Hintergrund

So kommen Netflix- & YouTube-Videos vom Internet auf den Rechner

Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und erfahren Sie, was im Internet passiert, wenn Sie ein YouTube-Video aufrufen. Zwar nutzen Sie einen US-Dienst, doch wussten Sie, dass das Video womöglich aus Deutschland ausgeliefert wird? Wir geben Ihnen Informationen zu Backbones und Content-Delivery-Networks (CDN).
Von Thorsten Neuhetzki

Wer netflix.de oder youtube.com in seinen Browser eingibt, hat in der Regel die Erwartung, dass das Video oder der Spielfilm, den er sehen will, am besten sofort und ohne Verzögerung auf seinem Bildschirm ankommt. Diese Erwartung hat in dem Moment allerdings nicht nur ein einziger Nutzer, sondern Zigtausend, wenn nicht gar Hunderttausend oder Millionen anderer Nutzer auch. Oftmals werden identische Inhalte angefordert, teils aber auch Filme, die so gut wie nie abgerufen werden. Damit das alles funktioniert, sind viele Server, Glasfaserleitungen, Router und Netze beteiligt. Wir wollen Ihnen einen kleinen Einblick geben, was hinter Ihrem Bildschirm passiert, wenn Sie ein Video im Netz abrufen.

Bei einem - im Verhältnis zum gesamten Internet - kleinen Diensteanbieter wie teltarif.de ist die Auslieferung der Inhalte relativ einfach. Unsere Server stehen in einem Rechenzentrum in Berlin, das über Glasfaserleitungen an verschiedene Netzbetreiber, so genannte Carrier, angebunden ist. Diese liefern die Daten entweder direkt an Sie aus, sofern Ihr Provider auch mit unserem Rechenzentrum verbunden ist, oder macht das über einen Partner im sogenannten Peering, also einem Austausch von Daten in beide Richtungen auf Gegenseitigkeit. Im Idealfall werden zwischen den beiden Netzen gleich große Datenmengen ausgetauscht, hier ist das Peering dann in der Regel auch ohne eine gegenseitige Berechnung. Bei Anbietern wie Netflix oder Google wird der Austausch auf Gegenseitigkeit jedoch schwer, denn viele Daten sollen von Netflix zum Nutzer aber der Nutzer schickt kaum etwas zurück - ein Ungleichgewicht entsteht. Und auch ein einzelner Server oder selbst ein ganzes Rechenzentrum wäre mit dem Ausliefern aller Daten von Nutzern aus der ganzen Welt überlastet. Entsprechend unterscheidet sich auch der Abruf dieser Daten von einem Abruf dieses Artikels vom teltarif.de-Server in Berlin.

Nicht jedes YouTube-Video kommt von US-Servern

Server in einem großen Rechenzentrum in Frankfurt. Sie liefern Daten direkt aus, speichern sie aber auch als CDN zwischen. Server in einem großen Rechenzentrum in Frankfurt. Sie liefern Daten direkt aus, speichern sie aber auch als CDN zwischen.
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
YouTube gehört zu Google und ist entsprechend ein US-Dienst. Wer nun aber denkt, das jedes Video, das bei YouTube abgerufen wird, auch über "den großen Teich" nach Deutschland kommt, der irrt. Das Datenaufkommen für die Netzbetreiber, eine Leitung bis in die USA zu schalten, um dort ein Rechenzentrum von Google anzuschließen, wäre zu hoch und eine solche Leitung wohl nur für die wenigsten Anbieter machbar. Überhaupt gibt es weltweit nur ein gutes Duzend Anbieter, die über einen weltweiten Backbone verfügen (Tier1). Dazu gehört die Deutsche Telekom, aber auch Anbieter wie AT&T, Level3, NTT und TeliaSonnera. Eine feste Definition eines Tier1-Anbieters gibt es allerdings nicht, die Übergänge sind fließend. So hat beispielsweise auch Google ein großes Interesse daran, dass seine Inhalte möglichst schnell zum Nutzer kommen, und hat weltweit Datenleitungen - ist aber kein Tier1-Betreiber.

