Zensur

Streit um gesperrte Internetseiten mit Nazi-Propaganda spitzt sich zu

Das Sperren von Inhalten lenke nur von mangelnden politischen Konzepten gegen den Rechtsextremismus ab
Von dpa /

"Zensur!" tönt es empört der Bezirksregierung Düsseldorf entgegen. Kunden von Internetanbietern in Nordrhein- Westfalen und Studenten der ortsansässigen Universitäten beklagen sich, dass sie auf Grund einer Verfügung aus Düsseldorf nur noch Zugriff auf ein gefiltertes Internet-Angebot haben. Eine Allianz aus Internetaktivisten, Politikern und Publizisten will diese Einschränkung nicht hinnehmen. Die Bezirksregierung hatte Ende 2001 ortsansässige Internetanbieter und Hochschulen angewiesen, ausländische Webseiten mit Nazi-Propaganda zu sperren.

Einhellig stimmen die Kritiker der Behörde zu, dass gegen rechtsextreme Inhalte gekämpft werden müsse. Sie wenden sich jedoch prinzipiell gegen jegliche Zensur des weltumspannenden Computernetzes und rufen am 6. April zu einer Demonstration [Link entfernt] in der Düsseldorfer Innenstadt auf. "Eigentlich gehört dieser Unsinn verboten, auch angesichts des im Grundgesetz formulierten Zensurverbots", sagte Andy Müller-Maguhn, Sprecher der Computerinitiative Chaos Computer Club.

Mit "vollkommenem Unverständnis" reagiert Jürgen Schütte, Dezernent für Medienaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf, auf die Vorwürfe. Er verweist auf den Mediendienste-Staatsvertrag von 1997. "Der sieht genau vor, dass man strafbare Inhalte in Medien nicht verbreiten darf", sagte Schütte. Für das Internet würden die gleichen Regeln gelten wie für Radio, Fernsehen, Bücher und Zeitschriften.

Bis Ende April will die Bezirksregierung über das weitere Vorgehen entscheiden. Filtern statt sperren, soll die Lösung heißen. Die Universität Dortmund entwickelt zur Zeit gemeinsam mit drei Unternehmen ein Filteranwendung mit verschiedenen Ausschlussverfahren. "Es wäre uns am liebsten, uns mit den Internet-Providern zu einigen", sagte Schütte.

Das Sperren von Inhalten lenke nur von mangelnden politischen Konzepten gegen den Rechtsextremismus ab, werfen die Zensurgegner der Behörde des Regierungspräsidenten Jürgen Büssow (SPD) vor. Alle Bürger müssten selbst die Möglichkeit haben, sich ein Bild zu machen. Büssow argumentiert dagegen: Es sei eine allgemeine gesellschaftliche Aufgabe, rechtsextremem Gedankengut entgegen zu wirken. Eine rechtliche Schlappe mussten die Gegner der Verfügung bereits hinnehmen. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Bezirksregierung hatte die Staatsanwaltschaft eingestellt.

Der Verband der deutschen Onlinewirtschaft, eco, warnt davor, den Kampf gegen Nazipropaganda auf dem Rücken der Internetanbieter auszutragen. Rund 90 Unternehmen seien von der Verfügung betroffen. Die Behörde verkenne, dass sie mehrere tausend Webseiten mit illegalen Inhalten sperren lassen müsse. Dadurch entstünden den Zugangsanbietern erhebliche Personal- und Investitionskosten.

Nach Auffassung von eco ist die Sperre ohnehin wirkungslos. Ähnliche Maßnahmen seien seit Jahren weltweit in der Diskussion und immer wieder verworfen worden. Für Anbieter von illegalen Inhalten ist es ein Leichtes, die Internetadresse einer Webseite zu ändern. Außerdem sind zum Beispiel in den USA und Kanada Inhalte erlaubt, die in Deutschland verboten sind. Nur eine international einheitliche Rechtslage könne diesen Missstand beheben, macht eco deutlich. "Dies ist der einzig gangbare Weg, den wir für eine effektive Bekämpfung von strafbaren rechtsextremen Inhalten im Internet sehen", sagte eco-Geschäftsführer Harald Summa.

Internetanbieter und Webseitenbetreiber finden sich nicht zum ersten Mal in einem rechtlichen Spannungsfeld. Nach den Anschlägen vom 11. September vergangenen Jahres ließen Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs islamistische Internetseiten sperren. Auch der Umgang mit Verweisen auf andere Webseiten ist rechtlich noch nicht eindeutig geklärt.