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DSL-Abschaltung: In diesen Städten gehts jetzt los

Im Giga­bit­forum der Bundes­netz­agentur wollen Fach­leute aus Unter­nehmen und Verbänden erproben, wie die Abschal­tung des Kupfer­netzes verlaufen könnte.
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In Deutsch­land herrscht im TK-Bereich bekannt­lich Wett­bewerb, und in der öffent­lichen Wahr­neh­mung fassen sich die Unter­nehmen gegen­seitig nicht immer mit Samt­hand­schuhen an.

Wenn es aber um tech­nische Details geht, müssen die Unter­nehmen mitein­ander reden, um Signale auszu­tau­schen und Anschlüsse zu verbinden, um die Abläufe zu klären, wenn Kunden vom Anbieter A zum Anbieter B wech­seln, oder wenn Kunden beim Anbieter X einen Anschluss buchen, dieser aber die Leitung und die dazu­gehö­renden Leis­tungen bei einem Vorlie­feranten (z.B. der Telekom) einkaufen möchte.

Zusam­men­arbeit im Giga­bit­forum

Stell Dir vor, es gibt nur noch Glasfaser und Kupfer wird abgeschaltet. In Bad Salzungen und Wiesbaden wird das erprobt. Stell Dir vor, es gibt nur noch Glasfaser und Kupfer wird abgeschaltet. In Bad Salzungen und Wiesbaden wird das erprobt.
Foto: Deutsche Telekom
Dazu wurde bei der Bundes­netz­agentur schon seit März 2021 ein soge­nanntes Giga­bit­forum einge­richtet, wo sich Experten der betei­ligten Unter­nehmen wie Deut­sche Telekom und zahl­reiche Mitbe­werber regel­mäßig mit Vertre­tern der Bundes­netz­agentur treffen und versu­chen, anste­hende Fragen im Konsens zu lösen.

Mit dabei sind Unter­nehmen wie 1&1 Versatel, Deut­sche Glas­faser, Telefónica Deutsch­land, Telekom Deutsch­land und Voda­fone Deutsch­land. Ferner die Fach­ver­bände ANGA, BREKO, BUGLAS, eco, VATM und der VKU.

Von den Insti­tutionen nehmen die Bundes­netz­agentur, das Bundes­minis­terium für Digi­tales und Verkehr, der Länder­arbeits­kreis Tele­kom­muni­kation (der Bundes­länder) und das Wissen­schaft­liche Institut für Infra­struktur und Kommu­nika­tions­dienste (WIK) daran teil.

Nach dem Glas­faser­ausbau - wann verschwindet das Kupfer-Netz?

Denkt man das Thema Glas­faser­ausbau konse­quent durch, wird der Tag kommen, wo erste Kupfer­netze abge­schaltet werden, weil es nur noch wenige oder auch gar keine Kunden auf diesen Kupfer­netzen mehr gibt.

Nach Plänen der Bundes­regie­rung und der Tele­kom­muni­kati­ons­branche (TK) sollen bis 2030 alle Haus­halte in Deutsch­land einen Glas­faser­anschluss bekommen können. Die bestehenden Kupfer­lei­tungen werden dann immer weniger gebraucht und können perspek­tivisch (also irgend­wann in der Zukunft) nach Absprache mit allen Betei­ligten abge­schaltet werden.

Dazu wurden im „Giga­bit­forum“ gemeinsam zwei Test­gebiete ausge­sucht, wo im "kleinen Kunden­kreis" einmal durch­gespielt werden soll, wie so ein Wechsel von Kupfer zur Glas­faser verlaufen könnte. Wie reagieren die Kunden, was erwarten sie, wie werden die Abläufe zwischen den echten Netz­betrei­bern und den vermark­tenden Tele­fon­gesell­schaften verlaufen?

Bad Salzungen: 250 Haus­halte und Unter­nehmen

Gemeinsam mit der Branche hat die Deut­sche Telekom dafür unter anderem drei Test­gebiete in Thüringen und Hessen ausge­sucht, in denen die Telekom bereits Glas­faser ausge­baut hat. Eines der Pilot­gebiete liegt in Bad Salzungen in Thüringen. Das Test­gebiet umfasst dort 118 Gebäude mit 251 Haus­halten und Unter­nehmen.

Bad Salzungen ist neben zwei weiteren Test­gebieten in Wies­baden die erste Pilot­stadt, in der Internet und Tele­fonie ab sofort nur noch über Glas­faser oder Koax-Kabel (auf Kupfer­basis oder in Kombi­nation mit Glas­faser) zur Verfü­gung gestellt werden.

