Verbände üben Kritik am neuen TKG
Nach 2 Jahren Diskussion hat der Bundestag am Donnerstag das neue TKG beschlossen. Die Verbände sehen es mit gemischten Gefühlen.
Foto: Deutscher Bundestag/Marco Urban, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Nach langer zweijähriger Zitterpartie ist das neue Telekommunikationsgesetz am Donnerstag im Bundestag angenommen worden und muss zu guter Letzt noch vom Bundespräsidenten unterschrieben werden, bevor es in Kraft treten kann. Schon melden sich Interessenverbände zu Wort, um ihre Kritik anzubringen.
ANGA findet Ergebnis durchwachsen
Nach 2 Jahren Diskussion hat der Bundestag am Donnerstag das neue TKG beschlossen. Die Verbände sehen es mit gemischten Gefühlen.
Foto: Deutscher Bundestag/Marco Urban, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Der Breitbandverband ANGA spricht von einem "durchwachsenen Ergebnis für den Gigabit-Ausbau". Immerhin bleibe die Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten ohne wesentliche Einschränkungen möglich. Dafür bekämen die Kunden alternativ ein Angebot für einen 12-Monatsvertrag präsentiert und könnten dann "informiert entscheiden".
Licht und Schatten beim Nebenkostenprivileg
Die Neuregelung der Umlagefähigkeit ("Nebenkostenprivileg") biete Licht und Schatten. Diese war bisher die Grundlage für Hauseigentümer und TK-Netzbetreiber, um "leistungsfähige Breitbandnetze" in den Gebäuden zu bauen und aufzurüsten. Künftig soll eine Umlage über die Betriebskosten nur noch für echte Glasfasernetze sowie hinsichtlich Laufzeit und Gesamtbetrag beschränkt zur Verfügung stehen.
ANGA unterstützt die Idee, dass der Glasfaserausbau mit der Umlagefähigkeit weiterhin eine Kalkulationsgrundlage haben solle. „Jetzt muss die Praxis zeigen, ob diese Regelung tatsächlich Anreize für einen Ausbau schaffen kann.“ Bestandsnetze erhalten eine Übergangsfrist bis Mitte 2024, verbunden mit einem entschädigungslosen Sonderkündigungsrecht für die Wohnungswirtschaft zum Ablauf dieser Frist. „Die angesichts laufender Verträge kurze Übergangsfrist für den Bestand gefährdet die heute gut funktionierende Versorgung in den Gebäuden. Das Kündigungsrecht ist eine einseitige Lastenverlagerung auf die Netzbetreiber, für die es keinen Anlass gibt und die dem Grundsatz fairer Bedingungen zwischen Vertragspartnern zuwiderläuft“, so Thomas Braun.
Universaldienst, Minderungsrechte und Informationspflichten
Sehr kritisch sieht die ANGA neue Vorgaben für den Universaldienst, weitgehende Minderungsrechte für Kunden sowie zusätzliche Informationspflichten für Netzbetreiber. „Immer neue Auflagen bringen hohe Kosten für die Wirtschaft mit sich. Das zahlt nicht auf das Ziel ein, den Gigabit-Ausbau in Deutschland voranzubringen und die für Bürger und Unternehmen notwendige Konnektivität zu schaffen“, kritisiert der ANGA-Präsident Thomas Braun.
Im ANGA-Breitbandverband sind knapp 200 Unternehmen der deutschen Breitbandbranche mit etwas mehr als 20 Millionen Kunden vertreten, unter anderem Vodafone, Tele Columbus (PŸUR), Telekom Deutschland, EWE TEL, NetCologne, M-net, wilhelm.tel, willy.tel und eine Vielzahl lokaler und regionaler Kabel- und Glasfasernetzbetreiber. Die ANGA nennt eine Abdeckung mit Gigabit-Netzen bei über 30 Millionen Haushalten, sofern die Bewohner einen Vertrag bei diesen Unternehmen abgeschlossen haben.
BREKO: Wichtige Akzente - aber nicht alle Möglichkeiten
„Das neue Telekommunikationsgesetz setzt wichtige Akzente für die entscheidende Etappe des Glasfaserausbaus in Deutschland, nutzt aber leider nicht alle Möglichkeiten für ein echtes Ausbaubeschleunigungsgesetz", findet Dr. Stephan Albers vom BREKO Breitbandverband. Mit dem ‚Glasfaserbereitstellungsentgelts‘ werde ein Vorschlag des BREKO umgesetzt, der einen starken Anreiz für den Glasfaserausbau in Mehrfamilienhäusern bieten werde. Das sei "eine Riesenchance für die MieterInnen und die Wohnungswirtschaft", dass auch Mehrfamilienhäuser mit zukunftssicheren Glasfaseranschlüssen direkt in die Wohnungen ausgestattet werden. Das könne Tempo bringen.
