Frequenzvergabe: BNetzA schlägt Frequenztausch vor
Seit Jahren kritisieren die etablierten Netzbetreiber irrsinnig hohe Lizenzkosten, die anschließend beim Netzausbau fehlen. Nun steht wieder eine Frequenzversteigerung an, welche die aktuell an drei Netzbetreiber vergebenen Frequenzen unter künftig vier Anbietern aufteilen würden. Das denkbare Ergebnis: Eine Bieterschlacht für noch teurere Frequenzen und am Ende kann keiner richtig versorgen oder ausbauen. Im schlimmsten Fall muss ein Anbieter sogar aufgeben und den Betrieb ganz einstellen.
Netzbetreiber: Auktion verschieben oder ganz lassen
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller schlägt einen Frequenztausch vor. Von der Versteigerung will er nicht lassen.
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Der Vorschlag der drei etablierten Netzbetreiber: Die Auktion komplett verschieben oder noch besser in Zukunft ganz sein lassen. Mit strengen Auflagen zum Netzausbau könnte man hingegen leben. Das hört sich gut an, doch es gibt ein Problem: Es gibt einen vierten Netzbetreiber, der ebenfalls "Flächenfrequenzen" braucht. Und die Politik möchte am liebsten noch Frequenzen für kommende weitere Neueinsteiger herbeigezaubert haben. Neueinsteiger, die es derzeit noch gar nicht gibt oder die noch nicht wissen, ob sie einsteigen sollen.
BNetzA veröffentlicht Positionspapier
Lange hat die aufsichtsführende Bundesnetzagentur (BNetzA) nachgedacht und ihr neuer Präsident Klaus Müller hat heute ein Positionspapier veröffentlicht. "Wir wollen den Spagat zwischen Wettbewerb und Versorgung schaffen. Mit dem Vorschlag eines Frequenztauschs wollen wir die Interessen der etablierten Mobilfunkbetreiber und der Markteinsteiger ausgleichen. Die bestehende LTE-Versorgung soll aufrechterhalten werden und zugleich wollen wir chancengleichen Zugang zu Spektrum gewähren. Die wichtigste Regel dabei lautet: Es soll ein faires und transparentes Verfahren geben. Nun sind die Marktteilnehmer am Zug", erklärt Klaus Müller seine Ideen.
Um was geht es?
Ende des Jahres 2025 enden planmäßig die Zuteilungen (Frequenzgenehmigungen) für die Nutzungsrechte wichtiger Mobilfunkfrequenzen bei 800 MHz, 1800 MHz und 2600 MHz. Somit muss die Bundesnetzagentur zügig entscheiden, wie diese Frequenzen künftig bereitgestellt werden könn(t)en.
Das neue Positionspapier der Bundesnetzagentur beinhaltet erste Einschätzungen, wie es weiter gehen könnte. Dabei bevorzugt die Bundesnetzagentur aufgrund der Frequenzknappheit ein Vergabeverfahren – konkret eine Versteigerung, weil sich die Knappheit dann in hohen Preisen "auswerten" lässt, was den Bundesfinanzminister freuen dürfte.
Diskriminierungsfreies Verfahren mit Vorschlag eines „Frequenztauschs“
Im Bereich 800 MHz schlägt die Bundesnetzagentur einen „Frequenztausch“ vor, um den Interessen aller Marktbeteiligten gerecht zu werden. Dabei würden die Nutzungsrechte für 800 MHz statt am Ende des Jahres 2025 erst am Ende des Jahres 2033 auslaufen. Im Gegenzug würden die Nutzungsrechte bei 900 MHz statt Ende des Jahres 2033 schon Ende 2025 auslaufen.
Neuvergabe bei 900 MHz zuerst?
Anstelle der Frequenzen bei 800 MHz würden dann die 900-MHz-Frequenzen frisch vergeben. Durch einen solchen Frequenztausch wäre die bestehende LTE-Versorgung auf der Grundlage der 800-MHz-Frequenzen längerfristig gesichert. Zugleich hätten aber auch Neueinsteiger eine Chance, Spektrum im Bereich unter 1 GHz zu erhalten, hofft die Bundesnetzagentur.
