auf die wenig attraktiven Internetadressen zurückzuführen, denn alle Angebote befanden sich auf Unterseiten von www.geocities.com. Dass der Dienst eingestellt wurde, ist daher nur konsequent, denn heute gibt es weit zeitgemäßere Lösungen - noch Geld mit Geocities verdienen war für Yahoo wohl schwierig.

Blick auf archive.org fördert manchen Schatz zu Tage

Der Dienst wird aber ab sofort nicht nur für Neukunden nicht mehr angeboten, die bestehenden Inhalte wurden auch gelöscht. Das ist schade - wer trotzdem einen Blick riskieren oder gar eigene, alte Inhalte retten will, kann aber hoffen: Abhilfe schafft zumindest zum Teil das Angebot von Archive.org mit seiner Wayback Machine, klassischer Geheimtipp für das Aufspüren zig-fach überarbeiteter oder gar komplett gelöschter Seiten. Der Dienst hat es sich, naheliegend bei dieser Namensgebung, zur Aufgabe gemacht, Internet-Inhalte zu archivieren (und das seit 1996) und extra für Geocities eine eigene Projekt-Unterseite ins Leben gerufen. Die nur in den Anfängen angebotenen geocities.com-E-Mail-Adressen können übrigens laut Yahoo weiterhin genutzt werden - wenn diese denn tatsächlich noch jemand verwenden sollte.