unterschiedliche Auffassungen

Rechtsmittel per Telefax - Gerichte uneinig

Landgericht Berlin verlangt einen Originalschriftsatz bei zivilrechtlichen Streitigkeiten
Von dpa / Marie-Anne Winter

Am Anfang stand ein Machtwort der Verfassungsrichter in Karlsruhe: Bei Einsprüchen, Widersprüchen, Klagen oder Berufungen und Revisionen darf dem Recht suchenden Bürger der Zugang zu Behörden und Gerichten nicht unnötig erschwert werden (Az.: 1 BvR 475/85). Das hat Konsequenzen für die staatlichen Stellen: Sie dürfen den technischen Fortschritt nicht einfach außer Acht lassen, sondern müssen dem Bürger auch eine Zugangsmöglichkeit unter Ausnutzung moderner Kommunikationsmittel ermöglichen - darüber berichteten wir Ende letzten Jahres.

Gleichwohl bestehen zwischen den Gerichten weiterhin unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Anforderungen an ein per Telefax eingelegtes Rechtsmittel. Zwar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe schon in den neunziger Jahren entschieden, dass auch ein unterschriebenes Telefax ein wirksam eingelegtes Rechtsmittel sein kann (Az.: II ZB 10/93). Doch die technische Entwicklung ging weiter, und damit fand auch der Streit seine Fortsetzung. Denn die Gerichte urteilten unterschiedlich, ob auch die eingescannte Unterschrift eines so genannten Computerfaxes ausreiche, da es in diesen Fällen an der eigenhändigen Unterschrift fehle.

Dieser Streit entzweite nicht nur die Instanzen, sondern sogar die verschiedenen Gerichtszweige. So befanden etwa das Bundessozialgericht in Kassel (Az.: 14 BEG 9/96) und das Bundesverwaltungsgericht in Berlin (Az.: 5 B 79/94), eine eigenhändige Unterschrift des Anwalts sei nicht erforderlich. Der Bundesgerichtshof jedoch urteilte gegenteilig (Az.: XI ZR 367/97). Auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt forderte weiterhin die eigenhändige Unterschrift (Az.: 5 AZR 576/94).

Demgegenüber verschloss sich der Gemeinsame Senat der Obersten Bundesgerichte dem technischen Fortschritt nicht. Er wertete auch die eingescannte Unterschrift, obwohl eben nicht eigenhändig erfolgt, als zulässig. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Identität des Absenders sicherzustellen, könne auch in diesem Fall erreicht werden (Az.: GmS-OGB 1/98).

Doch auch mit diesem grundsätzlichen Richterspruch ist der Streit nur zum Teil beigelegt. Während etwa die Landesarbeitsgerichte Köln (Az.: 6 Ta 58/01) und Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 1 Ta 18/97) in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten auf die eigenhändige Unterschrift beim Computerfax verzichten, fordern andere Gerichte wie etwa das Landgericht Berlin, dass in zivilrechtlichen Streitigkeiten in jedem Fall zusätzlich ein Originalschriftsatz vorgelegt werden muss. Denn nur so ließen sich Manipulationen ausschließen (Az.: 18 O 205/00).

In der Konsequenz dieses Richterspruchs urteilten die Richter des Landgerichts Wiesbaden, ein Rechtsmittel sei nicht wirksam per Telefax eingelegt, wenn das Fax und das später nachgesandte Original inhaltlich nicht identisch sind (Az.: 5 S 72/00).

Einig sind sich die Gerichte dagegen darin, dass einen Rechtsanwalt bei einer Rechtsmitteleinlegung per Telefax besondere Sorgfaltspflichten treffen, deren Verletzung sich der Mandant zurechnen lassen müsse. So habe der Anwalt insbesondere für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, befand etwa der BGH (Az.: V ZB 33/93). Dazu zähle, dass er sich einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken lassen muss. Tue er dies nicht, so treffe ihn ein Verschulden, wenn ein Schriftsatz überhaupt nicht oder nur unvollständig bei Gericht oder bei einer Behörde eingeht.

Als großzügiger erwiesen sich dagegen die Richter des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel. Sie urteilten, die Verwechslung von Telefax-Nummern koste nicht zwangsläufig den Rechtsschutz. Nur wenn der Anwalt Anhaltspunkte dafür habe, dass die ihm bekannte Telefaxnummer falsch sein könnte und er dem nicht nachgeht, könne ihm ein Vorwurf gemacht werden (Az.: 8 ZU 1816/00). Doch solange keine einheitliche Rechtssprechung vorliegt, muss wohl die alte Form des Briefes wählen, wer auf Nummer sicher gehen will.