St. Helena: Monopolist sperrt sich gegen modernes Netz
Wir haben schon mehrfach über die Insel St. Helena berichtet, die fernab der großen Schifffahrtsrouten im Atlantik liegt und in der Geschichte als Verbannungsort des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte eingegangen ist.
Die Insel ist britisches Überseegebiet und hat 4500 Einwohner, die aktuell nur über eine häufig überlastete Satellitenverbindung von maximal 50 MBit/s mit dem Rest der Welt verbunden ist. Es gibt für die Insel nur einen Anbieter, der ein Telekommunikations-Monopol hat. Das ist die Firma Sure South Atlantic. Das Unternehmen gehört zu der im Ölscheichtum Bahrein beheimateten BaTelCo Group.
Sure bietet derzeit auf der Insel DSL-Anschlüsse mit einer kaum voll nutzbaren Bandbreite von bis zu 2 MBit/s und einem monatlichen Inklusivdatenvolumen von 800 MB für umgerechnet 15,81 Euro oder maximal 24 GB im Monat für etwa 190,15 Euro, Monat für Monat an.
Datenvolumen überschritten: Wird teuer
300 Millionen Euro hat der Flughafen St. Helena gekostet. Jetzt soll ein Glasfaserkabel den Anschluss der Insel herstellen
Foto: ahumansright.org
Wer nur einen „kleinen“ Basis-Tarif bucht und dann doch mehr als geplant verbraucht, muss bis zu 750 Prozent Aufpreis pro Megabyte (rund 6 Cent) zahlen. Das habe, so ist von der Insel zu hören, schon so manchen Insulaner in finanzielle Nöte getrieben. Ein überraschendes iPhone-Software-Update von etwa 1,5 GB könnte beispielsweise 89 Euro kosten.
WLAN-Hotspots - Internet-Cafés verboten
Den Betrieb von WLAN-Hotspots hat Sure South Atlantic auf der Insel verboten, auch Internet-Cafés darf es dort nicht geben. Der schlichte Grund „Wir haben das Monopol“. Auslandstelefonate von der Insel weg kosten bei Sure mindestens 95 Cent pro Minute und für das DVB-T-basierte Fernsehangebot werden 47,52 Euro/Monat für immerhin 18 TV-Programme berechnet.
Sind diese Preise auch in Europa schon knackig, kommt hinzu, dass der durchschnittliche Monatslohn eines Insulaners nur etwa 740 Euro beträgt. Da nahezu alle Güter des täglichen Bedarfs aufwendig auf die Insel transportiert werden müssen und damit die Lebenshaltungskosten grundsätzlich hoch sind, bleiben Internet, Auslandstelefonate und Fernsehen für viele Bewohner St. Helenas absolut unerschwinglich. Die „Teilhabe an der globalen Informationsgesellschaft ist so weitgehend ausgeschlossen.“
Initiative aus Deutschland
Entscheidenden Anteil, dass St. Helena bald "richtig" ans Internet der Welt angeschlossen werden kann, hat ein Deutscher. Sein Name ist Christian von der Ropp, Telekommunikationsexperte aus Tübingen. Der hatte im Jahre 2012 die Initiative Connect St Helena (A humans right) [Link entfernt] gegründet und sich ehrenamtlich für die Anlandung eines Unterseekabels und damit „die digitale Inklusion St. Helenas“ eingesetzt.
Das Glasfaser-Kabel soll Ende 2021 ankommen
Ende 2021/Anfang 2022 könnte die Insel St. Helena an Googles Equiano-Kabel, das zu diesem Zeitpunkt wohl schnellste Unterseekabel der Welt, angeschlossen werden. Möglich machen dies Hilfsgelder der Europäischen Union aus dem 11. Europäischen Entwicklungsfonds in Höhe von 21,5 Millionen Euro, die St. Helena noch vor dem Brexit im Juni 2018 zugewiesen wurden. Von der Ropp hatte sich auf der Insel und bei Politik und Verwaltung in Groß-Britannien dafür intensiv eingesetzt.
Schiffsverbindung 2017 eingestellt: Glasfaser könnte Impulse bringen
St. Helena war bis 2017 nur per Schiff erreichbar. Die Anreise ist auch nach Eröffnung des Flughafens umständlich und teuer. Durch die Corona-Pandemie ist die Insel seit März praktisch erneut von der Außenwelt „abgeschnitten“. Alle Hoffnungen ruhen auf dem Glasfaserkabel.
Zu Beginn soll es 100 GBit/s an aktivierter Kapazität geben, was nicht nur günstigeren und unbegrenzten Internetzugang ermöglichen würde, sondern z.B. dank Telemedizin die medizinische Versorgung oder durch Online-Bildung das Schulwesen der Insel drastisch verbessern könnte.
Wirtschaftliche Impulse könnten neue Arbeitsplätze in der Digitalwirtschaft einschließlich des Betriebs von Satellitenbodenstationen geben, welche die Datenmengen von der rasant wachsenden Anzahl erdnaher Satelliten empfangen und über das Unterseekabel weiterleiten könnten. Damit würde die Auslastung der nahezu unerschöpflichen Kapazität des Unterseekabels zunehmen und die laufenden Kosten von Satellitenbetreibern weltweit mitgetragen werden.
