Kontroverse Diskussion um Deutschland-Start von Netflix
Das Angebot von Netflix ist groß
Bild: Netflix
Wie stark verändert der Deutschland-Start der US-Videoplattform Netflix den TV-Konsum in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigen sich nicht nur die privaten deutschen Content-Anbieter, sondern auch die Öffentlich-Rechtlichen und die Medienpolitik. Die Branche fordert auf der einen Seite Erleichterungen beim Kartellrecht, um dem US-Unternehmen Paroli zu bieten. Auf der anderen Seite stellt sich allerdings die Frage, ob Netflix nicht generell überbewertet wird.
Große, senderübergreifende Plattformen scheitern am Kartellrecht
Das Angebot von Netflix ist groß
Bild: Netflix
Die deutschen Kartellwächter haben dem amerikanischen Veranstalter nach Ansicht großer Fernsehsender geradezu den roten Teppich ausgerollt. Sowohl eine private Allianz von Mediengruppe RTL und ProSiebenSat.1 als auch eine der Öffentlich-Rechtlichen mit dem Projekt "Germany's Gold" seien erst jüngst am deutschen Kartellrecht gescheitert, sagte der Geschäftsführer der WDR Mediagroup, Michael Loeb, am Mittwoch beim Medienforum NRW in Köln, das parallel mit der Fachmesse Anga Com stattfindet. "Eine große senderübergreifende Plattform für deutsches Fernsehen ist vor dem
Markteintritt von Netflix nun nicht mehr möglich."
Die Politik müsse ein "Korrektiv im Kartellrecht" schaffen, um Kooperationen unter Privaten und Öffentlich-Rechtlichen bei Video-Plattformen zu erleichtern, forderte WDR-Mann Loeb. Zurzeit sei es "internationalen Anbietern wie Netflix möglich, den Nutzern weitaus breitere und günstigere Angebote zu präsentieren als die nationalen Anbieter das können, die aufgrund der kartellrechtlichen Auflagen solche attraktiven, wettbewerbsfähigen Angebote nicht am Markt platzieren können". US-Senderketten könnten zudem "Werbeeinbußen im Gegensatz zu deutschen Anbietern mit der gemeinsamen Plattform Hulu ausgleichen".
Die Wettbewerbslage schade dem Medienstandort Deutschland, sagte der Beauftragte für digitale Strategien beim ZDF, Robert Amlung: "Aus Nutzersicht ist es wahrscheinlich am Schluss relativ egal, wenn die großen Player aus den USA einen guten Job machen". Aber der Effekt sei, "dass einfach ein Teil des Kuchens über den Teich wandert und eben nicht in Deutschland bleibt. Und das kann eigentlich nicht im Interesse des Medienstandorts sein."
Sucht sich Netflix Kooperationspartner für den deutschen Markt?
Allerdings gehen die Meinungen auch auseinander, ob Netflix überhaupt als alleinstehender Anbieter und ohne Kooperation mit einem oder mehreren anderen Content-Anbietern auf dem deutschen Markt bestehen kann. In Schweden hat Netflix bereits fast eine Million Abonnenten; das sind rund zehn Prozent der Bevölkerung. Gleichzeitig haben dort viele ihren Kabelanschluss gekündigt. Allerdings ist Schweden ein klassischer Pay-TV-Markt. Einziger ernstzunehmender Veranstalter ist die französische Canal+ Gruppe. Große Free-TV-Sendergruppen wie RTL und ProSiebenSat.1 in Deutschland gibt es hier nicht, damit hat es ein neuer Anbieter viel leichter, wie auch Kongress-Teilnehmer auf der Fachmesse Anga Com konstatierten.
Hinzu kommt, dass sich andere Veranstalter alle wichtigen Rechte für Deutschland bereits gesichert haben. RTL, ProSiebenSat.1 und Sky haben Verträge mit allen wichtigen Filmstudios - auch über Blockbuster. Selbst für die Netflix-Eigenproduktion "House of Cards" liegen die Rechte für den deutschen Markt nicht bei Netflix sondern bei Sky Deutschland. Nach bisherigem Stand der Dinge dürfte Netflix sein Aushängeschild also erst ein halbes Jahr nach dem Deutschlandstart auf der eigenen Plattform ausstrahlen.
Nicht auszuschließen ist also, dass Netflix sein Angebot in Deutschland gar nicht alleine starten wird, sondern im Rahmen einer Kooperation mit einem anderen Unternehmen, um so auch an wichtige Rechte heranzukommen. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, zumindest auf der Anga Com haben Fachbesucher alle möglichen Varianten ins Spiel gebracht: Netflix als Angebot der Deutschen Telekom oder Kabel Deutschland/Vodafone, eine Fusion von Netflix mit dem ProSiebenSat.1-Videoportal Maxdome, oder Netflix als zusätzlicher Bestandteil der Sky-Plattform. Die Fragen, ob und mit welchen potenziellen Partnern, welcher Preisgestaltung, Programmierung sowie unterstützten Geräten Netflix in Deutschland startet, dürften spätestens im vierten Quartal 2014 eine Antwort finden.