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Internet-Sperren: Von der Leyen räumt Nachbesserungsbedarf ein

"Zensursula" kann Kritiker nicht überzeugen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Im Grunde wollen alle das Gleiche. Das gemeinsame Ziel, Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen, gerät aber durch den Streit über die dazu vorgesehenen Maßnahmen in den Hintergrund. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat mit ihrem Vorschlag, die Überwachung verdächtiger Websites in die Hand des Bundeskriminalamtes (BKA) zu legen, bei der Internet-Gemeinde einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. "Zensursula" wird von der Leyen seit Wochen in Foren und Chatrooms genannt, eine Online-Petition gegen den Gesetzesvorschlag von Union und SPD erhielt in knapp vier Wochen über 100 000 Unterschriften - ein Rekord.

Heute wurde der Entwurf in einer öffentlichen Expertenanhörung im Bundestag beraten. Dabei zeichnete sich ab, dass das Gesetz in der aktuellen Form wohl nicht beschlussreif ist. Von der Leyen räumte "Nachbesserungsbedarf" ein, von ihren Plänen will sie aber nicht abrücken. "Von meinem Ziel, die freie Verfügbarkeit der Bilder vergewaltigter Kinder im Netz zu stoppen, lasse ich mich keinen Deut abbringen", sagte von der Leyen. Doch darum geht es auch nicht. "Von allen Experten werden wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornografie gefordert", betonte Oliver Süme vom Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco). Diese seien in dem Vorschlag kaum zu finden.

Kollateralschäden vorprogrammiert

Besonders dass eine Blockierung vom BKA verordnet werden soll, ist den Kritikern ein Dorn im Auge. "Kollateralschäden" sind nach Meinung der Internet-Surfer vorprogrammiert - dass in den Listen auch "unschuldige" Seiten auftauchen, scheint unvermeidbar. Auf einer Sperrliste in Finnland landeten kürzlich 1 047 Domains - ganze neun davon enthielten tatsächlich kinderpornografische Inhalte.

Um einem Missbrauch der Sperrliste vorzubeugen, hat von der Leyen nun die Gründung eines unabhängigen Gremiums in Aussicht gestellt. Auch das BKA betonte, im Zweifelsfall von einer Aufnahme auf die Liste abzusehen. Wie das im konkreten Fall aussehen soll, ist bislang unklar. Der Verdacht auf Internet-Zensur bleibt.

Vor allem das Blockieren von Websites - mit einem großen Stopp-Zeichen - könne nur einen Teil der illegalen Online-Tätigkeiten eindämmen, sagen die Kritiker und verweisen auf eigene Erfahrungen. Der Verband eco betreibt zum Beispiel eine Hotline, bei der auch Beschwerden über Kinderpornografie eingereicht werden können. Nach Verbandsangaben betrafen dabei im vergangenen Jahr von 2 562 Beschwerden nur 449 das Internet. Andere Plattformen wie Tauschbörsen, wo man sich zum persönlichen Austausch von Kinderpornos verabredet, wären von den Sperren, die ohnehin nur "flankierende Maßnahmen" sein dürften, gar nicht betroffen, bemängelte Süme.

Dass eine Zugangsblockierung die "ultima ratio" sein muss, unterstrich auch die Medienwissenschaftlerin Korinna Kuhnen. Vorrang im Kampf gegen Kinderpornografie müsse die strafrechtliche Verfolgung haben. Diese ist aber nur möglich, wenn die verbotenen Web-Inhalte auf einem Server in Deutschland oder der Europäischen Union liegen. Ist dies nicht der Fall, sollen von der Leyens Maßnahmen greifen. Die große Gefahr scheint, dass diese nach hinten losgehen. Provider könnten durch das Gesetz dazu verleitet werden, Inhalte nur noch zu sperren und nicht zu löschen, befürchtet Süme.