Um die Daten in der ganzen Welt schnell übertragen zu können, bedienen sich derart große Anbieter eines Content Delivery Networks (CDN). Ein solches CDN ist eine Art Netz aus Servern eines CDN-Betreibers. Dieses Netz stellt die Daten des Dienstes in der Nähe der Kunden bereit (Siehe dazu auch die Grafik auf der nächsten Seite). Ein beliebtes YouTube-Video wird also nach dem Mausklick nicht aus den USA "geholt", sondern möglicherweise von einem Server in Frankfurt oder Berlin. Wird in der nächsten Minute aber ein Video mit extrem wenig Abrufen angefordert, so wird dieses vermutlich nicht auf den Google-Servern in Deutschland vorgehalten, sondern kommt dann aus den großen Google-Rechenzentren in den USA. Es wird also immer eine gewisse Menge an stark nachgefragtem Content im Cache nahe des Kunden gehalten, der Rest kommt direkt vom Hauptserver.

Google liefert das Signal oft selbst bis nach Deutschland

So kommt das Netflix-Video auf den Rechner So kommt das Netflix-Video auf den Rechner
Foto: dpa
Doch auch für dieses Videosignal aus den USA muss im Fall von Google nicht unbedingt der Provider des Nutzers sorgen. Es reicht eine Kooperation mit Google aus, dann transportiert Google das Video bis zum Übergabepunkt in Deutschland. Diese Peerings kommen aber nur noch selten ohne eine Berechnungsgrundlage zustande, da es ein Ungleichgewicht im Trafficaufkommen gibt. Entsprechend versuchen die Netzbetreiber, sich dafür bezahlen zu lassen, wenn sie deutlich mehr Traffic in das eigene Netz lassen, als ins Partnernetz zurückgeht. Gleichzeitig haben die Netzbetreiber jedoch bei Global Playern wie Google oder Netflix eine vergleichsweise schlechte Verhandlungsposition, da sie den Druck ihrer Kunden zu spüren bekommen, wenn Peering-Punkte (Netzzusammenschaltungspunkte) zu klein dimensioniert sind und das Video ruckelt. Derartige Verhandlungen sind also eine Gratwanderung.

Kommen wir noch einmal zurück zum teltarif.de-Server in Berlin: Nicht jeder Netzbetreiber der Welt kann in jedem Rechenzentrum präsent sein. Und nicht jeder Netzbetreiber kann sich mit jedem Netzbetreiber auf Peering-Basis zusammenschalten, da es sonst Milliarden Verbindungen gäbe. Innerdeutsch ist es noch relativ wahrscheinlich, dass Ihr Netzbetreiber entweder direkt oder über ein Peering mit dem von uns genutzten Rechenzentrum verbunden ist. Ist das nicht der Fall, so gibt es die Möglichkeit, über zentrale Austauschknoten wie den De-CIX ein Peering mit anderen Netzbetreibern durchzuführen.

Transit-IP: Wenn die Verbindung zwischen zwei Anbietern fehlt

Doch auch das ist nicht immer möglich oder die Anbindung dort ist nicht ausreichend. Wer etwa vom taiwanesischen Provider HiNet (Chunghwa Telecom) aus teltarif.de aufrufen möchte, wird von HiNet in Taiwan zunächst einmal in die USA geroutet. Hier wird das Datenpaket an AT&T übergeben, AT&T wiederum übergibt das Datenpaket in San Jose an Level3. Level3 verfügt in unserem Berliner Rechenzentrum durch den Berliner Austauschknoten BCIX über eine Anbindung. In diesem konkreten Fall wird mit AT&T ein Anbieter in der Mitte genutzt, der weder zu unserem Rechenzentrum noch zum Endkunden in Taiwan eine Beziehung hat und so weder auf der einen, noch auf der anderen Seite Geld verdienen kann. Daher werden diese als Transit-IP bezeichneten Schaltungen auch in der Regel gegen Geld realisiert. Das Datenaufkommen von HiNet für teltarif.de wird überschaubar sein, entsprechend nehmen Level3 bzw. HiNet die Kosten in Kauf. Würde nun aber ganz Taiwan über HiNet unsere Daten dauerhaft abrufen wollen, so würde der Provider vermutlich schnell versuchen, ein direktes Peering hinzubekommen, um Kosten zu minimieren.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, welche konkreten Vorteile ein CDN bietet, warum Google & Co weltweit schnell aufrufbar sind und wieviel Geld mit Netzzusammenschaltungen zu verdienen ist.