Google Books

Google Books: In Europa wird weiter gestritten

Alternative Digitalisierungs-Projekte kommen nur langsam voran
Von Verena Huth / Björn Brodersen

Im Dezember 2004 tauchten bei Google erstmalig Suchergebnisse aus gescannten Büchern auf - und damit die ersten Spuren des Mammut-Digitalisierungsprojekts Google Books. Mit diesem wird mittlerweile häufig die Devise "erst handeln, dann fragen" assoziiert, da Google im Namen des intellektuellen Gemeinwohls zunächst munter Bücher scannte, ohne zuvor die Zustimmung der geistigen Urheber einzuholen. Ursprünglich beabsichtigte der Internet-Konzern, bis 2015 stattliche 15 Millionen Bücher zu scannen, um so einen gigantischen digitalen Erinnerungsspeicher anzulegen - und sicherlich auch, um durch eine steigende Zahl von Suchanfragen immer mehr Werbekunden anzulocken. Das Modell hinter Google Books: Google liest den Bestand gratis ein und erhält dafür einen privilegierten Zugang über seine eigene Suchmaschine im Internet. Bislang wurden im Rahmen von Google Books mehr als zehn Millionen Bücher gescannt und katalogisiert, heißt es.

Proteste von Autoren- und Verlegerseite

Kurze Zeit, nachdem Google mit dem Digitalisierungs-Projekt begonnen hatte, hagelte es bereits Proteste von Autoren- und Verlegerseite. Google forderte alle Rechteinhaber dazu auf, gegebenenfalls eine Erklärung abzugeben, falls sie ihre Werke nicht digital zugänglich machen wollten (Opt-Out). Gegen dieses Verfahren setzten sich Autoren und Verleger wiederum wütend zur Wehr - sie forderten ein umgekehrtes Vorgehen von Seiten Googles - also "erst fragen, dann handeln" (Opt-In) - und formulierten eine Sammelklage.

Jean Jeanneney, ehemaliger Direktor der Französischen Nationalbibliothek, war in dieser Phase einer der vehementesten Gegner der Google-Buch-Digitalisierung. Er forderte eine breite Unterstützung des europäischen Bibliotheksportals Europeana als "antikapitalistisches Gegenmodell zum Ermächtigungsakt Googles". Die Entwicklung dieser digitalen Ehrenrettung kommt allerdings nur langsam voran, da sowohl Technik als auch die Finanzierung den Verantwortlichen Probleme bereiten.

Das Google Book Settlement

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Screenshot: teltarif.de
Im globalen Urheberrechts-Streit erreichte Google ein erstes Abkommen im Oktober 2008. Gegen eine Zahlung von 125 Millionen Dollar sowie die Zusicherung, Rechteinhaber an den Werbeeinnahmen zu beteiligen, erkaufte sich das Unternehmen vorläufig das Recht, Millionen Bücher von Universitäten und Büchereien einzuscannen und ins Netz zu stellen. Doch da die Einigung auch urheberrechtlich geschützte Bücher betraf, empörten sich zahlreiche internationale Verlage. Auch Microsoft, Yahoo und Amazon schlossen sich zu einem Open Books Alliance genannten Gegenverbund zusammen.

Auf all diese Vorwürfe hin wurde wiederum eine Neufassung des Abkommens gefordert, woraufhin sich Google und der amerikanische Verleger- und Autorenverband auf einen Kompromiss einigten: Demnach sollen nur noch urheberrechtlich geschützte Bücher in den Google-Katalog eingehen dürfen, die in den USA, Großbritannien, Australien oder Kanada verlegt wurden. Doch in anderen Ländern ist dieser in den USA errungene Kompromiss sehr umstritten. Google kündigte in diesem Zusammenhang an, nationale Blockaden im Internet zu entwickeln, so dass keine Zuwiderhandlungen unternommen werden könnten.

Heidelberger Appell zu Schutz des Urheberrechts

In Deutschland beschloss im März 2007 die Bayerische Staatsbibliothek als erste deutsche Bibliothek eine Zusammenarbeit mit Google. Im Heidelberger Appell plädierten Schriftsteller, Verlage und Wissenschaftler gemeinsam für den Schutz des Urheberrechts. In der entstandenen Schrift vermischte sich jedoch die Kritik am Google Book Settlement mit einer generellen Kritik an Open-Access-Modellen. Damit entkräfteten sich diese Bemühungen teilweise selbst.

Auch von Seiten der Bundesregierung wurde am Google Book Settlement deutliche Kritik geübt: Google würde konkurrierende Projekte wie das Modell Europeana, das Urheberrechte achte, verdrängen. Als deutschen Beitrag zur Euroepana will die Bundesregierung an 2011 das Projekt "Deutsche Digitale Bibliothek" auf den Weg bringen. Die EU-Kommission forderte eine grundlegende Revision des Urheberrechts, um Europa von der amerikanischen Gesetzeslage zu schützen.

Französische Verlagsgruppe erhält Schadensersatz von Google

Mit einem kürzlich errungenen pionierhaften Sieg über Google konnte die französische Verlagsgruppe La Martiniere neue Hoffnungen der Verlagsbranche auf eine europäische Google-Gegenwehr säen. Google muss wegen Zuwiderhandlungen gegen das Urheberrecht einen Schadensersatz in Höhe von 300 000 Euro an La Martiniere zahlen. Zudem ist es dem Internet-Konzern untersagt, weitere Bücher, die von La Martiniere verlegt wurden, einzulesen. Bei Zuwiderhandlung muss Google täglich 10 000 Euro Strafe bezahlen. Die Verlagsgruppe hatte eine Entschädigung in Höhe von 15 Millionen Euro gefordert.

Google wird wohl Berufung gegen die Entscheidung einlegen. Es ist aber auch davon auszugehen, dass nach diesem Urteil weitere Verleger Klagen gegen Google anstrengen werden. In Frankreich gibt es mit dem von der Nationalbibliothek geleiteten Projekt Gallica ein Gegenmodell zu Google Books, das allerdings ebenfalls nur sehr langsam vorankommt.

So geht es 2010 weiter

Am 18. Februar des kommenden Jahres findet das Final Fairness Hearing in New York statt, nach dem das zuständige Gericht den Vergleich zwischen amerikanischen Autoren und Verlegern sowie Google genehmigen oder ablehnen muss. Bei einer Genehmigung gäbe es zumindest für den englischsprachigen Raum eine Rechtssicherheit. Darüber hinaus wurde die Frist für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen für widerrechtlich vorgenommene Digitalisierungen vom 5. Januar auf den 5. Juni 2010 verlängert. Europäische Verlage und Autoren, die eine Verbreitung ihrer Bücher im Internet nicht hinnehmen wollen, müssten sich selbst gegen Google wehren, wenn Mitte Februar in New York der Einigungsvorschlag bewilligt wird.