Scheuer: Netzausbau-Offensive für ländliche Räume startet
"Ihr baut mehr aus, dafür müsst ihr später zahlen." Digital-Minister Andreas Scheuer hat mit den vier Mobilfunknetzbetreiber einen Deal abgeschlossen.
Foto: Picture Alliance - dpa
Auf dem Mobilfunkgipfel 2018 hatten die Mobilfunknetzbetreiber letztes Jahr angekündigt, die Versorgung im ländlichen Raum mit einer "Ausbauoffensive" stark zu verbessern. Bis Ende 2021 sollen 99 Prozent der Haushalte (nicht der Fläche) in jedem Bundesland eine LTE-Versorgung erhalten.
Neuer Vertrag unterschrieben
"Ihr baut mehr aus, dafür müsst ihr später zahlen." Digital-Minister Andreas Scheuer hat mit den vier Mobilfunknetzbetreiber einen Deal abgeschlossen.
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Der Bund hat heute mit den Mobilfunknetzbetreibern Telekom, Vodafone, Telefónica und 1&1 Drillisch neue Verträge geschlossen, die diese Zusage rechtlich verbindlich machen sollen. Im Gegenzug ermöglicht der Bund den Netzbetreibern, ihre Zahlungspflichten aus der Frequenzauktion 2019 mit jährlichen Raten über einen Zeitraum bis 2030 zu strecken.
Minister optimistisch
Bundesminister Andreas Scheuer ist voller Optimismus: „99 Prozent der deutschen Haushalte werden bis Ende 2020 unterbrechungsfrei telefonieren und surfen können - dafür haben wir jetzt die rechtsverbindliche Zusage der Mobilfunkbetreiber. Mehr als 1400 neue Mobilfunkmasten werden dazu errichtet. Das ist ein klares Signal, dass der Mobilfunkausbau in bislang unterversorgten Regionen mit voller Kraft vorangetrieben wird“.
Telefónica: Schulterschluss von Politik und Industrie
Der Chef von Telefónica Deutschland, Markus Haas, pflichtet dem bei: „Für unsere 45 Millionen Kunden im o2-Netz ist der heute geschlossene Pakt eine gute Nachricht. Wir haben im Schulterschluss mit der Politik und der Industrie die Voraussetzungen dafür geschaffen, unser hochmodernes Netz noch schneller und noch weiter in die Fläche zu bringen. Für eine digitale Vernetzung Deutschlands auf Weltniveau müssen wir jetzt mutig weitere Schritte gehen“ Haas hatte gefordert, dass der Netzausbau durch den Bund gefördert werden sollte.
Telekom: Entscheidender Schritt, um Funklöcher zu schließen
Dr. Dirk Wössner, Vorstand der Telekom Deutschland stellt fest „Ein Jahr nach dem Mobilfunkgipfel haben wir einen entscheidenden Schritt gemacht, um Funklöcher zu schließen. Wir halten unsere Versprechen zum Netzausbau - indem wir weiße Flecken konsequent schließen, jeden Tag. Mittlerweile haben wir rund 30 000 Standorte für Mobilfunk am Netz. Im Gegenzug haben wir uns nun über die Zahlungsmodalitäten für die Vergabe der 5G-Lizenzen geeinigt. Das ist wichtig. Denn nun haben wir Planungssicherheit und können mit 5G loslegen. Wir wollen 5G nicht nur schnell, sondern vor allem in zusammenhängenden Gebieten ausbauen. Weiße Flecken zu schließen, ist besonders wichtig. Denn damit wird die Basis gelegt, dass künftig auch dort 5G ausgebaut wird.“
Vodafone: Alle drei Stunden ein Bauprojekt
Hannes Ametsreiter, CEO Vodafone Deutschland sieht das so: „Schon heute schaffen wir alle drei Stunden ein LTE-Bauprojekt in Deutschland und schließen damit immer mehr Funklöcher - auch auf dem Land. Mit dem Mobilfunkpakt erhöhen wir die Ausbaugeschwindigkeit jetzt noch einmal deutlich. Unser Ziel: Deutschland gemeinsam mit der Politik noch digitaler machen.“
Neu im Bunde: 1&1-Drillisch: Leisten einen Beitrag
Ralph Dommermuth, als CEO 1&1 Drillisch AG neu im Club der Netzbetreiber, verspricht: „Mit dem Bau zusätzlicher Mobilfunkstandorte wollen auch wir als Neueinsteiger einen Beitrag leisten, den ländlichen Raum mit modernster Mobilfunktechnologie zu versorgen. Dass dieser Ausbau in Kooperation mit den drei anderen Netzbetreibern geschieht, ist ein erster und wichtiger Schritt. Denn kein Netzbetreiber wird ein leistungsstarkes 5G-Netz für ganz Deutschland alleine bauen können.“
Was steht im Vertrag?