Impulse für Wettbewerb und eine bessere Breitbandversorgung?
Die Bundesnetzagentur wolle Impulse setzen, um die Breitbandversorgung weiter zu verbessern, erklärt sie. Ein "größerer Fokus" werde auf die Nutzerperspektive gerichtet. Im Positionspapier stelle sie "eine Reihe bewährter und neuer Maßnahmen" vor. Überdies stellt sie Überlegungen zum Wettbewerb auf der Dienste-Ebene ("Service Provider") an und stellt verschiedene Instrumente zur Diskussion.
Um Stellungnahmen wird gebeten
Wer Lust hat, kann bis zum 21. November 2022 Stellung nehmen (das können auch interessierte Einzelpersonen oder Interessenverbände und nicht nur Netzbetreiber sein), das Diskussions-Papier ist im Netz herunterladbar.
Hintergrund zum Verfahren
Die bestehenden Nutzungsrechte bei 800 MHz, 1800 MHz und 2600 MHz sind bis Ende 2025 befristet. Nun soll der beste Weg für eine Bereitstellung der Frequenzen zur Nutzung ab 2026 gefunden werden. Um allen Marktbeteiligten frühzeitig Investitions- und Planungssicherheit darüber zu geben, hatte die Bundesnetzagentur bereits im Sommer 2020 die Diskussion mit der Veröffentlichung des Frequenzkompasses zur Kommentierung eröffnet.
Darauf folgte im Sommer 2021 eine öffentliche Anhörung zu den Grundsätzen und Szenarien für die Bereitstellung der Frequenzen 800 MHz, 1800 MHz und 2600 MHz. Anschließend wurden die Pläne der Bundesnetzagentur im Rahmen von "Orientierungspunkten" konkretisiert, welche im Januar 2022 veröffentlicht wurden. Auch die konnten von "interessierten Kreisen" kommentiert und Frequenzwünsche durch die Unternehmen bekannt gegeben werden.
Die dabei eingegangenen Stellungnahmen seien in das heute veröffentlichte Positionspapier eingeflossen, sagt die Netzagentur.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Der von der Netzagentur angedachte Frequenztausch ist auf den ersten Blick originell, löst aber das Grundproblem in keinster Weise. Wenn zu wenige Frequenzen für zu viel Geld vermietet werden, leidet die Netzqualität darunter, weil danach kein Geld für den Netzausbau mehr da ist. Das müssen die politisch Verantwortlichen nach 30 Jahren digitalen Mobilfunk endlich begreifen. Der Traum von möglichst vielen Anbietern, die automatisch für möglichst niedrige Preise sorgen, sollte schleunigst beerdigt werden.
Jetzt haben wir vier Netzbetreiber und die Gelegenheit wäre denkbar günstig, die vier in einen Raum zu bringen, in dem sie in aller Ruhe sich gegenseitige Frequenz-Nutzungsrechte und Kooperation zusichern könnten, damit alle Anbieter ein halbwegs brauchbares Netz hinbekommen. Als Druckmittel hätte die Bundesnetzagentur ja immer noch eine teure Versteigerung in der Hand.
Bei einer Versteigerung könnte es theoretisch auch passieren, dass am Ende nur ein oder zwei Anbieter übrig bleiben und die anderen aufgeben. Was wäre dann gewonnen? Nichts. Das Ziel muss ein vernünftiges belastbares und sicheres flächendeckendes Netz sein. Der Staat braucht immer Geld, das er dann aufwändig über Förderverfahren wieder ins Netz stecken müsste. Das könnte man sich ohne Versteigerungen sparen.
Inzwischen liegen aktuelle Statements vor. Die Netzbetreiber zeigen sich über den Vorschlag der Netzagentur überrascht.