Das gesetzliche Prinzip „Gleichwertigkeit des Zugangs“ (Equivalence of Input – EoI) sieht vor, dass Vorleistungsnachfrager oder Ko-Investitionspartner auf dieselben Ressourcen zugreifen können, wie der Vertrieb des marktmächtigen Unternehmens (meist die Telekom). Dadurch können Informationen über Anschlüsse und Technik bei Bereitstellungen und Entstörungen genutzt werden. Der denkbare Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung ginge damit erheblich zurück. Kurz: Ein Verzicht auf Regulierung sei zukünftig nur dann möglich, wenn das marktbeherrschende Unternehmen diese Vorgaben verpflichtend umsetze.
Der BREKO bedauert, dass alternative Verlegemethoden (wie z.B. Trenching) nicht als Standard für Glasfaser bis in die Häuser zugelassen wurden. Ferner wird das ‚One-Stop-Shop-Prinzip‘ (ein Ansprechpartner für alle Bau- und Betriebsgenehmigungen vor Ort) vermisst.
VATM vermisst Modernisierung
Auch der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) vermisst die Modernisierung im Gesetz, Gigabit werde nicht beschleunigt. „Der viel zu lange Kampf der Ressorts um Verbraucherschutzregelungen und erweiterte Überwachungsmöglichkeiten hat in letzter Minute zu einem Kompromiss geführt, der politisch akzeptabel erscheinen mag, aber kaum den gewünschten Schub für innovative neue Dienste und Infrastrukturausbau bringt“, kritisiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner: „Wir hätten uns gewünscht, dass das Gesetz mehr modernisiert und nicht stattdessen zusätzliche Belastungen für die Unternehmen bringt.“
Begrüßt werden "die erkennbaren Bemühungen, die Genehmigungsbürokratie in den Griff zu bekommen" und lange Verfahrenslaufzeiten zu beschleunigen. Nun werde es aber meist bei den Ländern und Kommunen liegen, ob diese Erleichterungen wirklich greifen oder dort so weitergemacht wird, wie bisher.
Wie dem BREKO fehlt auch dem VATM eine Stärkung moderner Verlegetechnologien oder eine "One-Stop-Shop-Regel". Das stärkere Gewicht auf die unbedingte Gleichbehandlung der Wettbewerber durch die Telekom (EoI) findet der VATM positiv.
Glasfaserausbau viel zu kompliziert
Die neuen Regelungen zum Glasfaserausbau und seine Finanzierung durch ein sogenanntes "Glasfaserbereitstellungsentgelt" findet der VATM sehr komplex. Neue Verbraucherschutzvorgaben brächten mehr Bürokratie und seien nicht einmal im Sinne der Kunden. Die Angabe aller ladungsfähigen Anschriften der genutzten Telefondienste führten zu seitenlangen Telefonrechnungen, anstatt auf moderne digitale Lösungen zurückzugreifen.
Zusätzliche Verschärfungen bei Haftungsregelungen und Kündigungsrechten wie auch überzogene Versorgungsauflagen belasteten die Unternehmen ebenfalls.
Recht auf schnelles Internet gegen EU-Recht?
Das in letzter Minute nochmals verschärfte Recht auf schnelles Internet ist aus Sicht des VATM weder sinnvoll noch mit dem EU-Recht vereinbar. „Durch diesen Rechtsanspruch lassen sich Bagger weder vermehren, noch können sie schneller graben. Es muss in Zukunft vielmehr darum gehen, ganze Orte mit Glasfaser zu versorgen und nicht erst einzelne Häuser. Für die nächsten Jahre, in denen wir fast jede Straße in Deutschland umgraben müssen, brauchen wir praktikable Zwischenlösungen, die diesen Bürgern auch in der Praxis schnell helfen, zum Beispiel mit Funklösungen, Homeoffice und Homeschooling zu realisieren“, schlägt der VATM vor. Wie der ANGA-Verband freut sich der VATM über den Fortbestand von Zweijahres-Verträgen bei Neukunden. Das hätte für die Kunden Vorteile, weil sie wählen könnten. Das Phänomen von durch übereifrige Verkäufer aufgedrängten Zweijahres-Verträgen, die dringend Provisionen brauchen, um überleben zu können, scheint an den Verbänden spurlos vorübergegangen sein.
Lob von Netcologne
Der in Köln und Umgebung tätige Netzbetreiber Netcologne findet das Gesetz gut. „Die TKG Novelle ist ein Punktsieg für den Glasfaserausbau“, sagt NetCologne Geschäftsführer Timo von Lepel. „Nur 100-prozentige Glasfasernetze sind wirklich zukunftsfähig und sollten gefördert werden. Deshalb verfolgen wir bei NetCologne eine Glasfaser-First-Strategie: Neben dem konsequenten Ausbau neuer FTTH-Netze und mittlerweile 28.000 Kilometern verlegter Glasfaser in der Region, gehört auch die umfassende Erneuerung unserer bestehenden Kabelnetze im Bereich der Wohnungswirtschaft dazu. Unser Ziel ist 100 Prozent Glasfaser – auch innerhalb der Gebäude. Genau darin bestärkt uns die Neuausrichtung des Telekommunikationsgesetzes.“
Es hängt also vieles vom eigenen Standpunkt ab. Wie gut das neue Gesetz am Ende ist, wird die Zeit zeigen.
Der Bundestag hat auch ein Recht auf schnelleres Internet beschlossen.