Nachbessern!

Editorial: Mehr Wettbewerb oder mehr Bitrate?

Die schwierige Vectoring-Entscheidung der Bundesnetzagentur
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Oft ist die Situation einfach: Mehr Wettbewerb schafft bessere Produkte für die Verbraucher. Ohne die starke Rivalität durch Apple und Samsung wäre der Smartphone-Markt wahrscheinlich bei Nokia und Symbian stehen geblieben. Große, gut lesbare und einfach mit dem Finger bedienbare Touchscreens wären ebenso später oder gar nicht gekommen wie Beschleunigungssensoren für das automatische Drehen des Bildschirminhalts beim Drehen des Handys.

Im Infrastrukturbereich, und hierzu gehört insbesondere das Telefon-Festnetz, ist aber sehr schnell der Punkt erreicht, an dem "mehr Wettbewerb" zu "mehr Kosten" und "schlechterer Versorgung außerhalb der lukrativen Ballungsgebiete" führt. Zu wenig Wettbewerb führt aber auch im Infrastrukturbereich dazu, dass sich die Anbieter auf ihrer jeweils gesicherten Situation ausruhen, Innovation behindern und Monopolgewinne kassieren. Es geht also darum, das optimale Maß an Wettbewerb zu finden.

Bei der neuesten Breitband-Technologie VDSL2-Vectoring kommt nun noch das Problem hinzu, dass das bisherige Konzept der Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitung versagt: Da bei Vectoring alle Adernpaare gemeinsam angesteuert werden, ist es nicht mehr möglich, einzelne Adernpaare aus einem Kabelbündel auf alternative Betreiber umzulegen. Folglich muss gründsätzlich ein Anbieter alle Kunden an einem Kabelverzweiger (oder die nicht zu weit entfernten Kunden auch direkt von der Vermitlungsstelle aus) versorgen. Bei herkömmlichen DSL bis hin zu ADSL2+ ändert sich hingegen nichts; dieses kann auch in der geteilten Variante, in der einzelne Adernpaare umgelegt werden, mit VDSL-Vectoring koexistieren.

Regulierungs-Entwurf: Hohe Frequenzen künftig exklusiv

VDSL-Vectoring: Mehr Wettbewerb oder mehr Bitrate? Mehr Wettbewerb oder mehr Bitrate?
@ Photosani Fotolia
Um dieser neuen Situation Rechnung zu tragen, hat die Bundesnetzagentur den Entwurf einer Regulierungsverfügung zu VDSL-Vectoring vorgelegt. Zu begrüßen ist, dass der Entwurf den Weg zu Vectoring freimacht, indem er es ermöglicht, an einem Kabelverzweiger (oder an einer Vermittlungsstelle für alle "kurzen" Kabel) einer Telefonfirma den exklusiven Zugang zu den für Vectoring benötigten hohen Frequenzen zu geben. Ohne diese Entscheidung wäre VDSL-Vectoring und damit die Weiterentwicklung des herkömmlichen Telefon-Festnetzes blockiert.

Als Ausgleich sieht die Bundesnetzagentur vor, dass der Anbieter mit den jeweiligen Exklusivrechten der Konkurrenz einen Bitstrom-Zugang auf der Netzebene Layer 2 geben muss. Die Netzebene 2 ermöglicht es der Konkurrenz - anders, als die bisher übliche Ebene 3 - beispielsweise die Verteilung von IP-TV-Signalen per Multicast zu optimieren. Auch diese Entscheidung der Bundesnetzagentur ist richtig: Bitstrom-Ebene-2 ist das nächstbeste Zugangsprodukt für die Konkurrenz nach der TAL. Fällt die TAL weg, muss Bitstrom Ebene 2 gestärkt werden. Weitere Voraussetzung ist selbstverständlich, dass der regulierte Preis für Bitstrom Ebene 2 nicht zu hoch wird.

Dadurch, dass die bekannte Entbündelung für herkömmliches ADSL2+ verfügbar bleibt und zugleich ein starkes Bitstrom-Angebot geschaffen wird, ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Anbieter mit VDSL2-Vectoring dicke Monopolgewinne einfährt. Das macht die exklusive Zuweisung von VDSL-Vectoring pro Kabelverwzeiger bzw. Vermittlungsstelle für die "kurzen" Kabel vertretbar.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, an welchen Stellen die Bundesnetzagentur den Entwurf noch überarbeiten sollte.

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