In Bad Salzungen sollen nun erste Erfah­rungen mit dem Prozess des Wech­sels von kupfer­basierten DSL-Anschlüssen auf Glas­faser gesam­melt werden.

Viele Kunden verbitten sich jede Form von Werbung durch ihren Telefon- oder Inter­net­anbieter. Bei einer vertrags­rele­vanten Ände­rung gilt dieses Verbot jedoch nicht. Dann darf der Internet- oder Tele­fon­anbieter die Kunden anschreiben. Kunden im Test­gebiet von Bad Salzungen werden wohl eine Ände­rungs­kün­digung ("Kupfer wird abge­schaltet") erhalten.

Zusätz­lich werden alle am Projekt betei­ligten Unter­nehmen ihre alten und mögli­cher­weise neuen Kunden mit Briefen, Werbe­flug­blät­tern oder durch persön­liche Ansprache (Haus­tür­ver­treter) über das Vorgehen infor­mieren und über "alter­native Glas­faser-Ange­bote" beraten.

Keine Kupfer­technik oder -Tarife mehr buchbar

Gleich­zeitig sind seit heute keine Tarif-Buchungen oder -Ände­rungen auf kupfer­basierten Anschlüssen im Pilot­gebiet in Bad Salzungen mehr möglich.

Für Haus­halte, die bereits über einen Glas­faser- oder Kabel­anschluss verfügen, ändert sich bei den bestehenden Verträgen nichts.

Wies­baden: 450 Haus­halte sanft über­zeugen

Im Pilot-Gebiet Wies­baden-Biebrich will man keine Kündi­gungen ausspre­chen. Hier sollen die Kunden "frei­willig" zu Glas­faser oder Kabel wech­seln. Die Telekom hatte dafür bereits seit 2021 flächen­deckend ihr Glas­faser­netz ausge­baut, parallel zu den bereits bestehenden Kupfer-Netzen.

Nun sollen die verblie­benen kupfer­basierten Anschlüsse auf die alter­nativen Infra­struk­turen über­führt werden. Notwendig sind dafür im Falle von Glas­faser klei­nere Baumaß­nahmen auf den Bürger­steigen, um die neuen Leitungen zu den einzelnen Gebäuden zu legen, sofern dies noch nicht erfolgt sein sollte (Homes passed zu Homes connected).

Kunden in Wies­baden werden - wie in Bad Salzungen - über Flug­blätter und Brief­wer­bung (sofern sie dem zuge­stimmt haben) und durch persön­liche Ansprache infor­miert und zu den alter­nativen Ange­boten beraten und erhalten von ihrem gewohnten Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter ein Wech­sel­angebot. Annehmen müssen sie das nicht.

Keine Neubu­chung von Kupfer-Anschlüssen mehr möglich

Wie in Bad Salzungen sind seit heute im Pilot­gebiet in Wies­baden keine neuen Tarif-Buchungen oder -Ände­rungen auf kupfer­basierten Anschlüssen mehr möglich.

Für Haus­halte, die bereits über einen akti­vierten Glas­faser- oder Kabel­anschluss verfügen, ändert sich auch hier nichts.

Eine Termin für die Abschal­tung des Kupfer­netzes in Wies­baden ist aktuell noch nicht absehbar und wird erst zu einem späteren Zeit­punkt erfolgen.

Was machen reine Tele­fonie­kunden?

Es gibt "reine" Tele­fonie­kunden, die noch einen soge­nannten MSAN-Anschluss haben. Dort ist an der Tele­fon­dose ein analoges Telefon einge­steckt, das für Sprach­tele­fonie verwendet werden kann, ein Inter­net­zugang ist an diesem Anschluss so nicht möglich und wird in der Regel auch nicht gewünscht.

Auf der Netz­seite steht im Schalt­kasten an der Straße oder im "Haupt­ver­teiler" (= Tele­fon­ver­mitt­lung) ein Modem, dass die IP-Tele­fonie-Signale in die "alte Welt" über­setzt und auch die Strom­ver­sor­gung der Analog­tele­fone über­nimmt.

Damit das Kupfer­netz abge­schaltet werden kann, muss diesen Kunden ein spezi­elles Angebot gemacht werden. Ein neu zu instal­lie­render Glas­faser-Router wird die Licht­signale in passende Analog­signale für das Telefon umwan­deln. Mit dem Router wäre dann die Inter­net­nut­zung auch möglich, falls der Kunde das möchte und bereit ist, den höheren Preis dafür zu entrichten.