Inselregierung ist mit Monopol überfordert
Doch die Geschichte hat einen entscheidenden Haken. Es gibt auf der Insel ein vertraglich gesichertes Telekommunikationsmonopol, das frühestens im Dezember 2022 abläuft. Die Inselregierung beabsichtigt, dieses Monopol über das Jahr 2022 hinweg um ein weiteres Jahrzehnt zu verlängern. Das sorgt auf der Insel für Frust, denn der Monopol-Anbieter "Sure South" ist wegen überhöhter Preise und unfairer Geschäftspraktiken auf der Insel denkbar unbeliebt.
Ein einziger Insel-Regulierungsbeamter soll das Monopol kontrollieren, habe aber keine finanziellen Mittel etwa zur Messung der Dienstgüte oder zur Kostenüberprüfung.
Die Lage ist verzwickt. Selbst wenn das Fernmeldemonopol für Sure South Atlantic im Dezember 2022 planmäßig abliefe, hätte das Unternehmen nach den historischen Lizenzbedingungen Anspruch auf „Wertersatz“ in Millionenhöhe für seine bereits aufgebauten Anlagen.
Damit das superschnelle Internet-Kabel überhaupt den Inselbewohnern zu Gute kommt, müsste Sure noch vor Ablauf seiner Lizenz Ende kommenden Jahres sein Netz stark modernisieren, um wenigstens 70 Prozent der Bevölkerung mit mindestens 10 MBit/s versorgen zu können. Natürlich würde das Unternehmen Sure sein Netz gerne "modernisieren", wenn dafür im Gegenzug sein lukratives Monopol vorzeitig um weitere zehn Jahre verlängert werden würde.
Wie sieht es mit dem Wettbewerb auf der Insel aus?
Gelänge der Ausbau nicht vor Ende 2021, würde St. Helena eine Auflage des Europäischen Entwicklungshilfefonds verletzen und damit die letzten, noch nicht ausgezahlten Tranchen der Förderbudgets in Gesamthöhe von 21,5 Millionen Euro verlieren. Die Lizenzverlängerung an Sure würde die EU-Fördergelder zunächst einmal retten.
Aber es kommen weitere Probleme hinzu: Für die Zulassung von Wettbewerb (wie wir es in Europa kennen) sei die Insel viel zu klein, argumentiert man beim Monopolisten. Sogenannte Over-The-Top-Anbieter, wie YouTube, Netflix oder Skype möchte der Monopolist natürlich auch weiterhin verboten haben, weil er da ja außer über die transportierte Datenmenge nicht mehr die Hand für zusätzliche Einnahmen aufhalten kann. Klar: Wären Dienste wie Skype möglich, würde wohl ganz schnell niemand mehr zu den völlig aus der Zeit gefallenen Tarifen von Sure telefonieren wollen.
Sure betreibt auf St. Helena auch das lokale Mobilfunknetz. Ein zweites Netz im Wettbewerb „sei nicht möglich“, weil dafür die „Insel zu klein sei“ und es zu gegenseitigen Funkstörungen käme.
Google liefert Leitung, aber Google nicht voll nutzbar?
Von der Ropp findet es grotesk, dass Google die Insel an sein Unterseekabel anschließen soll, der dortige Monopolist dann aber Googles Dienste sperren dürfe, weil er Angst um sein Geschäftsmodell habe. Das in vielen Ländern bereits verbindliche Prinzip der Netzneutralität würde damit ad absurdum geführt.
Keine Flatrates möglich?
Viele Schulkinder kommen seit Jahren übernächtigt in die Schule, da die Internetnutzung aktuell zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens nicht berechnet wird. Im Internet längst übliche Flatrates will der Monopolist auch in Zukunft nicht anbieten, obwohl die Glasfaser-Leitung das hergeben würde. Denn Flatrates würden – so fürchten die Damen und Herren bei Sure - das Geschäftsmodell gewaltig beschädigen.
Von den künftig möglichen hohen Bandbreiten habe die Inselregierung gar keine Vorstellung - und welche positive Folgen das haben könne auch nicht -, kritisiert von der Ropp in einer 55-seitigen Stellungnahme. Ja, es gibt auf der Insel sogar eine „Importlizenz für Telekommunikationsausrüstung“, um zu verhindern, dass moderne Technik einfach und schnell, am Monopol-Anbieter vorbei auf der Insel eingeführt wird.
Vorschlag: Netz verstaatlichen und Open-Access erlauben
Von der Ropp schlägt vor, die Breitbandinfrastruktur von einem staatlichen Versorgungsunternehmen errichten und betreiben zu lassen, welches nach dem Open-Access-Prinzip Wettbewerb auf der Dienstebene und auch bürgerbetriebene Netze erlaubt und die staatliche Souveränität über den Telekomsektor wiederherstellt. So könnte auch der Kapitalabfluss durch die Gewinnausschüttungen des Unternehmens Sure an die bahrainische Muttergesellschaft gestoppt werden.
Andernfalls würde erhebliches wirtschaftliches Potenzial, wie die geplanten Satellitenbodenstationen, vernichtet und viele EU-Hilfen „im Südatlantik versinken“, die beispielsweise zur Errichtung eines neuen Krankenhauses gedacht waren.
Von der Ropp hofft, dass sowohl Brüssel als auch London die Lage richtig einschätzen und der Regierung von St. Helena helfen, „sich vom Monopolisten zu befreien“. Die Europäische Kommission könnte beispielsweise ihre Förderauflagen so anpassen, dass die Bandbreitenziele im Falle einer Marktliberalisierung auch erst nach 2022 erfüllt werden können.“