Der Vertrag enthält u.a. folgende Punkte:
- Mit einer Versorgung von 99 Prozent der Haushalte (nicht der Fläche) bundesweit bis Ende 2020 und 99 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland (damit müssen auch die dünner besiedelten Bundesländer besser ausgebaut werden, bis 2021 wird sich die Versorgung gerade in ländlichen Räumen schnell und spürbar verbessern.
- Die Kooperationen der Mobilfunkbetreiber untereinander wird gestärkt und so die finanzielle Belastung des Aufbaus geteilt: Insgesamt werden bei einem Vertragsschluss mit allen vier Mobilfunknetzbetreibern in Summe mindestens 1400 zusätzliche Mobilfunkmasten errichtet, die für eine Nutzung durch jeden Betreiber offen stehen.
- Der Bund unterstützt die Mobilfunknetzbetreiber im Gegenzug mit den in den Verträgen niedergelegten Zahlungserleichterungen im Nachgang zu der 5G-Frequenzversteigerung.
Zusätzlich zu den im Vertrag festgelegten Ausbauzusagen wurden im Zusammenhang mit der 5G-Auktion weitere Ausbauziele vereinbart:
- bis Ende 2022 alle Bundesautobahnen mit mindestens 100 MBit/s und höchstens 10 Millisekunden (ms) Latenz,
- bis Ende 2022 die Bundesstraßen mit Verbindungsfunktionsstufen 0 / 1 mit mindestens 100 MBit/s und höchstens 10 ms Latenz,
- bis Ende 2024 alle übrigen Bundesstraßen mit mindestens 100 MBit/s und höchstens 10 ms Latenz,
- bis Ende 2024 alle Landes- und Staatsstraßen mit mindestens 50 MBit/s,
- bis Ende 2024 die Seehäfen sowie das Kernnetz der Wasserstraßen im Binnenbereich mit mindestens 50 MBit/s,
- bis Ende 2022 die Schienenwege mit mehr als 2000 Fahrgästen pro Tag mit mindestens 100 MBit/s,
- bis Ende 2024 alle übrigen Schienenwege mit mindestens 50 MBit/s zu versorgen, sowie
- "5G-Basisstationen" und 500 Basisstationen mit mindestens 100 MBit/s in "weißen Flecken" bis Ende 2022 in Betrieb zu nehmen.
Eine Einschätzung
Der Deal bietet für die Beteiligten eine Win-Win-Situation. Die Netzbetreiber bauen mehr als ursprünglich geplant aus, dafür bekommen sie beim Bezahlen der teuren 5G-Lizenzen Zahlungsaufschub. 1400 Mobilfunk-Standorte mehr dürften „gefühlt“ nicht reichen, es werden wahrscheinlich noch einiges mehr an Standorten gebraucht, um das Idealziel einer Flächendeckung aller befahrenen Verkehrswege und Gebiete, wo sich regelmäßig Menschen aufhalten, zu erreichen.
Zur Erinnerung: Länder wie Finnland, Norwegen oder Schweden sind oft dünner besiedelt als hierzulande, aber dennoch besser versorgt. Es geht also.
Die meisten Standorte dürfte die Deutsche Telekom aufbauen, die den Anspruch verfolgt, das „beste“ Netz zu bieten, woraus sich für sie die Chance ergibt „Premium“-Preise zu nehmen. Netzbetreiber Nummer zwei bis vier sollten sich aber nicht aus der Verantwortung stehlen und beim Netzausbau, jeden Euro fünf mal umdrehen und dann abseits der Ballungszentren lieber doch nicht auszubauen. Die Kunden können die Entscheidung für den Netzausbau durch eine gezielte Auswahl des Anbieters beeinflussen, auch wenn es dann auf den ersten Blick etwas teurer für sie wird.
Eins fehlt: Eine klare Aussage, wie die teilweise endlosen Genehmigungsverfahren in Zukunft gestrafft werden könnten. Wäre es nicht einfach denkbar, dass künftig eine Mobilfunkstation automatisch als "genehmigt" gilt, wenn sie die Grenzwerte einhält und erst im Nachhinein geprüft wird, ob hier Verfehlungen vorliegen? Ist der Mobilfunk (und das schnelle Internet) nun Daseinsvorsorge des Staates oder weiter nur ein Spielball von kleingeistigen Bedenkenträgern und überlasteten regionalen Bürokraten?