Diese Kund­schaft dürfte aber eher nicht bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen und könnte darauf bestehen, den Router im Rahmen seiner Grund­gebühr kostenlos gestellt zu bekommen - oder würde den Anschluss aufgeben und versu­chen, mittels einfa­chem Handy in Kontakt zu bleiben.

Kunden, die bisher mit einem kupfer­basierten 16-MBit/s-Anschluss zufrieden waren, bekämen künftig über Glas­faser "mindes­tens" 50 MBit/s ange­boten. Wären sie bereit, für diese neue Geschwin­dig­keit mehr zu bezahlen?

Wenn Vermieter oder Grund­stücks­eigen­tümer nicht mitspielen?

Kunden, die zur Miete wohnen, können so lange keinen Glas­faser­anschluss bekommen, so lange der Haus­besitzer oder Grund­stücks­eigen­tümer nicht "mitspielt". In den Pilot­städten sollen Haus- und Grund­stücks­eigen­tümer davon über­zeugt werden, die Verle­gung von Glas­faser­lei­tungen über das Grund­stück und ins Haus zu gestatten.

Es soll keine Unter­bre­chungen geben

Ganz wichtig ist allen betei­ligten Unter­nehmen: "Alle Kunden sollen zu jedem Zeit­punkt des Pilot­pro­zesses einen leis­tungs­fähigen Tele­kom­muni­kati­ons­dienst behalten."

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Der Wechsel von Kupfer auf Glas­faser wird kommen, früher oder später. Und irgend­wann ist der Punkt erreicht, wo ein Paral­lel­betrieb nicht mehr wirt­schaft­lich ist, die Kupfer­netze werden also sukzes­sive abge­schaltet.

Zu loben ist, dass sich die konkur­rie­renden Unter­nehmen und Verbände im Giga­bit­forum der Bundes­netz­agentur zusam­men­gefunden haben, wo Fach­leute praxis­gerechte Vorschläge disku­tieren und auch den Mut haben, Neues einfach mal auszu­pro­bieren.

Gewiss: Viele Kunden sind mit dem bestehenden Anschluss zufrieden und möchten nichts ändern. Sie müssen nun behutsam über­zeugt werden, und preis­lich darf der neue Glas­faser­anschluss nicht teurer als das bishe­rige Angebot sein. Wenn der Glas­faser­anschluss mehr kann als bisher, wird kaum jemand "Nein" sagen, aber teil­weise drei­stel­lige Preise sind für "normale Haus­halte" nicht realis­tisch.

Schwierig wird es bei Kunden sein, die das Thema absolut nicht inter­essiert, weil ihnen das tech­nische Verständnis fehlt. Wie würden sie reagieren, wenn ihnen eines Tages die Kündi­gung ihres Kupfer­anschlusses auf den Tisch flat­tert? Wie kann sicher­gestellt werden, dass nicht windige Geschäf­tema­cher die Kunden verängs­tigen und ihnen völlig über­teu­erte Luxus-Anschlüsse für viel Geld aufdrehen?

Koax­kabel ist auch Kupfer?

Viele neue Firmen hoffen, mit dem System­wechsel neue Kunden gewinnen zu können. Ein Unter­nehmen wie Voda­fone, so war zu hören, legte verstärkten Wert darauf, ihr Kupfer-Koax­kabel-Netz als "voll­wer­tigen Ersatz" einzu­beziehen, obwohl nicht wenige Fach­leute der Ansicht sind, dass auch bei den Kabel-TV-Anlagen auf Dauer an einem Glas­faser-Voll­ausbau nicht vorbei zu kommen sei. Stan­dards wie DOCSIS 4.0 sollen zwar über Koax­kabel bis zu 10 GBit/s im Down­stream schaffen, sind aber im Moment noch ziem­lich teuer in der Reali­sie­rung. Und die verlegten Kupfer­kabel "altern" mit der Zeit und müssten ohnehin ausge­tauscht werden, da käme Glas­faser wohl güns­tiger, und die braucht auch deut­lich weniger Strom.

Sich gegen die moderne Technik strikt zu wehren, wird nicht hilf­reich sein. Ja, Verän­derungen sind nervig bis aufre­gend, aber das Glas­faser­netz bietet auch Chancen, z. B. auf dem Land, wo es große Leitungs­längen gibt, die mit Kupfer kaum rentabel zu versorgen sind.

Aber bis die aller­letzte Kupfer­lei­tung im Land ausge­knipst wird, wird es noch einige Zeit dauern.

Wie Glas­faser funk­tio­niert, können Sie bei uns nach­lesen.

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