Hintergrund

So kommen Netflix- & YouTube-Videos vom Internet auf den Rechner

Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und erfahren Sie, was im Internet passiert, wenn Sie ein YouTube-Video aufrufen. Zwar nutzen Sie einen US-Dienst, doch wussten Sie, dass das Video womöglich aus Deutschland ausgeliefert wird? Wir geben Ihnen Informationen zu Backbones und Content-Delivery-Networks (CDN).
Von Thorsten Neuhetzki

Bei großen, weltweiten Diensten wie Netflix oder Google stellt sich das Transit-IP-Problem nicht, da die Netzbetreiber Interesse daran haben, möglichst gut an die CDNs der Inhalteanbieter angebunden zu sein und Kosten zu minimieren. Auf diesem Weg sind wesentliche Daten von Google binnen fünf bis zehn Milisekunden beim taiwanesischen Nutzer, während ein Aufruf von unserem Server aus Berlin 300 ms bis 400 ms dauert (aus Deutschland sind wir in wenigen Millisekunden verfügbar). In unserem Fall ist das nicht tragisch, da wir uns mit unserem Angebot auf den deutschen und europäischen Markt konzentrieren und diesen schnell bedienen können - lediglich Deutsche, die sich in Taiwan über den deutschen Markt informieren wollen, hätten diese Ping-Zeiten. Global Player wie Google, Netflix oder Amazon können sich jedoch in der Regel solche Signallaufzeiten nicht erlauben und liefern die Daten über ihre CDNs direkt zu den wichtigsten Providern. Sie haben also bis zur Übergabe an den Provider die Hoheit über die Daten und die Leitung, die sie sich mit niemandem teilen müssen. Wer es sich leisten kann, ein CDN zu betreiben oder einen Betreiber damit zu beauftragen, die Daten auszuliefern, hat also bessere Möglichkeiten, seine Daten zu Kunden zu bringen als ein kleiner Content-Anbieter.

Doch nicht immer gibt es eine Zusammenschaltung zwischen dem Content-Riesen bzw. CDNs und den großen Carriern. So ist aus Branchenkreisen zu hören, dass die Deutsche Telekom beispielsweise mit Amazon keinen direkten Austausch pflegt, da man sich über das Peering nicht verständigen konnte. Stattdessen gebe es 16 unterschiedliche Routen zu Amazon, darunter offenbar auch Transit-Routen, die entsprechend zu Buche schlagen. Denn durch diverse Cloud-Dienste auch für Dritte und seine Video-Dienste kommt auch bei Amazon mittlerweile weit mehr Traffic zusammen als bei einer reinen Shopping-Seite, die Amazon einmal war. Doch auch wenn es kein direktes Abkommen gibt, funktionieren die Datenabrufe wie in diesem Fall zumeist gut.

Die Deutsche Telekom hat als Tier1-Betreiber in der ganzen Welt Übergabepunkte zu anderen Anbietern, ein Drittel davon befindet sich in Deutschland. Andere finden sich beispielsweise in Toronto, New York, Singapur und vielen weiteren, auch europäischen Städten. Oft finden diese Zusammenschaltungen in Telehäusern statt, wo dann nicht nur die Telekom und ihre Private-Peering-Partner zu finden sind, sondern auch zahreiche weitere Anbieter, was schnell zu weiteren Zusammenschaltungen führen kann. Teilweise befinden sich auch Internetaustauschknoten wie der De-CIX oder der BCIX (Public Peering) in solchen Telehäusen. Auch in dem von uns genutzten Rechenzentrum gibt es mit einem Teil des BCIX einen solchen Austauschknoten.

Fließende Grenzen zwischen Content, CDN, Backbone und Provider

So funktioniert ein CDN: Der Content-Server liefert die Daten an CDN-Server in verschiedenen Städten und Kontinenten. Hier holen die Provider die Daten ab und liefern sie an ihre Kunden. So funktioniert ein CDN: Der Content-Server liefert die Daten an CDN-Server in verschiedenen Städten und Kontinenten. Hier holen die Provider die Daten ab und liefern sie an ihre Kunden. (Vergößern mit Klick auf's Bild)
Grafik: teltarif.de / Jacqueline Bopp; Weltkarte: Fotolia
Die Grenzen zwischen einem Content-Anbieter, einem CDN-Betreiber, einem Backbone-Betreiber und einem Endkunden-Anbieter sind fließend. Es gibt Anbieter, die in allen Bereichen tätig sind. Dazu gehört Google. Das Unternehmen stellt Inhalte bereit, betreibt einen eigenen CDN, beteiligt sich an Backbone-Leitungen und bietet in begrenztem Umfang sogar Leitungen zum Kunden an. Die Deutsche Telekom betreibt einen eigenen, weltumspannenden Backbone und richtet sich an Endkunden, Level3 betätigt sich auf CDN- und Backbone-Ebene.

Fließend sind somit auch die vertraglichen Bedingungen zwischen den Peering-Partnern. Bis heute soll es bei großen, global tätigen Anbietern noch Peering-Vereinbarungen geben, die auf einem Handschlag aus längst vergangenen Zeiten basieren. Ohnehin ist an diesem Teil des Internets offenbar nicht viel Geld zu verdienen. Bei der Telekom soll der Peering- und Transit-Gewinn weniger als ein Promille des Gesamtumsatzes ausmachen, heißt es aus gut informierten Kreisen. Wirklich Geld scheint hier also nicht zu verdienen zu sein - zumindest gemessen am Gesamtumsatz.

Kundenärger trifft zumeist den Provider

Doch die Zusammenschaltungen und die Aufstockungen sind notwendig - andernfalls schieben die Kunden die Schuld für langsame Videos schnell auf das vermeintlich schlechte Netz des Providers. Dabei trifft diesen vielleicht gar keine Schuld, wenn sich der Provider zuvor nicht mit seinem Peering-Partner über eine Aufstockung der Zusammenschaltung einigen konnte, weil der Partner überzogene Vorstellungen hat. Dennoch: Fällt eine Leitung oder ein Peering - aus welchem Grund auch immer - aus, so ist es aus Sicht des Kunden der Provider, der keine gute Qualität liefert und der schnell für Ersatz sorgen muss, sind Leitungen komplett gestört.

Am Ende gilt: Im Internet passiert hinter dem eigenen Bildschirm deutlich mehr als sich mancher vorstellt. Mit einem Mausklick oder einem Tipper auf den Touchscreen in der YouTube-App werden Daten entweder einmal rund um den Erdball oder nur aus dem nächstgelegenen Rechenzentrum geliefert. Damit das alles funktioniert, müssen bei allen Netzbetreibern - egal auf welcher Ebene - die Netze kontrolliert, aber auch in die Netze investiert werden.

Und wenn Sie jetzt diesen Link anklicken, bekommen Sie zum einen weitere Informationen über ein großes Rechenzentrum und den DE-CIX - und dabei bemühen Sie durch den Klick auch gleichzeitig wieder zahlreiche Leitungen und Router, die Ihnen Daten aus dem von uns genutzten Rechenzentrum in Berlin liefern.